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Der Uni-Campus in Potsdam-Golm soll am stärksten wachsen.

© Fritze/UP

Rechte Angriffe an Potsdamer Uni-Campus: Studierende in Golm fordern mehr Unterstützung

150 Studierende trafen sich, um sich gegen rechte Jugendliche auf dem Campus zu vernetzen. Von der Stadtverwaltung fühlen sie sich alleingelassen.

Der Andrang war groß: Mehr als 150 Studierende hatten sich am Mittwochabend zum Vortrag „Transfeindlichkeit und die extreme Rechte im deutschsprachigen Raum“ auf dem Campus Golm eingefunden. Anlass waren die jüngsten Angriffe von größeren Gruppen rechter Jugendlicher. Eine Initiative aus Fachschaftsräten der Universität Potsdam hatte die Veranstaltung unter dem Titel „Reclaim Golm!“ organisiert.

In den vergangenen Monaten hatte es mehrmals queerfeindliche und rassistische Übergriffe gegen Studierende gegeben, auch rechte Schmierereien tauchen regelmäßig auf dem Campus auf.

„Ich finde es schockierend, dass Politik, Uni und Polizei nur über die Straftaten reden und den politischen Hintergrund dieser Taten völlig ausklammern“, sagte die vortragende Person Micke Guckelsberger, die an einem pädagogisch-wissenschaftlichen Institut in Berlin tätig ist. „Die Auswahl der Angegriffenen ist nicht zufällig und folgt rechten Weltbildern.“ Unter den rechten Graffitis habe es beispielsweise Mordaufrufe an Transpersonen gegeben, Übergriffe und Beleidigungen seien vor allem gegen queere Menschen oder People of Colour gerichtet gewesen. Guckelsberger und andere Studierende forderten die Uni Potsdam und die Stadtpolitik dazu auf, dies deutlich zu benennen.

Golm hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und zwar nicht nur bei Jugendlichen. Diese Jugendlichen haben auch Eltern.

Micke Guckelsberger, hielt am Campus einen Vortrag zu Transfeindlichkeit

„Golm hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und zwar nicht nur bei Jugendlichen. Diese Jugendlichen haben auch Eltern“, so Guckelsberger. Als Beispiele nannte sie die AfD und die rechtsextreme Kleinpartei „Der dritte Weg“, die erst kürzlich gegen den Neubau von Wohnungen für Geflüchtete in Golm protestiert hatten. Entscheidend sei langfristige politische Arbeit im Ort. „Das hat bislang leider noch niemand gefordert“, sagte Guckelsberger.

Die Erklärung, dass den Jugendlichen während Corona viele Räume weggefallen seien, sei zwar richtig, greife aber zu kurz: „Solche Taten entstehen nicht aus Langeweile, sondern aus rechter Ideologie“, so Guckelsberger.

Ziel der Angriffe war auch mehrmals das Lesecafé Golm, ein selbstverwalteter studentischer Freiraum mitten auf dem Campus: Studierende berichteten davon, dass es von rechten Jugendlichen immer wieder Pöbeleien, Vandalismus und körperliche Angriffe gegeben habe. „Ich kenne einige Leute, die sich deswegen nicht mehr hierher trauen“, sagte ein Studierender. „Wir müssen uns organisieren und uns diesen Raum zurückholen.“

Wo ist Potsdam bekennt Farbe?

Kritik wurde auch an mangelnder Unterstützung aus der Stadt laut: „Ich finde es total befremdlich, dass hier niemand von ‚Potsdam bekennt Farbe‘ auftaucht“, sagte eine Studierende. „Als damals Pegida versucht hat, in Potsdam Fuß zu fassen, hatte die Initiative sehr schnell reagiert.“

Guckelsberger empfahl, sich mit möglichst vielen lokalen Akteuren in Golm zu vernetzen: „Die Erfahrung aus anderen Orten zeigt, dass sich Rechte irgendwann zurückziehen, wenn sie aus verschiedenen Richtungen Gegenwind bekommen.“

Im Anschluss an die Veranstaltung kündigte sich die Gründung der studentischen Arbeitsgruppe „Golm Nazifrei“ an, die Organisatorinnen und Organisatoren von „Reclaim Golm!“ planen auch, Selbstbehauptungstrainings gegen Rechte anzubieten.

Nach dem Vortrag wurden Plakate mit Fragen wie „Welche Infrastruktur braucht es, damit Golm ein sicherer Ort wird?“ aufgehangen. „Pfefferspray“, schrieb jemand darunter, jemand anders schrieb: „Bibliothek und Cafeteria sollten bis abends geöffnet sein, damit mehr Menschen auf dem Campus sind (vor allem nachts)“. Andere Vorschläge lauteten „Antifa gründen“ oder „Mehr öffentliche Veranstaltungen wie Sommerfeste durchführen“.

Die Uni Potsdam hatte die Stadt Potsdam Anfang der Woche zum Handeln gegen die Umtriebe der rechten Jugendlichen aufgefordert. Bislang gab es nur Geld für eine zusätzliche Streetwork-Stelle in Golm. Die Polizei fährt vermehrt Streife, der Ortsbeirat fordert jedoch mehr Polizeipräsenz in den Abendstunden.

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