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Das Unruh-Kollektiv beim Proben einer Szene im Theater im Palais.

© Alicia Rust

„Himmel aus Asphalt“: Junge Filmschaffende aus Potsdam drehen Serie

In der achtteiligen Mini-Serie wird die ungewisse Phase nach dem Schulabschluss thematisiert. Umgesetzt wird das Projekt von Mitgliedern des Unruh-Kollektivs.

Von Alicia Rust

Acht Folgen von je 20 Minuten thematisieren die Welt von fünf jungen Erwachsenen zwischen 17 und 21 Jahren aus Potsdam, deren Leben nach dem Schulabschluss eine neue Wendung nimmt. Eine Phase, der die Mitglieder des Unruh-Kollektivs, verantwortlich für das Film-Projekt, noch nicht lange entwachsen sind. 

Weil alles so wegbröckelt, hält man sich aneinander fest.

Liselotte Krieger, Jung-Regisseurin

Zeitweise in Potsdam aufgewachsen, kann Regisseurin und Autorin Liselotte Krieger aus erster Hand von dieser Lebensphase erzählen, in einer Serie, die auf wahren Ereignissen beruht. „Es geht um die Zeit nach der Schule und um das Loch, in das man dann fällt“, sagt Krieger. Zehn Jahre lang habe man einen Freundeskreis, dann zerfalle alles. „Eine Phase, in der man sich sehr einsam fühlt“, sagt die Jungregisseurin. Wenn es nach dem Kollektiv geht, ein Thema, das auch andere interessiert. Gerade jetzt.

Freundschaft als Anker

Krieg in der Ukraine, Krieg zwischen Israel und Palästina, die Klimakrise, alles ein bisschen viel, nicht? Lotte Krieger nickt. „Und weil alles so wegbröckelt, hält man sich aneinander fest.“ Die Freundschaft als Anker, darum geht es in „Himmel aus Asphalt“, darum geht es auch in der Zusammenarbeit des Unruh-Kollektivs. 

Es hat Mut gebraucht, um umzusetzen, wovon andere nur träumen. Zum Beispiel, die Gründung einer eigenen Filmproduktionsfirma. Im Falle der jungen Filmemacher Liselotte Krieger, die das Projekt gemeinsam mit Lorenz Reimann aus der Taufe hob, stand keine Träumerei dahinter. „Es war eine bewusste Entscheidung in Richtung Unabhängigkeit“, sagt Reimann.

„Ich war 19, als ich mein Abitur am Filmgymnasium gemacht habe“, sagt die heute 21-jährige Krieger. Damals zu jung, für die Bewerbung an einer Filmhochschule. Wie viele andere Mitstreiter des Kollektivs, begann sie in einer Produktionsfirma zu jobben. Bei ihrem ersten größeren Filmprojekt, das sie nach Abschluss der Schule realisierte, traf sie auf ihren ehemaligen Mitschüler Lorenz.

Das Team hofft, künftig eine Förderung zu erhalten.
Das Team hofft, künftig eine Förderung zu erhalten.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Krieger arbeitete zunächst in der Produktion und in der Schauspielerei. Zunächst in kleineren Rollen, inzwischen auch in ARD und ZDF-Produktionen. Lorenz Reimann arbeitete zunächst in Produktionsfirmen als Kameraassistent. Beide machten ähnliche Erfahrungen: sehr lange Arbeitszeiten bei geringer Bezahlung. 16-Stunden-Tage waren üblich. Schlimmer empfanden beide die starken Hierarchien. Konkurrenzverhalten unter Kollegen, ein vorherrschender Chauvinismus. 

Anfang des Jahres 2023 hatten beide genug erlebt, um es anders machen zu wollen,das war die Geburtsstunde des Unruh-Kollektivs. Im Zentrum des Teams aus freien Filmschaffenden stehen seither, neben Lotte Krieger und Lorenz Reimann, der bei Unruh Kameramann und Producer ist, Produktionsassistent Mika Schmitt, Producer Leander Dietl, sowie Medienmanagerin Zoi Aimilianos, die neben Lorenz und Leander für die Produktion verantwortlich ist.

Unabhängigkeit und Fairness

Bislang arbeiten alle pro Bono, ein Budget ist noch nicht vorhanden. Private Ersparnisse sind auch bald aufgebraucht. Die Zuversicht, für ihre Projekte künftig eine Förderung zu erhalten, ist dennoch groß. „Unser Ziel ist es, qualitativ hochwertige Filme zu machen, guten Stoff zu entwickeln und unabhängig von den etablierten Filmproduktionen an Budgets zu kommen“, sagt Lotte.

Vor allem, das betont hier jeder, den man während der Proben zu sprechen bekommt, gehe es bei Unruh darum, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten. Um später, wenn das Projekt an Flughöhe gewinnt, angemessene Löhne zu zahlen. Vom Schnitt bis Drehbuch und Regie machen die Filmschaffenden alles selbst. Nebenbei bauen sie ihr eigenes Netzwerk auf, ohne Teil des Establishments zu sein.

Anders, als Lorenz Reimann und Lotte Krieger, die zu hundert Prozent am neuen Serien-Piloten arbeiten, ist Zoi Aimilianos immer dabei, sobald es ihre Zeit erlaubt. „Ich schätze diese Art der Zusammenarbeit, bei Unruh ist alles professionell und ermutigend, ohne nur an den Kunden zu denken“, sagt die 24-jährige. Denn noch gibt es keinen Abnehmer für das Projekt. Gegenwärtig fehlen den jungen Filmemachern rund 15.000 Euro, um den Piloten fertig zu stellen. Die Räume des Theaters im Palais können sie unterdessen kostenlos für die Proben benutzen. 

Sehnsuchtsort Potsdam

Ende November wird die erste Folge der Mini-Serie an acht Tagen in Potsdam gedreht. „Potsdam ist mein Sehnsuchtsort“, sagt Lotte Krieger. Um das Filmgymnasium zu besuchen, war sie mit 16 von zu Hause ausgezogen. Ähnlich wie Lorenz Reimann, dessen Eltern extra nach Potsdam zogen, damit ihr Sohn das Filmgymnasium besuchen konnte. „Im Alter von sieben hatte ich das erste Mal eine Filmkamera in der Hand“, sagt Lorenz.

Die ersten kommerziellen Aufträge hat das Kollektiv erhalten. Musikvideos für Universal. Gut bezahlt, wie sie sagen. „Um Kohle geht es uns eigentlich weniger“, sagt Lorenz Reimann. Man wolle ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen, aber „wir wollen erst mal die Welt verändern“, sagt der 21-Jährige. Zumindest die Filmwelt.

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