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Die Potsdamer Malerin Barbara Raetsch, fotografiert von Michael Lüder, in der Ausstellung im Kulturministerium.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

60 Jahre, 100 Meter: Barbara Raetschs Lebenswerk

Die Potsdamer Malerin ist eine der prägendsten Künstlerinnen der Stadt. Eine Ausstellung im Kulturministerium würdigt ihr jahrzehntelanges Schaffen.

Nun hat das Land die Stadt überholt. Die Künstlerin Barbara Raetsch, geboren 1936 und seit 1958 in Potsdam, zählt zu den prägendsten, eigenwilligsten Künstlerinnen der Stadt. Wie keine Zweite beobachtet sie seit Jahrzehnten das wandelnde Gesicht Potsdams: die bröckelnden Fassaden von einst, die Bauzäune und Kräne der jüngeren Zeit. Das Potsdam Museum besitzt einhundert ihrer Werke. Eine Ausstellung, die ihr ganzes Lebenswerk umreißt, hat sich Barbara Raetsch seit Langem gewünscht. Nun hat sie sie bekommen. Nicht im Potsdam Museum jedoch, sondern: auf der Belle Etage des Kulturministeriums.

Als der Offene Kunstverein Barbara Raetsch 2020 eine umfangreiche Ausstellung schenkte, zögerte Raetsch damit, dafür den Begriff Retrospektive zu nennen. Damals fehlten ihr Bilder aus den Tagebauen in der Lausitz. In dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung sind nun auch die dabei.

Dabei ist dies ein ungewöhnlicher Ort für Kunst. Statt Parkett Linoleum, lila Bürotüren. Die Künstlerin selbst sitzt überlebensgroß am Ende des etwa einhundert Meter langen Flurs. Sie schwebt eindeutig über den Dingen der Bürokratie. Michael Lüder hat sie fotografiert, an den Füßen rote Clogs. Man kann ihrem Blick nicht entkommen. Das passt: Auch sonst entgeht Raetschs genauem, nie beschönigendem, nie naturalistischem Blick wenig.

Explosionen von Weiß

Das gilt für den Ringofen einer Ziegelei aus dem Jahr 1960 ebenso wie für das jüngste Selbstporträt der Malerin aus dem Jahr 2023, das einen beim Betreten als Erstes begrüßt. Ein blasses, körperloses Gesicht. Schwarze Lippen, schwarze Augen. Es sind die Farben des jüngsten Zyklus von Barbara Raetsch. „Feuerwerk“ heißt er. Explosionen von Weiß auf dunklem Grund, nahe an der Abstraktion.

So ungewöhnlich der Ministeriumsflur für eine Ausstellung ist: Er verleiht einem das Gefühl, tatsächlich einen Lebensfaden abzuschreiten. Es ist eine Reise durch ein Werk, das sich immer wieder neu erfand. So läuft man von den deutlich vom Realismus geprägten Anfängen als autodidaktische Malerin um 1960 vorbei an den Beobachtungen im Tagebau 1980 bis 1982 und in erdigen Farbtönen gehaltenen Fahrten durch die Mark nach 1989 bis hin zu einem nahezu überirdischen Goldgelbflächen der Landschaften aus den 2000er Jahren. Auch Karl Raetsch, dem 2004 verstorbenen Maler und Ehemann, begegnet man wieder.

In jüngerer Zeit wurde es düsterer im Werk von Barbara Raetsch. Um 2018, als die Alte Fachhochschule verschwand, malte sie signalrote Bauzäune vor schwarzem Grund. Parallel dazu Kräne, die aussahen wie Grabkreuze. Jüngst kam dann wieder Licht dazu. Allerdings alles andere als altersmilde: in kaltem, fast unbarmherzigem Weiß.

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