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Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im PNN-Interview: "Nicht mehr die klassischen Potsdamer Fronten"

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs spricht im PNN-Interview über den Fall Elias, neue politische Gewichte in der Landeshauptstadt und den Streit am Pfingstberg. Und über eine mögliche dritte Amtszeit.

Von

Herr Jakobs, in Potsdam gibt es derzeit kein anderes Thema als die Suche nach dem sechsjährigen Elias.
Ich teile die Besorgnis und wünsche, wie wir alle, dass Elias wohlbehalten wieder nach Hause kommt.

Einige Menschen, die vor Ort suchen und Hilfe leisten, haben bemängelt, dass die Stadtspitze sie nicht genügend unterstütze.
Selbstverständlich hat unsere Feuerwehr und unser Ordnungsamt die Suchaktionen der verantwortlichen Polizei unterstützt. Außerdem hat sich unsere Jugend- und Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger via Pressemitteilung und auf unserer Homepage schon am Donnerstag bei den vielen Helferinnen und Helfern bedankt und war mit dem Bürgermeister Burkhard Exner stellvertretend für die Landeshauptstadt am Sonntag vor Ort. Dort wurde weitere logistische Hilfe zugesagt und ein Dank ausgesprochen. Zudem lasse ich mich regelmäßig über den aktuellen Sachstand informieren. Wichtig ist doch jetzt, dass der Junge wiedergefunden wird.

Was bedeutet dieser Fall, der schon jetzt sehr tragisch ist, für die Stadt Potsdam?
Ich finde, wir sollten jetzt nicht spekulieren.

Sie sind als gelernter Erzieher, Sozialarbeiter und studierter Soziologe gewissermaßen vom Fach: Immer wieder verschwinden Kinder, viele spurlos. Kann man dagegen etwas tun? Kann die Stadt ganz konkret handeln?
Die Kinder müssen zu selbstbewussten Menschen erzogen werden. Sie müssen stark sein, keine Opfer. Die Eltern sollten ihnen früh beibringen, mit niemandem mitzugehen, immer zu sagen, wohin sie gehen. Wir können als Stadt nur unterstützend tätig sein. Und das tun wir mit allen Kräften.

Sie regieren die Landeshauptstadt jetzt dreizehn Jahre. Was wurmt Sie derzeit am meisten?
Gar nichts. Ich bin nicht genervt. Ich fühle mich wohl.

Es gab viele Aufs und Abs. In welcher Phase befindet sich Potsdam jetzt?
Meine Antwort wird Sie jetzt bestimmt überraschen: Die Stadt entwickelt sich vorzüglich (lacht).

Das ist immer eine Frage der Perspektive. Worauf stützt sich Ihre?
Auf objektive Daten. Und die sind gegenüber 2002 oder 2006 nun einmal sensationell. Die Bevölkerung? Zuwachs von mehr als 25 Prozent. Die Wirtschaft? Das Wachstum ist noch höher als bei der Bevölkerungszahl. Die Arbeitslosigkeit? Jetzt auf einem Rekordtief von 6,8 Prozent im Juni 2015. Da beneiden uns andere darum.

Es geht also immer aufwärts. Sie verfolgen das seit 13 Jahren ...
… ich verfolge das nicht nur, ich gestalte das …

… man darf schon fragen, ob das alles trotz oder wegen der Politik geschieht.
Und man darf antworten: So viel können wir da gar nicht verkehrt gemacht haben.

Dennoch, stößt Potsdam nun an die Grenze seines Wachstums?
Ich kann das nicht erkennen. Potsdam wird 2020 wahrscheinlich bei der Bevölkerung die Marke von 170.000 Einwohnern knacken. Es gibt keinerlei Zeichen, dass sich das Wirtschaftswachstum abschwächen könnte. Klar ist, dass das eine Herausforderung ist, die Infrastruktur zu schaffen, um damit fertig zu werden. Wir sind dafür gut aufgestellt. Im Wohnungsbau werden allein dieses Jahr 2500 neue Wohnungen im Bau sein. Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, um noch 16.000 Wohnungen bauen zu können. In die Schulen investieren wir 160 Millionen Euro, aus eigener Kraft, nicht aus der Landeskasse, und 50 Millionen Euro in die Verkehrsinfrastruktur. Das alles belegt, wie vorzüglich sich die Stadt entwickelt.

