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Selbst Gregor Gysi wurde angefragt, neuer Justizminister Brandenburgs zu werden. "Mit 68 tue ich mir das nicht mehr an", sagte er.

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Suche nach Justizminister in Brandenburg: Linke verzweifelt: Sogar Gysi wurde gefragt

Wer wird neuer Justizminister Brandenburgs nach dem Rücktritt von Helmuth Markov? Die Linke sucht dringend einen Nachfolger - und hat selbst bei dem 68-jährigen Gregor Gysi angefragt.

Potsdam - Die Brandenburger Linken suchen fieberhaft nach einem Nachfolger für den am Freitag zurückgetretenen Justizminister Helmuth Markov. Offenbar ist die Lage der Linken so verzweifelt, die Personaldecke so eng, dass Landeschef Christian Görke nach mehreren Absagen sogar bei der langjährigen Gallionsfigur der Linken, Gregor Gysi, anfragte. Der 68-Jährige ist inzwischen einfacher Bundestagsabgeordneter, er war zuletzt Oppositionsführer und Linke-Fraktionschef im Bundestag - und zog sich 2015 von den Führungsposten zurück. Wie die Bild-Zeitung berichtet, soll Brandenburgs Finanzminister und Vizeregierungschef Görke seinem Genossen Gysi sogar angeboten haben, stellvertretender Ministerpräsident zu werden.

Doch Gysi habe am Montag abgesagt, wie die Bild berichtet. Gysi habe dies auf Anfrage aber offiziell weder bestätigen noch dementieren wollen. Dem Blatt sagte er: „Darüber haben wir Stillschweigen vereinbart. Aber ich bin in einem anderen Lebensabschnitt. Mit 68 tue ich mir das nicht mehr an.“

Es sei Stillschweigen vereinbart worden

Auch der Fraktionschef der Linken im Landtag Brandenburg, Ralf Christoffers, wollte die Anfrage bei Gysi gegenüber den PNN weder bestätigen noch dementieren. Es sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte auch er.

Nach der Absage der Potsdamer Landesverfassungsrichterin Kerstin Nitsche, die seit Freitag als Favoritin für das Ministeramt gehandelt wurde, aber aus persönlichen Gründen ablehnte, droht die Personalie nun zur Hängepartie zu werden. Auch Justizstaatssekretär Ronald Pienkny sagte am Montag im Vorstand der Linke-Landtagsfraktion endgültig ab, er stehe nicht für das Ministeramt zur Verfügung. Sigrid Partikel, auf Linke-Ticket am Landesverfassungsgericht, im Hauptberuf Vorsitzende Richterin am Landgericht Berlin, deren Name ebenfalls am Wochenende als mögliche Markov-Nachfolgerin kursierte, wurde von der Linken gar nicht erst angefragt. Es bestand die Sorge, dass dann die AfD das Vorschlagsrecht bekäme, um den frei werden Posten im Landesverfassungsgericht zu besetzen.

Ein Jurist als Justizminister

In der Parteiführung ist der Druck groß, diesmal eine Frau auf das Ministeramt zu setzen – zumindest aber soll es doch ein Jurist sein, nachdem zwischen Markov als Minister und der Justiz Eiszeit herrschte. Die Stimmung war zuletzt auf einem Tiefpunkt, den die SPD Markov persönlich angelastet hatte. 

Bliebe noch der Landtagsabgeordnete Stefan Ludwig, der seit der Wende eine Karriere als Parlamentarier machte, bis 2009 Bürgermeister von Königs Wusterhausen und zwei Jahre bis 2014 Landesparteichef war. Doch er gilt nur als Notlösung, er hat ein Diplom als Wirtschaftsjurist aus DDR-Zeiten. Zwar hat er schon eine genaue politische Agenda für das Justizministerium – mehr Personal, Stärkung der Bürgerrechte. Aber das wollte in der Parteiführung noch niemand von ihm hören. Er wurde auch noch nicht gefragt, ob er Minister werden will. Schon nach der Landtagswahl 2014 hatte er Interesse an dem Ministerposten angemeldet – vergeblich. Zudem wird er im Landtag als Fachmann für die vom Koalitionspartner SPD in dieser Legislatur vorangetriebene Kreisgebietsreform gebraucht.

Eigentlich wollte die Linke schon am Montag über einen Nachfolger entscheiden

Die Hängepartie um den Ministerposten dauert nun schon seit Markovs Abgang am Freitag. Ursprünglich wollte der Linke-Landesvorstand am Montagabend entscheiden, wen sie künftig nun ins Justizministerium schickt. Doch dann kam die Absage. Bereits am Wochenende hatte Vize-Landesparteichef Sebastian Walter erklärt, man setze auf Gründlichkeit und nicht auf Schnelligkeit. Der Landesvorstand wolle sich keinesfalls unter Zeitdruck setzen lassen. Die Entscheidung über den Nachfolger als Justizminister in der rot-roten Regierung mit der SPD wurde dann auf Dienstagabend verschoben.  

Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers, der neben Görke in die Ministersuche und Gespräche eingebunden ist, sagte den PNN am Dienstagmittag, für Personalentscheidungen müsse der Partei auch die nötige Zeit eingeräumt werden. „Ich bin immer dafür, die Gespräche so gründlich wie möglich zu führen“, sagte Christoffers. Am Dienstagabend werde es definitiv eine Personalentscheidung geben, dies werde nicht erneut verschoben. „Da gibt es keinen Plan B“, sagte er. Christoffers selbst, wie zwischenzeitlich spekuliert wurde, will aber nicht Justizminister werden. „Ich kann vieles, aber mit Sicherheit nicht Justiz“, sagte er.

Die jetzige Situation – ohne lückenlosen Übergang, ohne Vorbereitung, ohne Plan B – wird Landesparteichef Christian Görke, zugleich Finanzminister und Vize-Regierungschef, angelastet, der nach der Schlappe mit miesem Ergebnis beim jüngsten Landesparteitag ohnehin angeschlagen ist. Während Markov, eine der Stützen von Rot-Rot, es in der Dienstwagenaffäre strikt abgelehnt hatte, einen Fehler einzugestehen, sich verrannte und einer immer größere Belastung für die Koalition wurde, blieb Görke im Türkei-Urlaub. 

Linke bleibt weiter in den Schlagzeilen

Markov ließ sein Ministerium eine Verteidigungslinie bauen, die unhaltbar war – dass nämlich Markovs Privattour mit einem Transporter aus dem Landesfuhrpark im Juni 2010, um seinen Motorrad-Oldtimer zur Werkstatt zu kutschieren, rechtens war. 

Erst als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dem Koalitionspartner ein Ultimatum setzte, Markov bis zum Montag zurückzuziehen, kam Görke am vorigen Freitag zurück aus dem Urlaub. Dann ging alles ganz schnell – aber unvorbereitet. Statt einen Nachfolger in der Hinterhand zu haben, bleibt die Linke auch nach dem Rücktritt in den Schlagzeilen. Nun wird für Dienstagabend mit einer Überraschung gerechnet, möglicherweise einem Bundestagsabgeordneten der Linken – oder doch der Notlösung Stefan Ludwig.

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Es war nicht die Rechnung über 435,30 Euro, die Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov zum Rücktritt zwang, sondern sein Umgang damit. Ein Kommentar >>

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