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Viele Bürger von Guben wählten Hübner.

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Vorbestrafter Guben-Bürgermeister suspendiert: Warum Hübner zur Wahl zugelassen wurde

Klaus-Dieter Hübner trat sein Amt als Bürgermeister von Guben an. Nach nur wenigen Minuten bekam er Hausverbot. In den nächsten Tagen steht eine weitere Entscheidung an.

Guben - Er kam am Montag nur kurz ins Rathaus der südbrandenburgischen Kleinstadt in der Niederlausitz an der Grenze zu Polen. Klaus-Dieter Hübner (FDP) gab beim Bürgerservice ein Schreiben ab. Darin erklärte er, dass er die Wahl zum Bürgermeister annimmt. Doch sein Amt antreten kann der 64-Jährige vorerst nicht: In seinem Büro fand er auf dem Schreibtisch einen Brief, mit dem ihm die Stadtverordneten als Dienstherr für drei Monate Hausverbot erteilen und die Ausübung der Amtsgeschäfte untersagen.

In den nächsten Tagen wird eine weitere Entscheidung von Spree-Neiße-Landrat Harald Altekrüger (CDU) erwartet: Nämlich die Suspendierung und ein Disziplinarverfahren – mit dem Ziel, Hübner aus dem Amt zu entfernen. Dabei war Hübner doch gerade erst gewählt worden. In die Stichwahl vor zwei Wochen hatte er sich mit 57,8 Prozent der Stimmen gegen die von einem breiten Parteienbündnis unterstützte Kerstin Nedoma (Linke) durchgesetzt. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 54 Prozent für die Verhältnisse in Brandenburger Kommunen recht gut.

Doch die Gubener haben einen gewählt, der gerichtsfest als korrupt bezeichnet werden darf. Hübner war 2015 in einem Korruptionsprozess zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Bewährungszeit läuft nich bis Anfang 2019. Anfang 2016 bestätigte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch, das Urteil wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Untreue und Beihilfe zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist rechtskräftig. Damit wurde Hübner als Wahlbeamter sofort aus dem Beamtenverhältnis entfernt. So will es das Beamtenrecht: Wer ein Hafturteil von mehr als einem Jahr kassiert, darf in der Bundesrepublik kein Beamter mehr sein, also keine hoheitlichen Aufgaben mehr erfüllen. Und er verlor alle Versorgungsbezüge und Pensionsansprüche.

Schaden von 10.000 Euro

Das Landgericht Cottbus hatte es als erwiesen angesehen, dass Hübner in seiner früheren Amtszeit eine Gartenbaufirma mit städtischen Aufträgen begünstigte. Im Gegenzug pflegte der Betrieb kostenlos sein Grundstück und mähte den Rasen. Das Landgericht Cottbus war in seinem Urteil von einem Schaden in Höhe von 10 000 Euro aus. Hinzu kam, dass Hübner private Anwaltskosten in einem Disziplinarverfahren gegen ihn in Höhe von 7000 Euro aus der Stadtkassen bezahlen ließ. Nur warum wurde der 64-Jährige überhaupt noch einmal zur Wahl zugelassen?

Die Antwort aus dem Gubener Rathaus lautet: Die Landespolitik hat Hübners Wahl durch Gesetzesänderungen und Lücken im Kommunalwahlrecht begünstigt. Im Dezember 2015 beschloss der Landtag die sogenannte Methusalem-Regelung. Durch die Änderung des Kommunalwahl- und des Landesbeamtengesetzes können Landräte oder Bürgermeister ihr Amt seither über das 70. Lebensjahr hinaus ausüben. Zuvor galt für die Kandidatur für ein Bürgermeisteramt ein Höchstalter von 62 Jahren für die dann folgende achtjährige Amtszeit. Hübner wird nun im August 65 Jahre alt. Nach der alten Regelung hätte er nie zur Wahl antreten dürfen. Hinzu kommt eine Regelungslücke im Kommunalwahlrecht des Landes Brandenburg für verurteilte Beamte. Lediglich Sachsen und Baden-Württemberg haben entsprechende Regelungen, die verhindert hätten, dass Hübner überhaupt zur Wahl antreten darf – weil er aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden war. Im Brandenburger Kommunalwahlgesetz ist ein solcher Fall nicht klar geregelt. Darin heißt es, nicht wählbar zum hauptamtlichen Bürgermeister ist, wer von einem Gericht im Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehaltes rechtskräftig verurteilt worden ist. Nun ist Hübner als Wahlbeamter nicht in einem Disziplinarverfahren entfernt worden, sondern qua Urteil in einem Strafverfahren, nämlich durch die Höhe der Strafe.