Das muss nicht identisch mit dem Binnenklima, mit der Stimmung, sein.
Das weiß ich auch, die Zahlen sagen noch nichts über Atmosphärisches. Aber wir machen ja seit zwei Jahren repräsentative Befragungen. Demnach sind mehr als 87 Prozent der Potsdamer zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Stadt.

Und trotzdem verändert sich gerade etwas, mischen sich mehr Leute ein. Verschieben sich Gewichte in der Stadt?
Ja, politische Parteien sind nicht mehr allein die Gestaltungskräfte. In wachsendem Maße ergreifen Bürgerinnen und Bürger selbst Initiativen. Meine Linie ist: Wir müssen uns intensiv damit auseinandersetzen, mehr Bürgerbeteiligungen zuzulassen. Es ist wichtig, dass man die Leute mitnimmt, bei politischen Entscheidungen, bei Entscheidungen, die die Stadtgestaltung betreffen, was auch das Atmosphärische, das Klima prägt. Unser Konzept wird ja allgemein gelobt.


Mit Verlaub, Herr Jakobs, das Rathaus ist da kein Vorreiter, sondern wird dazu gezwungen. Wie beim erfolgreichen Bürgerbegehren gegen den Aufbau der Garnisonkirche. Wie bei der Bürgerbewegung „Potsdamer Mitte neu denken“, die das Fachhochschulgebäude aus DDR-Zeiten als Kontrast stehen lassen will. Hat sich die Stimmung gedreht, weg vom historisierenden Aufbau des alten Potsdam?

Ich sehe da zunächst einen allgemeinen Trend. Es ist ein bundesweites, nicht allein ein Potsdamer Phänomen: Bürger wollen überall mehr Beteiligung, wollen sich bundesweit nichts mehr vorsetzen lassen, es werden Entscheidungen von Politik und Verwaltungen zusehends hinterfragt. Es wird etwa in einer Stadt wie Potsdam schwieriger, sich für Maßnahmen eine hinlängliche politische Legitimation zu beschaffen. Allein dass eine Stadtverordnetenversammlung etwas beschließt, oder andere politische Gremien, ist kein hinlänglicher Legitimationshintergrund mehr. Wir müssen uns direkt an die Bürgerinnen und Bürger wenden. Politik wird dadurch nicht einfacher. Wir auf der kommunalen Ebene müssen da viel herumexperimentieren. Auf der Ebene des Landes oder des Bundes erfolgt das viel vermittelter. Es ist ein riesiges Experimentierfeld.

Was heißt das für die aktuellen Debatten um die Potsdamer Mitte?
Wir erleben zunehmend, dass latent und offen gefragt wird, wer gestaltet die Stadt. Ich halte das auch für vollkommen in Ordnung.

Woher kommt dieses neue Aufbegehren?
Es sind nicht mehr die klassischen Potsdamer Fronten. Jetzt kommt eine Generation, die für sich in Anspruch nimmt, mitreden zu wollen. Die bislang überhaupt nicht an dem vergangenen, langwierigen Diskussionsprozess beteiligt war, weil sie zu jung dafür war, oder weil sie erst danach zugezogen ist. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Es darf keine Situation entstehen, in der sich ein Gutteil der Stadtgesellschaft von dem, was in Potsdam geschieht, ausgeschlossen fühlt. Das wird meist auf der sozialen Ebene diskutiert, aber das ist zu eindimensional. Es betrifft genauso die Möglichkeit, sich in den Prozess der Stadtgestaltung erkennbar einzubringen.

