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Blick auf Satzkorn im Frühling. Doch das Idyll des Potsdamer Ortsteils ist bedroht.

© Axel Starck

Gewerbe, Verkehr, Möbelläden und Solaranlagen: Satzkorner sehen Dorfidyll im Potsdamer Ortsteil bedroht

Der Ortsbeirat fordert einen Rahmenplan, um überdimensionierte Gewerbeflächen zu verhindern. Die historische Dorfstruktur und der Landschaftsraum seien massiv gefährdet.

Die abendliche Frühlingssonne schien am Mittwoch durch die Fenster der 800 Jahre alten Dorfkirche. Alle Bänke waren voll besetzt, als vorn auf der Leinwand Bilder von blühenden Kirschbäumen und Rapsfeldern die Schönheit des Dorfes und der umgebenden Landschaft illustrierten. Doch die bestehende Idylle sei von gleich mehreren Seiten bedroht, machte der Ortsbeirat bei der Präsentation der Ergebnisse des Dorfdialogs deutlich.

„Das Dorf wird umzingelt von Veränderungen“, sagte die stellvertretende Ortsvorsteherin Susanna Krüger. Sehr anschaulich wurde dies während eines Vortrags mit Bildern und Zahlen verdeutlicht. Wo im Winter hunderte Schwäne und Gänse rasten, soll auf 97 Hektar Potsdams größter Solarpark entstehen. Die Photovoltaikanlagen rücken bis nah an die nur 28 Hektar große Siedlungsfläche des Dorfes heran.

28
Hektar ist die Siedlungsfläche von Satzkorn groß, 97 Hektar groß soll der Solarpark beim Dorf werden.

Außerdem sollen 500 Hektar Fläche südlich des Dorfes als Moor wieder vernässt werden. „Eine Vernässung bis nach Fahrland und die Solaranlage schränken die Nutzung des Naturraums für Satzkorner und Touristen erheblich ein“, sagte Gernot Riemer vom Dorf- und Kulturverein. Landschaft und Natur müssten erlebbar bleiben, sie gehörten zu Satzkorn dazu.

Beliebter Spazierweg: Die Straße des Friedens in Satzkorn während der Kirschblüte.

© Ilona Meister

Die Gesamtfläche für Gewerbe soll auf 400 Hektar wachsen

Massiv bedroht sieht sich Satzkorn auch durch eine geplante Erweiterung des Gewerbegebiets Friedrichspark und durch die geplante Tank- und Raststätte Havelseen an der A10. Auf 400 Hektar soll die Gesamtfläche für Gewerbe wachsen. Dazu plant das Unternehmen „XXX Lutz“ gleich drei Möbelhäuser mit zusammen 38.000 Quadratmetern Verkaufsfläche im Friedrichspark. Die dafür notwendige Bebauungsplanänderung ist in Arbeit.

Wilfried Bethge, 2. Vorsitzender des Dorf- und Kulturvereins, sprach sich gegen großflächige Gewerbebetriebe und Logistikzentren aus, lediglich zusätzliche Handwerksbetriebe und Kleingewerbe passten in den Ort. „Wir haben hier fruchtbare Böden, die landesweit zu den besten zählen“, wandte sich auch Susanna Krüger gegen eine Flächenversiegelung.

Der im März vergangenen Jahres gestartete Dorfdialog fand mit Unterstützung des Forums ländlicher Raum und der Brandenburgischen Architektenkammer statt. Der Potsdamer Architekt Steffen Pfrogner und Landschaftsplaner Jürgen Peters von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde begleiteten ihn.

Nach einem Auftaktseminar wurden in zehn offenen Workshops bis März unterschiedliche Themenfelder, die Ausgangslage und die Ziele betrachtet. Der Ortsbeirat hat dazu eine Stellungnahme verfasst, die von der Verwaltung und den Stadtverordneten bei der weiteren Planung für Satzkorn Berücksichtigung finden soll.

Wir wollen verhindern, dass wir ein zweites Fahrland werden.

Susanna Krüger, stellvertretende Ortsvorsteherin.

