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 Gerd Nefzer mit seinem Oscar.

© Manfred Thomas

Filmfabrik Babelsberg: Oscar für Potsdam: Ritterschlag für den Wettermacher

Der Babelsberger Spezialeffekteexperte Gerd Nefzer hat gemeinsam mit drei Kollegen einen Oscar für seine Arbeit am Science-Fiction-Film „Blade Runner 2049“ gewonnen.

Potsdam - Es war ein Dank an die Heimat – aus Hollywood: Als der Babelsberger Spezialeffektemacher Gerd Nefzer in der Nacht zum Montag auf der Bühne des Dolby Theatre in Los Angeles stand und die goldene Oscar-Statuette in den Händen halten konnte, war er sichtlich überglücklich. „Dankeschön Germany! Thank you – great!“, sagte er in seiner Dankesrede. Der 52-Jährige ist gemeinsam mit drei Kollegen für die Arbeit an dem Science-Fiction-Streifen „Blade Runner 2049“ mit dem Oscar für die besten Spezialeffekte ausgezeichnet worden. Er hatte bei den Dreharbeiten in Budapest mit Nebel, Schnee, Regen und Staub für die beklemmende Endzeitatmosphäre im Film gesorgt – nicht per Computertrick, sondern mit handgemachten Effekten. Dafür gab es nun den Ritterschlag der Filmbranche.

„Das fühlt sich großartig an, fantastisch!“, jubelte Nefzer hinter der Oscar-Bühne. „Es ist ein super Moment in meinem Leben, ich hätte nie gedacht, dass ich es als deutscher Special Effects Supervisor mal zu den Oscars schaffe. Es ist unglaublich, ich kann es immer noch nicht fassen“, sagte der gebürtige Schwabe. Für die Gala, das hatte Nefzer dem Fernsehsender rbb vorher verraten, hatte er sich den ersten Smoking seines Lebens gekauft. Der gelernte Landwirt war in den 1980er Jahren in die von seinem Schwiegervater 1968 gegründete Firma Nefzer Special Effects eingestiegen und hatte die Firma gemeinsam mit dessen Sohn Uli Nefzer ausgebaut. Nach dem Mauerfall gründeten die Nefzers eine Filiale in Babelsberg, haben ihr Büro auf dem Studiogelände.

Studio Babelsberg jubelt mit

Auch dort war der Jubel am Montag groß: „Wir freuen uns von ganzem Herzen“, sagte Studio-Babelsberg-Vorstand Christoph Fisser, der Nefzer als „Babelsberger Urgestein“ bezeichnete. „Er hat an unzähligen deutschen und internationalen Produktionen mitgewirkt und das Know-how aus Babelsberg in die Welt getragen“, so Fisser. Nefzer war unter anderem an den Studio-Produktionen „Die Tribute von Panem – Mockingjay“, „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ und „Grand Budapest Hotel“ beteiligt. Derzeit arbeitet er in Babelsberg an der Verfilmung des schwedischen Thrillers „The Girl in the Spider’s Web“.

Die Gratulationen aus Babelsberg waren auch mit einem Wunsch an die Politik verbunden. Man hoffe, dass die Produktionsanreize für große internationale Projekte langfristig gestärkt werden, „damit solche Talente dem Filmstandort Deutschland erhalten bleiben“, sagte Henning Molfenter vom Studio. Die Studio-Spitze mahnt seit langem eine verbesserte Filmförderung an, damit Babelsberg im internationalen Wettbewerb um Großprojekte noch mithalten kann. Zuletzt hatte das Studio im Februar wegen blockierter Fördermittel aufgrund der verzögerten Regierungsbildung Alarm geschlagen (PNN berichteten).

Spezialeffekte mit Weltniveau

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach am Montag von einem „wichtigen Ausrufezeichen für den Filmstandort Deutschland“: „Dass Gerd Nefzer den weltweit wichtigsten Filmpreis gerade in der Kategorie visuelle Effekte gewonnen hat, belegt das Weltniveau, mit dem in Deutschland produziert wird“, so Grütters. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gratulierten Nefzer. Die Auszeichnung belohne den hohen Standard der technischen Berufe am Filmstandort Potsdam-Babelsberg, sagte Woidke: „Dieser Oscar erhöht deren Renommee noch weiter.“ Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sprach von einem „verdienten Preis für den ,Wettermacher’ dieses spannenden Science Fiction-Films“. Der Oscar sei „gut für den Filmstandort Babelsberg und er ist auch gut für die Landeshauptstadt“.