Kulminiert das im Streit um die Garnisonkirche?
Ja, genau dort macht sich das besonders fest. Ich glaube, dass mittlerweile weniger die historische Funktion der Garnisonkirche, der Tag von Potsdam, das Problem ist, sondern ein durchaus verbreitetes Gefühl in der Stadt: Schon wieder wird da ein historisches Gebäude errichtet. Und wo bleiben wir? Das war für mich der Grund, dass ich gesagt habe: Lasst uns darüber nachdenken, das Rechenzentrum für eine befristete Zeit zu einer Werkstatt zu machen, für die Kunstszene, für junge Leute, die sich einbringen wollen. Diese Schwierigkeiten treten immer dann auf, wenn zwischen dem, was man mal irgendwann beschlossen hat und der Realisierung allzu große Zeitspannen liegen.

Sie meinen, das ist auch der Auslöser für die Debatte um die Fachhochschule, um das „Neudenken“ der alten Mitte?
Ja, dort gibt es exakt dasselbe Problem. Deshalb habe ich ja, leider vergeblich, beim Land interveniert: Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, dass das Gebäude abgerissen werden soll, kann man nicht einfach kommen und sagen, wir lassen das einfach ein paar Jahre länger stehen.

Aber aus der Perspektive der neuen Generation könnte das Gebäude stehen bleiben, weil es ein spannender Kontrast zum Schloss, zum barocken Potsdam wäre. Hat das eine Chance?
Ich hoffe nicht. Ich werde alles daran setzen, dass wir das, was wir uns mit dem Gelände der Fachhochschule vorgenommen haben, auch umgesetzt wird.

Also Potsdamer Mitte nicht neu denken?
Nein, was diesen Punkt angeht, auf gar keinen Fall. Da werden wir die Debatte um die städtebauliche Neuordnung dieses Quartiers noch einmal herleiten müssen.

Warum sind Sie da so absolut zu?
Das Konzept für die Potsdamer Mitte ist fundiert, lange gereift. Wir sind ja sehr weit in Vorleistungen gegangen. Das ist alles sehr breit diskutiert und langfristig angelegt worden. Das sollte man nicht wegen aktueller Stimmungen revidieren.

Aber wenn das Ergebnis von vornherein feststeht, ist es keine Diskussion, sondern Agitation!
Nein, ganz und gar nicht. Wir müssen mit denen, die sich in dieser Initiative engagieren, ins Gespräch kommen – etwa wie anderswo Teile der Innenstadt so gestaltet werden, dass sie sich damit identifizieren können. Es ist eben nicht so, dass wir das gesamte Zentrum historisch wiederaufbauen wollen. Es gibt Raum für moderne Architektur. Allerdings, mit gewissen Auflagen zur Größe und Kubatur.

Wo sind denn diese Räume, bitteschön?
In der Ausgestaltung der Architektur, der Gebäude. Wir haben ja nur festgelegt, dass es so genannte Leitbauten gibt, die historisch aufgebaut werden. Alles, was dazwischen ist, kann ja modern werden.

Gilt das auch für den Alten Markt?
Ja, das gilt auch für den Alten Markt. Am Standort, wo jetzt die Fachhochschule steht, kann modern gebaut werden.

Tut sich die neue Generation, die sich einmischt, schwerer mit den Prominenten und Reichen in der Stadt?
Ich glaube nicht, dass es etwas damit zu tun hat, wer Geld hat oder nicht: Es hat bei dieser Generation damit zu tun, wen man zum politischen Establishment rechnet. Und zu dem gehöre ich inzwischen vermutlich genauso wie die Vertreter von Mitteschön.

Manche fragen, wer die Stadt gestaltet. Andere fragen nach den Auseinandersetzungen um das Pfingstberg-Vorhaben von Springer-Vorstand Matthias Döpfner inzwischen: Wem gehört Potsdam?
Allgemein ist das ja klar. Es gibt privates und öffentliches Eigentum. Ich finde, dass man sorgfältig mit öffentlichen Flächen umgehen muss. Das ist ein hochsensibles Thema. Ich kann nur allen empfehlen, hochgradig behutsam damit umzugehen. All das, was definiert öffentlich ist, das sollte auch öffentlich zugänglich bleiben.

