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Der Förderverein des Potsdam Museums hat dem Potsdam Museum zwei Gemälde von Karl und Barbara Raetsch geschenkt.

© Andreas Klaer

Ein Bild, das Sonne sagt: Das Potsdam Museum besitzt jetzt 100 Werke von Barbara Raetsch

Während das Stadtmuseum der neuen Leitung harrt, sammeln die Unterstützer der Potsdamer Künstlerin Argumente für die längst überfällige Personalausstellung.

Vor dem Abrissgrau kam der Altweibersommer. Bevor die Potsdamer Künstlerin Barbara Raetsch in den 1980er-Jahren im maroden Holländischen Viertel zu einem ihrer Lebensthemen fand, fuhr sie eine Zeitlang mit dem Auto über Land. Um die Einsamkeit zu suchen. Sie fuhr einfach drauf los. Es war Spätsommer, das Land ockergelb. Sie entdeckte entlegene Dörfer, deren Fassaden ebenso bröckelten wie die im heimischen Potsdam.

„Fläming, 1988“ heißt ein Gemälde, das damals entstand. Es ist einer der jüngsten Neuzugänge im Sammlungsbestand des Potsdam Museums. Der Förderverein hat es, wie auch die Sommerlandschaft „Schwielowsee II“ von Karl Raetsch, mithilfe einer privaten Spende erworben. „Fläming“ zeigt, was Barbara Raetsch damals sah: ein ockergelbes Feld, darüber ein ähnlich gelber Himmel. Dazwischen eine schmale holprige Linie: einige Häuser. Ein Bild, das „Sonne“ sagt, ohne sie zu zeigen.

Chronistin der Brüche

Wer die jüngeren Arbeiten von Barbara Raetsch kennt, mag von dieser lichten Facette im Werk der Künstlerin überrascht sein. Die 1936 in Pirna Geborene lebt seit 1958 in Potsdam, sie ist bekannt als Protagonistin der Brüche und Umbrüche in der Stadt. Sie war im Holländischen Viertel der 1980er unterwegs, hat aber auch den Wandel und die Dynamik der jüngeren Zeit thematisiert wie keine andere.

Barbara Raetsch hat die Großbaustellen der Stadt künstlerisch dokumentiert (in dem Zyklus „Zeit der Kräne“) und den Abriss der Alten Fachhochschule. Und sie ist, obwohl weit über 80 und nicht mehr gut zu Fuß, beständig weiter auf der Suche. Barbara Raetsch arbeitet jeden Tag. Aktuell treibt sie das Neben- und Ineinander von Licht und Schatten um: weiße Farbspitzer, die auf schwarzem Grund zu explodieren scheinen.

Zur Kunst kam sie über ihren Mann, den Maler Karl Raetsch (1930-2004). Seit den 1970er-Jahren prägt sie das künstlerische Geschehen der Stadt. 1977 wurde sie Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR, 1978 hatte sie ihre erste eigene Ausstellung. Es folgten viele andere. Im Kulturhaus „Hans Marchwitza“, wie das Alte Rathaus bis 1990 hieß. Im Atelier Raetsch auf Hermannswerder natürlich. Im Offenen Kunstverein. Im Museumshaus Im Güldenen Arm. Im Landtag. Aber im Potsdam Museum? Hier waren ihre Werke vereinzelt zwar zu sehen. Eine Personalausstellung jedoch gab es noch nie.

Warten auf die neue Leitung

Das ist umso erstaunlicher, als sich im Museumsbestand allein 99 Werke der Künstlerin befanden - mit dem sommerlichen „Fläming“ sind es nun einhundert. Von Karl Raetsch gibt es inklusive drei jüngst erworbener Werke nun 120. Der Leiter des Fördervereins Markus Wicke und Hannes Wittenberg, der das Museum nach dem Weggang von Direktorin Jutta Götzmann kommissarisch leitet, machen kein Geheimnis daraus: Eine Personalausstellung sähen auch sie gern.

Nur liegt die Entscheidung dazu nicht in ihren Händen. „Die Ausstellungsplanung bis 2025 ist fix“, sagt Wittenberg (siehe Kasten). Und danach? Das ist Sache einer Leitung, die erst noch gefunden werden muss. Bislang ist nicht einmal die Stellenausschreibung für Götzmanns Nachfolge publiziert worden - obschon der Entwurf dazu bereits Mitte Dezember vorgestellt worden war. Zu den Gründen für den Verzug konnte die Stadt bis Redaktionsschluss nichts sagen.

Ob Barbara Raetsch also auf eine Schau zum 90. Geburtstag im Oktober 2026 hoffen darf, ist offen. Sie selbst wünscht sich eine solche Ausstellung seit Langem. Als Jutta Götzmann ihren Posten angetreten habe, habe sie eine entsprechende Anfrage mal formuliert, sagt Barbara Raetsch, allerdings kann sie sich nicht erinnern, je eine Antwort bekommen zu haben. „Ich denke, dass es nie dazu kam, liegt daran, dass die frühere Leiterin Jutta Götzmann keinerlei Beziehung zu Potsdam und den Potsdamer Künstlern hatte“, sagt Raetsch. Bei denen, die jetzt die Stellung halten, ist das anders.

153 Arbeiten erfasst

Wie groß die Unterstützung trotz vakanter Leitung für Barbara Raetsch ist, zeigte die Pressekonferenz im Potsdam Museum. Neben Andreas John, der den Ankauf zweier neuer Bilder mit einer vierstelligen Summe unterstützt hatte, war auch Thomas Kumlehn vom Verein Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg e.V. da. Er machte deutlich, dass der Weg für einen größeren eigenen Auftritt von Barbara Raetsch inhaltlich schon jetzt bestens vorbereitet wäre: Finanziell unterstützt vom Förderverein des Potsdam Museums hat die Kunsthistorikerin Valerie Flämig 153 Arbeiten von Barbara Raetsch systematisch erfasst und kontextualisiert.

Barbara Raetsch selbst hatte man zu diesem Schritt erst überreden müssen, sagt sie. „Es war für mich eigentlich nicht so wichtig. Aber als ich die Präsentation des Vorlasses sah, dachte ich: Ist doch gut, dass sie das gemacht haben.“ Die Öffentlichkeit wird diesen Datenschatz erst posthum zu sehen bekommen. Das Museum jedoch hätte jederzeit Zugriff.

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