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Arbeitsgericht hebt Kündigung von Rechtsmedizin-Vize auf: Stasi-Lüge in Brandenburg jetzt rechtens?

Der Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg wurde fristlos entlassen, weil er seine Stasi-Tätigkeit verschwieg. Das Potsdamer Arbeitsgericht hob den Rausschmiss auf. Das Land muss ihn aber nicht beschäftigen.

Potsdam - Die fristlose Kündigung des bisherigen Vizechefs der brandenburgischen Rechtsmedizin wegen verschwiegener Stasi-Mitarbeit ist aufgehoben. Das hat das Arbeitsgericht Potsdam am Dienstag nach einer Klage des 58-jährigen Jürgen B. gegen das Sozialministerium entschieden. Es berief sich auf Formfehler bei der Beteiligung des Personalrats im Oktober 2016. Auch die fristgerechte Kündigung zur Jahresmitte 2017 hob das Gericht auf. In diesem Einzelfall wiege die Lüge über die Stasi-Spitzelei und die Verstrickung als „Inoffizieller Mitarbeiter“ weniger schwer als seine Verdienste nach der Wende im Landesinstitut für Rechtsmedizin. Im Klartext: Aus Sicht des Gerichts war die Stasi-Verstrickung von Jürgen B. nicht so dramatisch, deshalb habe das Land ihm die zweifache Täuschung – 1991 und 2016 – und das Verschweigen der Spitzeldienste nachsehen können.

Kündigung unwirksam - aber das Land muss ihn nicht beschäftigen

Allerdings würdigte das Gericht die frühere Stasi-Tätigkeit indirekt, indem es den Antrag des Rechtsmediziners auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Verfahrens zurückwies. Das Interesse des Landes, den Mann wegen der Außenwirkung an exponierter Stelle in dem Landesinstitut nicht weiter zu beschäftigen, überwiege. Das Gericht überlässt dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angesichts der zu erwartenden Berufung des Sozialministeriums die weitere Klärung des Falls. Damit ist B. bis zum Abschluss des Verfahrens weiter Landesbediensteter – aber ohne Job und ohne Lohn.

Bekannt geworden war der Fall durch PNN-Recherchen, nachdem B. sich auf den Posten des Direktors des Landesinstituts beworben und durchgesetzt hatte. Zum 1. November 2016 sollte er den Job übernehmen. Für derlei Posten auf Ebene von Behördenleitern ist 2012 in Brandenburg nach einer Welle von Stasi- Enthüllungen in Politik und Behörden eine Überprüfung eingeführt worden. Zudem hätte das Kabinett von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) der Personalie von Jürgen B. zustimmen müssen.

Er verschwieg zwei Mal seine Stasi-Mitarbeit und spielt die Spitzelei herunter

Er hatte wie 1991 auf einem Personalfragebogen bei einem Personalgespräch im Oktober 2016 erneut seine Tätigkeit als „Inoffizieller Mitarbeiter“ (IM) der Staatssicherheit, Deckname „Paul“, verschwiegen. Er war sogar ausdrücklich nach einer Verpflichtungserklärung gefragt worden, verneinte dies aber. Erst als die Verantwortlichen des von Diana Golze (Linke) geführten Sozialministeriums ihm seine bei der Stasi-Unterlagenbehörde gefundene, 40 Seiten dicke Akte vorlegten, räumte er Spitzeldienste ein. Das Sozialministerium sah deshalb das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört und entließ ihn fristlos, weil er für den öffentlichen Dienst nicht mehr geeignet sei.

B. hat nicht damit gerechnet, dass seine Verpflichtungserklärung noch existiert, und Leugnen für die beste Option gehalten. Vor Gericht spielte er seine Spitzelei herunter. Er habe sich mit seinem Führungsoffizier unterhalten und von 1988 bis 1989 aus dem Zentralen NVA-Militärkrankenhaus in Bad Saarow nur Informationen gegeben, die bekannt gewesen seien. Als NVA-Offizier sei er zur Zusammenarbeit verpflichtet gewesen. Geschadet hätte er niemandem. B. berichtete über Sex-Affären unter Kollegen, über den Geiz des Vorgesetzten und das ungepflegte Äußere von dessen Gattin. Die Stasi wollte bei ihm Kompromittierendes abschöpfen, bedankte sich mit einem Präsent.

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