Sie haben die Schlösserstiftung wegen der Pfingstberg-Vereinbarung mit Herrn Döpfner öffentlich hart kritisiert. Warum sprechen Stadt und Stiftung nicht einfach miteinander, um solche Eskalationen zu vermeiden?
Das müssen Sie schon die Schlösserstiftung fragen. Ich habe jetzt Herrn Döpfner einen Brief geschrieben, der ein Gesprächsangebot beinhaltet, um eine zielführende Lösung zu finden. An einer öffentlichen Eskalation kann niemand interessiert sein.

Dennoch, warum gibt es da keinen kurzen Draht, kein rotes Telefon?
An mir liegt es nicht. Ich hatte vorher auch nicht das Gefühl, dass wir aus Entscheidungsprozessen der Stiftung herausgehalten werden. Wir haben an sich einen offenen Umgang gepflegt. Beim Pfingstberg war es eindeutig anders.

Warum, das wissen Sie nicht?
Nein.

Erst Jauch, dann Plattner, und nun Döpfner: Warum ist die Beziehung zwischen Stadtspitze und den Neu-Potsdamern, zumindest den bekannten, so gestört wie nie?
Also Entschuldigung mal! Zunächst, es gibt nicht nur Herrn Döpfner, es gibt mindestens 40.000 Neu-Potsdamer. Und von einer gestörten Beziehung kann keine Rede sein. Und wenn Sie schon Herrn Professor Plattner erwähnen: Soeben ist Richtfest am Alten Markt für das Museum Barberini gefeiert worden. Wir alle freuen uns auf das kommende Jahr, wenn das Haus eröffnet werden soll. Der Streit am Pfingstberg mit Herrn Döpfner ist ein Einzelfall. Da gibt es einen Interessenkonflikt. Und der wird ausgetragen.

Der Klügere gibt nach, heißt es.
Meine Aufgabe ist es, die öffentlichen Interessen wahrzunehmen. Dafür bin ich gewählt worden. Und diese Funktion nehme ich wahr. Und wenn es andere Interessen gibt, wenn man beides nicht in Einklang miteinander bringen kann, muss das auch formuliert werden dürfen. Ich kann in dieser konkreten Situation nicht einfach entscheiden: Macht das einfach mal so. Deshalb habe ich zum einen darauf hingewiesen, dass diese Verabredung es erforderlich macht, den Bebauungsplan zu modifizieren. Und zum anderen habe ich mir den Hinweis erlaubt: Ich glaube nicht, dass es dafür eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung gibt.

Aber die Stadt war doch in der Arbeitsgruppe dabei, die das alles entwickelt hat!
Das ist nicht richtig. Die Verträge waren bereits geschlossen, der Zaun war gesetzt, als wir ins Spiel kamen. Die Situation war bereits festgefahren, sodass ich die gemeinsamen Gespräche der Fachleute vorgeschlagen habe, um überhaupt zu klären, was genehmigungsfähig ist und ob nach einem Kompromiss gesucht werden kann.

Der ist nun vorgelegt worden. Und Sie sagen: Nein danke!
Das Recht steht mir auch zu. Am Ende habe ich zu beurteilen und dafür gerade zu stehen, unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Regularien, bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Es mag eine sinnvolle Lösung sein. Aber sie ist so nur zulässig, wenn wir den Bebauungsplan ändern. Aber noch einmal: Ich hoffe immer noch auf einen Kompromiss.