Der Wahlausschuss der Stadt ging deshalb davon aus, dass in diesm Fall das Beamten- und das Kommunalwahlrecht auseinanderfallen – sich also nicht entsprechen. Erneut Beamter werden darf Hübner nach dem Urteil nicht mehr, wählbar ist er aber schon, weil er nicht in einem Disziplinarverfahren aus dem Amt entfernt wurde, sondern nur per Urteil. Zwar hätten die Richter des Landgerichts Cottbus in ihrem Urteil auch festlegen können, dass Hübner nicht mehr Wahlbeamter werden darf, eine Kandidatur also ausgeschlossen ist. Doch damals galt besagte Methusalem-Regelung noch nicht. Der Gubener Wahlausschuss ließ Hübner schließlich zur Wahl zu, ging nach PNN-Recherchen aber selbst davon aus, dass sich der FDP-Politiker zwar zur Wahl stellen könne, aber als Sieger das Amt gar nicht antreten dürfe. Das sieht auch Landrat Altekrüger so. Hübner hatte deshalb vor der Wahl vor dem Verwaltungsgericht Cottbus eine Einstweilige Verfügung gegen Altekrüger erwirkt.

Hübner kommt gut an

Der Landrat durfte fortan nicht mehr sagen, dass er Hübner bei erfolgreicher Wahl nach Amtsantritt vorläufig suspendieren würde. Mit dem Disziplinarverfahren will der Landrat neben dem faktischen Ausschluss vom Beamtenverhältnis durch die Verurteilung weitere Verfehlungen aus Hübners Amtszeit anführen. Etwa die alten Rechnungen für Hübners Anwälte. Oder die Kosten für eine Garage der Stadt, in der Hübner seinen Privatwagen unterstellte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Hübner bei vielen Gubenern ankommt. Als die Stadtverordneten vor einer Woche per Eilbeschluss dem FDP-Politiker Hausverbot erteilten, demonstrierten sie vor dem Rathaus, auf ihren Schildern forderten sie den Rücktritt der Stadtverordneten wegen Machtmissbrauchs. Wie soll man ihnen auch erklären, dass Hübner auf dem Wahlzettel stand, nun aber nicht Bürgermeister werden darf. Tatsächlich hat Hübner – so sehen es viele – Guben wieder nach vorn gebracht.

Er pflegte den Nimbus des Machers, einer, der endlich mal durchgreift. Leerstehende Plattenbauten wurden abgerissen, Parks angelegt, ein neues Rathaus gebaut, auch die Musikschule und die Bibliothek. 2006 eröffnete Gunther von Hagens sein Leichen-Plastinarium. Hübner hat auch Spuren in der Stadtkasse hinterlassen: Alser 2001 erstmals Bürgermeister wurde, hatte die Stadt mit 17 000 Einwohner etwa zwei Millionen Euro Schulden. 2009 wurde er erneut gewählt, als er 2011 suspendiert wurde, waren es fast 30 Millionen Euro Schulden.

Inzwichen sind es noch 20 Millionen Euro. In Erinnerung ist vielen auch, wie Hübner 2011 wegen zunehmender Diebstähle und Einbrüche gefordert hatte, wieder Grenzkontrollen an der Neiße einzuführen. Heute, fünf Jahre später, lästern sie auf der polnischen Seite des Grenzflusses im Rathaus der Zwillingsstadt Gubin über Hübner. So etwas wie in Guben passiert, wäre in Polen nie denkbar, sagte Bürgermeister Bartlomiej Bartczak kürzlich und erinnerte an die Debatten um Verfassungsreform in Polen und die Mahnungen aus Deutschland und der EU zum Erhalt der Rechtsstaatlichkeit. Dass ein wegen Korruption Vorbestrafter sich überhaupt zur Bürgermeisterwahl stellen darf und dann gewinnt, das kenne man nur aus Russland oder Weißrussland – aber doch nicht aus Deutschland.

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