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ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN
von Joseph Kesselring
 
REGIE: Lilli-Hannah Hoepner
BÜHNE: Iris Kraft
KOSTÜME: Tatjana Kautsch
CHOREOGRAFIE: Rônni Maciel
MUSIK: Sky Deep
DRAMATURGIE: Christopher Hanf
 
Auf dem Bild
Bettina Riebesel, Henning Strübbe, Janine Kreß
 
Foto: Thomas M. Jauk
 
honorarfrei bei Angabe des Copyrights

© Thomas M. Jauk

„Arsen und Spitzenhäubchen“ im HOT : Nur noch steril

Am Freitagabend hatte „Arsen und Spitzenhäubchen“ im Hans Otto Theater Premiere. Die Banalität des Bösen wusste das Stück nicht zu erklären.

Von Oliver Köhler

Schwarzer Humor ist erst mal gut. Gerade in diesen finsteren Zeiten scheint er doch etwas Heilung zu versprechen. Oder zumindest galligen Trost. In dem Sinne versprach der Abend viel: Mit „Arsen und Spitzenhäubchen“ sollte am Freitagabend ein Klassiker schwarzhumoriger Groteske auf die Bühne des Hans Otto Theater gebracht werden. Und doch, der erlösende Effekt blieb aus.

Lilli-Hannah Hoepner hatte als Regisseurin in der Reithalle mit „Concord Floral“ bereits eine Inszenierung vorgelegt, die in ihrer extremen Sterilität eine Wucht entfaltete, die tagelange Magenschmerzen verursachen konnte. Für ihr erstes Stück auf der großen Bühne griff sie nun folgerichtig auf dieselbe Sterilität zurück.

Die Omis Abby und Martha Brewster ermorden nämlich heimlich mit Holunderwein, Arsen, Strychnin und Zyankali ältere Herren, die in ihrer Einsamkeit nach einem freien Zimmer suchen. Als zufällig ihr Neffe Mortimer (hyperventilierend: Jan Hallmann) eine der Leichen in einer Truhe findet, versucht er das Entdeckte zu vertuschen. Dumm nur, dass sein verschollener Bruder Jonathan auftaucht, ebenfalls ein Serienmörder, der auch eine Leiche loszuwerden hat. Zum Glück gibt es dessen Bruder Teddy, der sich als Reinkarnation von Präsident Roosevelt sieht und im Keller am Panamakanal gräbt (in dem die Leichen dann auch verschwinden), während die nichtsahnenden Dorfbullen ein und aus gehen. Was für eine wahnwitzige Geschichte da erzählt werden will!

Die Gangster-Omis Bettina Riebesel und Janine Kreß (v.l.) mit Neffe Mortimer Jan Hallmann.
Die Gangster-Omis Bettina Riebesel und Janine Kreß (v.l.) mit Neffe Mortimer Jan Hallmann.

© Thomas M. Jauk

Dieses Pfund der Unglaubwürdigkeit wurde jedoch gnadenlos überreizt und damit verspielt: Auf der kargen, weißen Bühne (Iris Kraft), in deren Hintergrund ein Terrarium mit Plastikpalmen dräute, war das einzig Aufregende die kilometerlange Telefonschnur. Aber diese grellweiße Ikea-Sterilität passt eben nicht zu der Familiendramödie des US-Autors Joseph Kesselring.

Die Gangsterpistole zündet in Potsdam nicht

Dabei ist die Geschichte eine Steilvorlage für eine schmissige Gangsterpistole, in der die Besetzung mal richtig auf den Putz hauen durfte. Bock hatten die ja: Philipp Mauritz als gesichtsoperierter Frankenstein-Chucky-Verschnitt hat schon ewig nicht mehr so irre geguckt, dazu Guido Lamprecht als dessen buckliger Vasall, Charlott Lehmann in Bestform, Bettina Riebesel und Janine Kreß als Gangsteromis – und doch hat es nicht gezündet.

Das lag nicht nur an der Bühne und der quietschbunt überzogenen Kostümierung (Tatjana Kautsch), sondern auch am Manko einer allzu theatralischen Durcheinanderwürfelung, deren Groteske sich partout nicht durchsetzen konnte. „Arsen und Spitzenhäubchen“ lebt aber von der heimeligen Sicherheit einer Großfamilie, in der natürlich niemand Leichen im Keller hat.

Zu unentschieden

Das überdimensioniert-bestickte Tischtuch mit „All men are created equal“ – alle Menschen sind gleich geschaffen – hing mahnend über der Bühne, aber bis auf halbherziges Weltkriegsgeplänkel à la „Europa ist weit weg“ wurden da erstaunlich wenig Bezugspunkte zum aktuellen Geschehen gezogen. Dabei drängte sich das doch auf, nicht erst seit ein paar Wochen. Als ob Tod unpolitisch wäre. Oder steril.

Und so kaspert sich das Ensemble über die Bühne, das Stück schwappt umher, ohne sich entscheiden zu können, und man wartet darauf, dass sich der ganze experimentelle Knoten löst und das persönliche Hurra auslöst. Aber es hurrate einfach nicht. Seltsam, dass so sicher geglaubte Stücke einfach nicht den Weg ins Bewusstsein finden. Aber vielleicht liegt das ja an einem selbst.

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