Aber Sie provozieren einen Rechtsstreit um den Zaun. Steht das Potsdam wirklich gut zu Gesicht?
Das hat mich nicht zu interessieren. Es ist ein Sachverhalt, den ich so nicht dulden darf. Dort steht plötzlich ein Zaun, angeblich aus Verkehrssicherungsgründen gebaut, was strittig ist. Wir machen jetzt das, was eine Verwaltung immer macht: Wir überprüfen, ob das zulässig ist oder nicht. Die Stiftung ist deshalb im Rahmen einer Anhörung gebeten worden, dazu Stellung zu nehmen. Es ist definiert, was eine öffentliche Fläche ist. Und die muss zugänglich sein. Genau das wäre das Areal nicht. Wir würden bei jedem anderen genauso vorgehen.

Früher hatte man den Eindruck, dass Sie im Verhältnis mit den prominenten, wohlhabenden Neu-Potsdamern vieles bilateral hinter den Kulissen geregelt haben. Von diesem diplomatischen Geschick ist nicht mehr viel zu spüren. Warum nehmen Sie plötzlich keine Rücksicht mehr?
Ich rede wie eh und je, um Konflikte zu vermeiden – auch in vertraulichen Runden. Ich glaube sogar, dass das eine meiner Stärken ist. Aber ich sage es mal so: Da gibt es auch Grenzen. Und ich bitte darum, den Fall Döpfner nicht zu verallgemeinern.

Aber es hat Signalwirkung, wenn immer mehr Geschütze aufgefahren werden.
Noch einmal, es gibt einen Konflikt, einen um ein hohes Gut, nämlich um den öffentlichen Zugang zu einer bisher öffentlichen Fläche. Da kann ich versuchen, in gegenseitigem Einvernehmen bestimmte Regelungen herbeizuführen. Das tue ich. Aber das setzt voraus, dass auf beiden Seiten dafür die Sensibilität und Bereitschaft da ist, Kompromisse zu schließen.

Und das fehlt bei Herrn Döpfner?
Ich habe einen Kompromiss vorgeschlagen, von dem ich meine, dass er durchaus den Erfordernissen von Herrn Döpfner Rechnung trägt. Ich hoffe, dass die nächsten Gespräche der Fachleute gut verlaufen.

Man kann diesen Konflikt auch größer sehen. Gibt es möglicherweise bei einflussreichen Neu-Potsdamern inzwischen eine Tendenz zum Überziehen?
Ich wiederhole mich: Der Pfingstberg ist ein singulärer Konflikt. Wie gesagt, ich habe ihm einen Brief geschrieben und einen Gesprächstermin angeboten, um eine Lösung zu finden.

Die Fördergesellschaft für den Aufbau der Garnisonkirche hat einen neuen Chef, den früheren Verfassungsrichter und Anwalt Matthias Dombert. Eine Chance?
Ja, denn hier muss besonders viel diskutiert und geworben werden, selbst wenn es schon zahlreiche Beschlüsse gibt. Man muss die Leute, die Potsdamer Bevölkerung, mit auf die Reise nehmen.

Das wäre bei der Garnisonkirche etwas Neues.
Mag sein, deshalb haben wir jetzt den Dialog angefangen. Angesichts der Vorgeschichte, der verhärteten Fronten ist es ja schon schwer zwischen den unterschiedlichen Akteuren, zwischen denen Welten liegen, überhaupt eine gemeinsame Kommunikationsebene herzustellen.

Vom Dialog hört man aber nichts.
Zurzeit finden dazu viele Gespräche im kleinen Kreis statt.

Herr Jakobs, gibt es einen Linksruck in der Stadtpolitik, in der Stadtverordnetenversammlung, in der SPD-Fraktion?
Nein, ich sehe nicht, dass Potsdam nach links rückt, weder in der Stadt, noch im Stadtparlament oder der SPD-Fraktion. Was aktuell geschieht, hat nichts mit Links-Rechts-Schemata zu tun. Die SPD hat es geschafft, den Generationswechsel herbeizuführen. Das steht der Linken vermutlich noch bevor. Es ist auch klar, dass bestimmte Politikfelder auch strategisch besetzt werden müssen, was die SPD praktiziert. Da muss die Linke aufpassen, dass sie nicht zu spät kommt.