Über einen weiteren Oscar konnte sich das Medienboard Berlin-Brandenburg, die gemeinsame Filmförderung beider Länder, freuen: Das vom Medienboard mitfinanzierte Drama „Eine fantastische Frau“ gewann den Auslands-Oscar. Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus gratulierte dem Filmteam und auch Nefzer: „Die Hauptstadtregion inspiriert zu internationalem Arthouse- und Blockbuster-Kino der Spitzenklasse!“

Mit Hochdruck und Nebelmaschine

Nefzer hat für „Blade Runner 2049“ unter anderem mit einem Hochdruckwassersystem und einer Nebelmaschine gearbeitet. Eine besondere Herausforderung war der Kunstschnee, dem er mit Blumenerde den entsprechend schmutzigen Look verpasste, wie er den PNN erzählte. Bis zu 50 Kollegen gehörten zum Spezialeffekte-Team, für Nefzer war es nach eigenem Bekunden das bislang anspruchsvollste Projekt in seiner 32-jährigen Karriere. Dass die Dreharbeiten in Budapest und nicht in Babelsberg stattfanden, bedauerte er: „Hier ist man heimischer, man versteht sich blind.“ Schon am heutigen Dienstag wird Nefzer wieder in Babelsberg erwartet: Beim Dreh für „The Girl in the Spider’s Web“. (mit dpa)

Oscargewinne für Babelsberg:

15 Oscargewinne und 46 Nominierungen in 16 Jahren: Die stolze OscarBilanz von Studio Babelsberg zeigt, dass das Studio auf internationalem Topniveau arbeitet. In diesem Jahr war allerdings keine Studio-Produktion oscarnominiert – zuletzt hatte Studio Babelsberg 2016 für Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ feiern können, der britische Schauspieler Mark Rylance gewann den Preis für die beste Nebenrolle. Der Film war in sechs Kategorien nominiert, unter anderem für Drehbuch, Filmmusik und Ton – sowie für das Szenenbild, das der Filmausstatter Bernhard Henrich mit Adam Stockhausen und Rena DeAngelo verantwortete.

Den bisherigen Oscar-Rekord für das Studio hält Wes Andersons Tragikomödie „Grand Budapest Hotel“: Der Film war 2015 in neun Kategorien für den wichtigsten Filmpreis nominiert und konnte vier Oscars abräumen – darunter den für das Studio besonders wichtigen Preis für das beste Szenenbild, das die Studiohandwerker gebaut hatten. Preise gab es ebenso für das Kostümdesign, Make-up und Filmmusik.

Die Bestsellerverfilmung „Die Bücherdiebin“ war 2014 für die Filmmusik von John Williams für den Oscar nominiert, ging aber leer aus.

Im Jahr 2013 konnte der Babelsberger X-Filme-Produzent Stefan Arndt den Auslands-Oscar für Michael Hanekes Film „Amour“ feiern. Arndts ebenfalls mit Haneke produzierter Film „Das weisse Band“ war 2010 zweifach nominiert gewesen. Im gleichen Jahr war die Studio- Babelsberg-Produktion „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino in acht Kategorien für den Oscar nominiert, darunter in den Königskategorien Bester Film und Beste Regie – am Ende gab es einen Preis für die Weltkriegsfarce: Christoph Waltz erhielt für seine Rolle als Nazi-Oberst den Oscar als bester Nebendarsteller. Für Waltz war das Babelsberg-Projekt der Start in eine internationale Filmkarriere, 2013 erhielt er seinen zweiten Oscar.

Fünf Oscarnominierungen gab es 2009 für die Literaturverfilmung „Der Vorleser“ von Stephen Daldry. Kate Winslet erhielt den begehrten Preis in der Kategorie Beste Nebendarstellerin für ihre Rolle einer ehemaligen KZ-Aufseherin.

Im Jahr 2008 gewann der in Babelsberg produzierte Film „Die Fälscher“ von Regisseur Stefan Ruzowitzky über das Nazi-Geldfälschungsprogramm den Auslands-Oscar.

Dreifache Oscar-Ehren erhielt 2003 das Holocaustdrama „Der Pianist“: Regisseur Roman Polanski, Hauptdarsteller Adrien Brody und Drehbuchautor Ronald Harwood wurden ausgezeichnet.

Die Filmstadt Babelsberg hat von Anfang an bei den Oscars mitgemischt: 1929, bei der ersten Oscarverleihung überhaupt, wurde Emil Jannings, der später in Babelsberg mit „Der blaue Engel“ Filmgeschichte schrieb, als bester Schauspieler ausgezeichnet. Während der Defa-Zeit von 1946 bis 1990 blieb Babelsberg indes preislos in Hollywood: Die einzige Oscarnominierung gab es 1977 für „Jakob der Lügner“

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