Die Ergebnisse seien eine umfangreiche Vorlage für einen notwendigen Rahmenplan, „den wir jetzt brauchen und nicht erst, wenn die Einzelvorhaben umgesetzt sind“, sagte Susanna Krüger. „Die Initiative für die Zukunft von Satzkorn resultiert aus unserer Liebe zum Dorf und zur Natur.“ Es gelte, den historischen, komplett erhaltene Dorfkern mit sieben Einzeldenkmalen, die Kulturlandschaft mit ihrer Artenvielfalt und fruchtbaren Äckern und den archäologischen Schätzen zu erhalten.

Der Friedrichspark dürfe sich deshalb nicht weiter ausdehnen, es dürfe kein Bauerwartungsland geschaffen werden, forderte die stellvertretende Ortsvorsteherin. „Wir wollen verhindern, dass wir ein zweites Fahrland werden.“ Die Lebensqualität in Satzkorn müsse verbessert, nicht zerstört werden. Zusätzliche Siedlungsfläche sind für das 500-Einwohner-Dorf nicht vorgesehen.

Blick auf Satzkorn am 27. April 2023: Im Vordergrund befindet sich der alte Gutshof mit sechs denkmalgeschützten Gebäuden.

© Axel Starck

Ortschronist Frank Grunert wies auf die lange Siedlungsgeschichte Satzkorns hin, erinnerte an die bedeutenden archäologischen Funde aus der Eisen- und Bronzezeit mit 7000 Jahre alter Bandkeramik und erwähnte die Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die womöglich bald die notwendige Sanierung erhalte. Das typische Angerdorf sei askanischen Ursprungs und in seiner Struktur mit den zur Landschaft offenen Gärten bis heute erhalten.

Fehler anderer Dörfer sollen nicht wiederholt werden

„Der Bahnhof Satzkorn ist übrigens als Bausatz für Modelleisenbahnen mit Originalschriftzug erhältlich“, sagte Grunert und brachte selbst Alteingesessene zum Staunen. Früher sei vom Bahnhof das Obst per Bahn direkt nach Berlin geliefert worden. Kuhnert regte eine Kulturlandschaftsforschung für Satzkorn an und mahnte: „Wir müssen die Besonderheiten und den Charakter Satzkorns bewahren und Fehler aus anderen Dörfern bei der Ortsentwicklung vermeiden!“

Tradition im Dorfkern: Früher wurden in Satzkorn Tulpen und Gladiolen gezüchtet.

© Susanna Krüger

Wilfried Bethke sprach von einer „komischen Platzierung“ von Gewerbe, Solaranlage und Vernässungsflächen um den Ortskern und warnte vor einer „Insellage“ Satzkorns. Die anberaumte Gewerbefläche sei 14-mal so groß wie die Wohnbebauung, die vorgesehene Vernässungsfläche übertreffe die Siedlungsfläche sogar um das 18-fache. „Der Zugang zum Naturraum würde stark eingeschränkt“, so Bethke. Angeregt wurden Stege, um das künftige Moor auf Gehwegen erlebbar zu machen.

Der Ortsbeirat fordert zudem die sofortige Umsetzung von Maßnahmen, die insbesondere der Sicherheit dienen würden. So müsse dringend der 1000 Meter lange Lückenschluss des Radwegs zum Bahnhof Marquardt erfolgen. Der Schwerlastverkehr müsse aus der Ortslage raus.

Dazu seien drei Varianten geprüft worden. Die einfachste sei die Verlagerung auf eine innerbetriebliche Zu- und Abfahrt am Asphaltmischwerk parallel zur Eichenallee, sagte Wilfried Bethge. Für die Photovoltaikanlage sollten Alternativflächen mit größerer Entfernung zum Ortskern geprüft werden. Der jetzt vorgesehen Standort sei laut Solaratlas ungeeignet, erklärte Detlev Mohr.

Mehrfach wiederholt wurde die Forderung nach Erhalt der Kulturlandschaft als Teil des Potsdamer Weltkulturerbes sowie des Dorfcharakters, der Tier- und Pflanzenvielfalt und der Erlebbarkeit des Naturraums für die Menschen.

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