Aha, deshalb greift SPD-Vizefraktionschef Pete Heuer ihren Baubeigeordneten Matthias Klipp wegen der Hausbau-Affäre so frontal an.
Es gibt keine Hausbau-Affäre.

Erklären Sie das bitte!
Mit Matthias Klipp ist in der Bauverwaltung so verfahren worden wie mit jedem anderen auch. Und wenn es da auch nur einen annähernden Verdacht gegeben hätte, wäre mit Sicherheit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dennoch behalten wir die Angelegenheit natürlich im Auge. Es gibt jedoch einen Punkt, den ich kritisch sehe.

Der da wäre?
Dass Matthias Klipp nicht im Hauptausschuss oder im Bauausschuss darüber informiert hat, dass er von den Vorgaben des B-Plans befreit worden ist. Das wäre sicher besser gewesen, um mehr Transparenz hineinzubekommen. Der Punkt ist, dass in so einem Fall nicht einmal der Antragsteller gefragt wird. Es gibt da klare Regeln in der Baubehörde. Es entscheidet ein Gremium, nie ein Sachbearbeiter allein. Deshalb geschieht das ohne Anhörung des Bauherrn. Für Klipp gilt dasselbe wie für jeden privaten Bauherren.

Herr Klipp hat erklärt, er finde es auffällig, wie intensiv sich die Bild-Zeitung plötzlich um Potsdam und um ihn kümmert. Sehen Sie das genauso?
Nein, man ist halt mal im Fokus und mal wieder nicht.

Ihr Baubeigeordneter vermutet eine Retourkutsche aus dem Hause Springer für den Konflikt am Pfingstberg und um die Ausflugsgaststätte Kongsnaes, wo der Bild-Chefredakteur zu den Klägern gegen die Stadt gehörte.
Ich kann nachvollziehen, dass Herr Klipp getroffen ist. Aber ich sehe keinen Zusammenhang. Ich glaube nicht, dass man bei Springer irgendwelche Rachegelüste hat. So bedeutend sind wir nicht. Im Fall Kongsnaes: Es ist legitim, den Klageweg zu wählen. Die Anwohner haben verloren. Ich gehe davon aus, dass es faire Verlierer sind.

Es kursiert ein neues Reizwort in Potsdam: Man braucht es nur zu erwähnen, schon sind alle in Rage – die Zeppelinstraße. Wie hält es der Oberbürgermeister mit den Plänen Klipps, diese Haupttrasse zu verengen?
So wie Potsdam wächst, kann die Stadt nicht nur mit dem Auto bewältigt werden. Wir müssen Alternativen schaffen, mit dem Öffentlichen Nahverkehr, mit Fahrradwegen. Nun sind in der Zeppelinstraße Schadstoffemissionen so groß, dass wir verpflichtet sind, etwas zu tun. Da hat Herr Klipp mit seinen Leuten diesen etwas apodiktischen Vorschlag unterbreitet, der natürlich Gegenreaktionen provoziert.

Wie ist Ihre Position?
Bevor wir mit isolierten Maßnahmen beginnen, muss das Gesamtkonzept stehen. Man kann nicht die Zeppelinstraße verengen, ohne gleichzeitig die Entlastung durch den öffentlichen Nahverkehr geklärt zu haben, ohne dass mehr Busse und Straßenbahnen fahren. Deshalb ist es wichtig, dass dieser Gesichtspunkt noch einmal intensiv beleuchtet wird. Dazu wird es auch Gespräche mit den anderen Aufgabenträgern des Nahverkehrs, auch denen des Landkreises Potsdam-Mittelmark, geben müssen.

Diese Gespräche mit den Umlandgemeinden, dem Kreis Potsdam-Mittelmark, hätte es geben müssen, bevor man mit so einem Plan in die Öffentlichkeit geht. Wir tun es jetzt, was auch eine Folge der aktuellen Debatte ist.

Herr Jakobs, mögen Sie eigentlich den italienischen Klassizismus?
Na ja, es geht. Warum fragen Sie das?

