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Viele Bürger von Guben wählten Hübner.

© dpa

Vorbestrafter Bürgermeister Hübner nimmt Wahl an: Wo der Rechtsstaat in Guben bleibt

Bürgermeisterwahl in Guben: Wie Gesetzeslücken einen Korrupten begünstigen – und der sich als Volkstribun gibt.

Guben - Auf der andere Seite der Neiße, in der Zwillingsstadt Gubin, lästern sie schon im Rathaus. So etwas wie in Guben gerade passiert, wäre in Polen nie denkbar. Dass ein wegen Korruption Vorbestrafter sich überhaupt zur Bürgermeisterwahl stellen darf und dann auch gewinnt, das kenne man eigentlich nur aus Russland oder Weißrussland – aber doch eigentlich nicht aus Deutschland. Und das angesichts der anhaltenden Debatten um Verfassungsreform in Polen und den Erhalt der Rechtsstaatlichkeit.

Tatsächlich muss es schon verwundern, was dort in Guben geschieht. Klaus-Dieter Hübner (FDP) war 2015 in einem Korruptionsprozess zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Anfang 2016 wurde das Urteil wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Untreue und Beihilfe zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung rechtskräftig. Damit wurde Hübner als Wahlbeamter sofort aus dem Beamtenverhältnis entfernt. So will es das Beamtenrecht: Wer ein Hafturteil von mehr als einem Jahr kassiert, darf in der Bundesrepublik kein Beamter mehr sein, also keine hoheitlichen Aufgaben mehr erfüllen.

Das Landgericht Cottbus hatte es als erwiesen angesehen, dass Hübner in seiner früheren Amtszeit eine Gartenbaufirma mit städtischen Aufträgen begünstigte. Im Gegenzug pflegte der Betrieb kostenlos sein Grundstück und mähte den Rasen. Hübner trat nun erneut zur Wahl als Bürgermeister an und setzte sich in der Stichwahl mit 57,8 Prozent der Stimmen gegen die von einem breiten Parteienbündnis unterstützte Kerstin Nedoma (Linke) durch.

Nach der reinen Rechtsdogmatik wirkt dies bizarr

Bei näherem Hinschauen stellt sich die Frage: Hat hier der Rechtsstaat versagt? Tätsächlich gibt es mehrere Ungereimtheiten. Alles beginnt mit einer Lücke im Kommunalwahlrecht des Landes Brandenburg, das damit nicht allein ist. Lediglich Sachsen und Baden-Württemberg haben entsprechende Regelungen in ihren Gesetzen, die verhindert hätten, dass Hübner überhaupt zur Wahl antreten darf. Nach der sächsischen und baden-württembergischen Gemeindeordnung ist nicht wählbar, „wer aus dem Beamtenverhältnis entfernt“ oder „wem das Ruhegehalt aberkannt“ worden ist. Oder jemand ist für fünf Jahre nicht wählbar, wer zu „einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die bei einem Beamten den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hätte“.

Auf Hübner träfe das alles zu. Nur eben in Brandenburg nicht. Nur warum durfte Hübner überhaupt zur Wahl antreten, warum wurde er vom Gubener Wahlausschuss überhaupt zugelassen? Im Kommunalwahlgesetz heißt es, nicht wählbar zum hauptamtlichen Bürgermeister ist, wer von einem Gericht im Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehaltes rechtskräftig verurteilt worden ist. Nun ist er nicht in einem Disziplinarverfahren entfernt worden, sondern qua Urteil in einem Strafverfahren, nämlich durch die Höhe der Strafe. Der Wahlausschuss der Stadt ging deshalb davon aus, dass hier das Beamtenrecht und das Kommunalwahlrecht auseinanderfallen – also sich nicht entsprechen. Beamter durfte Hübner also nicht sein durch das Urteil, wählbar aber schon, weil er nicht in einem Disziplinarverfahren aus dem Amt entfernt wurde. Dem Wortlaut nach mag das stimmen, nach der reinen Rechtsdogmatik wirkt dies bizarr.

Zumal der Wahlausschuss bei Hübners Zulassung als Kandidat selbst davon ausging, dass sich der FDP-Politiker zwar zur Wahl stellen könne, aber als Sieger der Wahl das Amt gar nicht antreten könne. Den Mut, hier dem Sinne des Beamtenrechts zu folgen, hatte der Wahlausschuss nicht. Am Montag bestätigte er die Wahl sogar und will Wahleinsprüche gegen die Wahllbarkeit Hübners und damit zur Gültigkeit der Wahl erst später behandeln. Und dann gibt es auch Stimmen, die meinen, das Landgericht Cottbus hätte in seinem Urteil festlegen müssen, dass Hüber sich nicht erneut zur Wahl stellen darf.

Hausverbot am Montag

Geht so Rechtsstaat? Im Gubener Fall offenbar nicht. Stattdessen gibt es Tumulte von Hübner-Anhängern im Rathaus, die Demokratie scheint beschädigt. Hübner geriert sich als Volkstribun.

Am Montag erteilten die Stadtverordneten ihm Hausverbot und untersagten ihm die Ausübung der Geschäfte. Das gilt drei Monate lang. Bis dahin soll das Landratsamt das führere Disziplinarverfahren wieder einleiten, es um neue Vorwürfe erweitern, und Hübner suspendieren, das Ziel: Amtsenthebung. Denn wie das Urteil schon zeigte: Hübner darf nicht mehr Beamter sein.

Hüber aber will die Wahl annehmen und rechtlich gegen die Suspendierung durch die Stadt vorgehen. Dem RBB sagte er: „Die Gubener können sehr wohl einschätzen, wer die Stadt zukunftsfähig machen kann und wer das verhindern will. Sie haben auch ein feines Gespür dafür, welche Damen und Herren damals die Anzeigen gemacht haben.“ Jene Anzeigen, die zu seiner Verurteilung führten.

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