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Die Grund- und Oberschule in Burg (Spreewald).

© dpa

Rechte Straftaten an Brandenburger Schule: Lehrkräfte und Schüler fürchten um ihre Sicherheit

Hakenkreuze und Hitlergrüße: Ein Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an einer Einrichtung in der Touristenhochburg Burg sorgt für Entsetzen. Werden derartige Fälle zu oft verharmlost?

Von
  • Silke Nauschütz, dpa
  • Monika Wendel, dpa

Auf dem Schulhof tummeln sich Kinder an Spielgeräten, viele Schüler warten nach dem Ende des Unterrichts vor dem Schulgebäude auf ihren Bus, andere steigen auf ihre Fahrräder. Die Sonne lädt zum Ausflug nach Burg in den Spreewald. Nichts deutet darauf hin, dass Lehrer der Grund- und Oberschule des Ortes Hilfe brauchen, weil sie sich mit rechten Vorfällen konfrontiert sehen.

In einem offenen Brief haben Lehrkräfte rechte Vorfälle an ihrer Schule im Spree-Neiße-Kreis beklagt. Es geht um mit Hakenkreuzen beschmiertes Schulmobiliar, um rechtsextreme Musik, die im Unterricht gehört wird und um demokratiefeindliche Parolen, die in Schulfluren gerufen werden. Und es geht um Wegsehen. „Wir erleben eine Mauer des Schweigens und der fehlenden Unterstützung seitens Schulleitungen, Schulämtern und Politik bei der Bekämpfung demokratiefeindlicher Strukturen, sowohl in der Schüler- und Elternschaft als auch bei den Kollegen“, heißt es in dem anonymen Schreiben.

Lehrkräfte und Schüler fürchten um ihre Sicherheit

Burg, etwa anderthalb Stunden von Berlin entfernt, macht sich derzeit startklar für die Saison. Jedes Jahr kommen Tausende Besucher in die Touristenhochburg im Spreewald, unternehmen in den berühmten Kanälen Bootstouren. Hotels, Pensionen und Therme laden zum Verweilen ein, Kunstveranstaltungen und die Spreewälder Sagennächte und auch die Pflege der sorbischen Bräuche sind fest verankert.

Hinter den Wänden des Schulgebäudes fürchten Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agieren, um ihre Sicherheit, wie sie in dem offenen Brief schreiben.

Im Jahr 2020 hatte das Brandenburger Innenministerium mitgeteilt, es befürchte im Spreewald das Entstehen eines Treffpunkts für Anhänger der rechtsextremen Szene. Demnach sollen in Burg Unternehmer, die Bezüge zur rechtsextremen Mischszene im Raum Cottbus haben, eine Immobilie für Treffen erworben haben, etwa für Konzerte. Das Gebäude sei von Anhängern der Szene aufgesucht worden, hieß es.

Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen

Die Sicherheitsbehörden hatten damals Informationsgespräche mit Vertretern vor Ort geführt. Der Amtsdirektor von Burg, Tobias Hentschel, hatte sich besorgt gezeigt. Burg sei ein weltoffener, toleranter und gastfreundlicher Ort. „Nationalsozialistische Ideologien haben bei uns keinen Platz.“

Die Lehrkräfte der Schule zeichnen ein anderes Bild. „Die wenigen ausländischen und toleranten Schüler an unserer Schule erleben Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen. Es herrscht das Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit.“ Hat der bekannte Spreewaldort ein Rechtsextremismus-Problem?

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben seit Dienstag zu den Vorfällen und hat an der Schule auch schon erste Vernehmungen durchgeführt, wie Sprecher Maik Kettlitz darstellt. Zudem sei über das Internet eine Anzeige zu den Vorfällen eingegangen.

Rechte Vorfälle dringen selten nach draußen

Rechte Vorfälle werden an Schulen aus Sicht der Amadeu Antonio Stiftung noch zu oft herunter gespielt. Schulleitungen wiegelten ab und bagatellisierten Vorkommnisse als Dumme-Junge-Streiche, sagt der Sprecher der Stiftung, Lorenz Blumenthaler, der Deutschen Presse-Agentur. Lehrkräfte, die etwa Hakenkreuz-Schmierereien und andere Fälle meldeten, fühlten sich oft allein gelassen.

Schulleitungen wüssten häufig nicht, wie sie mit Rechtsextremismus im Schulalltag umgehen sollten, sagt Blumenthaler. Zudem sorgten sie sich um den Ruf der Schule. „An vielen Schulen überall in Deutschland kommt es zu rechten Vorfällen. Es dringt aber selten nach außen.“

Der Brief von Lehrkräften aus dem Spree-Neiße-Kreis kann aus Sicht Blumenthalers eine Chance sein, dass eine offene Debatte angestoßen wird. Die Amadeu Antonio Stiftung, die sich unter anderem gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, spüre seitdem bereits mehr Beratungsbedarf von Schulen.

Designierter Bildungsminister sieht das Geschehen als Einzelfall

Der Hilferuf der Lehrkräfte hat auch die Politik aufgeschreckt. Im Bildungsausschuss waren die Vorfälle am Donnerstag auf Antrag der Linksfraktion Thema. Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) kündigte gründliche Aufklärungsarbeit an. Gleichzeitig sprach er den Lehrkräften Unterstützung zu. „Das Erste, was jetzt passieren muss, ist, denjenigen, die für Freiheit, Demokratie und Toleranz einstehen, dort den Rücken zu stärken und konkrete Hilfe zu leisten, so gut es geht“, sagte Freiberg. Demokratiefeindliche Positionen machten ihm Sorge.

Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg.
Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg.

© dpa/Bernd settnik

Freiberg sieht das Geschehen in Burg als Einzelfall. Wegen solcher Vorfälle sei bislang keine andere Schule an das Ministerium herangetreten, so der SPD-Politiker. Das Schulamt sei bereits tätig geworden, zudem werde es Gespräche mit Hinzuziehen von Fachleuten der regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) geben, sagte Freiberg. Er verwies zudem auf einen 5-Punkte-Plan zur Stärkung von politischer Bildung und demokratischem Verständnis. „Wir arbeiten an weitergehenden Handreichungen“.

Und der Fachverband Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit in Brandenburg hat von Lehrkräften signalisiert bekommen, dass es einen hohen Austauschbedarf zu Phänomenen der Jugendgewalt und des Rechtsextremismus gibt. „Wir müssen davon ausgehen, dass vergleichbare Vorfälle auch in anderen Regionen und in anderen pädagogischen Settings üblich sind“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes, Sebastian Müller, der dpa.

Außerdem berichteten Fachkräfte der Schulsozialarbeit zunehmend, dass die Not- und Krisenberatung von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern seit der Corona-Pandemie stark zugenommen hat. Um den hohen Beratungsbedarf zu decken, könnten etwa Präventionskurse im pädagogischen Alltag oft nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden. „Wir leiten daraus ab, dass persönliche und familiäre Krisen unter jungen Menschen spürbar zugenommen haben.“ (dpa)

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