Sie müssen doch Ihr Haus so bauen!
Das fehlte gerade noch! (lacht)

Im Ernst: Sie haben doch Hasso Plattner ein Grundstück auf seinem Campus am Jungfernsee abgekauft. Und seine architektonische Qualitäts-Vorgabe für das Areal lautet, so wurde es uns erklärt, italienischer Klassizismus.
Davon weiß ich nichts.

Sie bauen also nicht im friesischen Stil, den Plattner dort genauso wenig haben will wie Schwarzwaldhäuser?
Nein, es gibt keine Auflagen. In meinen Kaufvertrag steht nichts, wie ich verpflichtend zu bauen hätte.

Haben Sie Hasso Plattner den Entwurf schon zur Genehmigung vorgelegt?
Nächste Frage!

Es war immer die Rede, dass Sie sich einem Altersruhesitz schaffen. Sie könnten aber auch bei der Oberbürgermeisterwahl 2018 noch einmal antreten. Tun Sie es?
Es ist noch genügend Zeit bis 2018.

Wissen Sie schon, wann Sie sich entscheiden wollen?
Nein. Man muss sehen, was man selbst für Lebenspläne hat und was die Partei vorhat. Wir werden uns zu gegebener Zeit hinsetzen und beraten.

Aber der Gedanke, noch einmal anzutreten, hat Charme für Sie?
Warten wir ab.

Bei einer aktuellen Potsdam-Umfrage haben 0,4 Prozent Ihren Namen sofort mit Potsdam verbunden. Es war immerhin der gleiche Wert, den Karl-Friedrich Schinkel erreicht hat. Da geht noch was, oder?
Na klar. Darf ich fragen, wer vorne lag?

Der Alte Fritz. Jauch kam übrigens auf Platz Sechs. Sie waren Letzter.
Echt? Wen haben Sie denn da befragt?

Nicht wir, Sie haben befragen lassen. Es war eine Umfrage der Stadtverwaltung.
Sie sprechen die Wissenschaftsumfrage an. Wir werten Sie aus und werden dann unsere Schlüsse daraus ziehen. Und: Auf einem Platz mit Schinkel zu stehen, ist doch gar nicht mal so schlecht. (lacht)

Herr Jakobs, etwas grundsätzlicher gefragt: Wäre es gesund, wenn Potsdam so lange von einem Menschen gestaltet und regiert wird?
Ob das gesund ist, kann man nicht an Regierungsjahren festmachen. Das hängt immer davon ab, wie lebendig die politische Kultur einer Kommunen ist. Und davon: Kann sich einer auf neue Situationen einstellen? Wie flexibel, wie gesund ist er? Es gibt in Süddeutschland Oberbürgermeister, die noch viel länger im Amt sind. Christian Ude in München kam, glaube ich, auf 24 Jahre.

Das Gespräch führten Sabine Schicketanz und Peer Straube

ZUR PERSON: Jann Jakobs vorgestellt

Aus dem Norden:

Jann Jakobs (SPD) wurde am 22. Dezember 1953 im ostfriesischen Eilsum geboren. Nach einer Ausbildung zum Erzieher in Hannover studierte er Sozialarbeit und Sozialpädagogik, danach Soziologie und Politikwissenschaft. Bis Anfang der 90er-Jahre arbeitete Jakobs am Bezirksamt in Berlin-Spandau.

Zeit in Potsdam:

Von 1993 bis 1997 arbeitete der Sozialdemokrat als Jugendamtsleiter in Potsdam. Im März 1997 wurde er zum Beigeordneten für Soziales, Jugend und Gesundheit gewählt, im März 1999 wurde er zudem Bürgermeister und damit Stellvertreter des damaligen Oberbürgermeisters Matthias Platzeck (SPD). Seit Ende 2002 ist Jakobs selbst Chef im Rathaus, 2010 wurde er für acht Jahre wiedergewählt. (PNN)

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