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Natalia Chernoguz in ihrer Ausstellung „Where Birds Will Sing“ im Untergeschoss der Nikolaikirche.

© Andreas Klaer

Bilder voller Hoffnung: Natalia Chernoguz malt die Ukraine in hellen Farben

„Where birds will sing“ heißt die Ausstellung, die bis zum 9. September in der Nikolaikirche zu sehen ist. Eröffnet wurde sie am ukrainischen Unabhängigkeitstag.

Ein Haus in goldgelber Landschaft. Darüber Himmel, kornblumenblau. Ein Idyll, geschützt von zwei kräftigen Armen. Es ist ein Haus in der Nähe von Kiew, erklärt Natalia Chernoguz. Sie hat das Haus gemalt, es war ihr Haus. Natalia Chernoguz lebte dort bis 2022, zuletzt mit rund zwanzig Menschen – Freunden und Familie. Sie alle glaubten dort sicher zu sein. Sie waren es nicht. Auch Kiew wurde von russischen Truppen belagert. Als die Belagerung vorbei war, floh Natalia Chernoguz nach Deutschland.

„Die Vögel werden fliegen“ heißt das Bild. Es bildet den Auftakt zu einer kleinen Ausstellung im Untergeschoss der Nikolaikirche, die am Donnerstag (24.8.) eröffnet wurde. Für Natalia Chernoguz – die heute im nordrhein-westfälischen Meerbusch lebt – und den Verein Push UA, der die Ausstellung initiiert hat, ein wichtiger Tag: der 32. Unabhängigkeitstag der Ukraine, Nationalfeiertag.

„Da werden Vögel fliegen“ ist eines der Bilder, die bis zum 9. September in der Ausstellung „Where birds will sing“ zu sehen sind.
„Da werden Vögel fliegen“ ist eines der Bilder, die bis zum 9. September in der Ausstellung „Where birds will sing“ zu sehen sind.

© Andreas Klaer

Auf die Frage, wie sich dieser Tag fern der Heimat anfühlt, deutet Natalia Chernoguz auf ein großes Querformat mit dem Titel „Alles vergeht“. Aus brauner Erde kämpft sich ein winziges Pflänzchen nach oben. „Wir fühlen uns wie in einem Pausenmodus. Wir warten darauf, dass es wächst.“

„Aber ich möchte zeigen, dass wir nicht nur jammern, sondern dass wir stark sind“, sagt sie auch. Die 47-Jährige ist gelernte Pädagogin, früher war sie Grundschullehrerin. In Kiew leitete sie ein Kreativzentrum für Kinder. Gemalt hat sie schon immer, in Kiew hatte sie auch Kunst studiert. Seitdem sie im Exil ist, ist Kunst ihre Waffe. Keine Waffe, die vernichten, sondern eine, die verteidigen soll. Sie gibt Chernoguz Kraft. Und mit ihr möchte Chernoguz auch anderen Kraft geben.

Optimistischer Grundton

Vielen der in der Nikolaikirche ausgestellten Bilder ist dieser Impuls anzusehen. Immer wieder die Farben Gelb und Blau. Schöne Frauen, starke Hände, dickes, geflochtenes Haar. Manche der Bilder wirken fast ikonenhaft. Ihr Lieblingsmodell: ihre älteste Tochter. Sie ist mit ihrem Mann in Kiew geblieben. Die jüngere, gerade 18 geworden, lebt auch in Deutschland.

Wenn der Krieg zu Ende ist, will ich nicht an das Schlimme zurückdenken. Sondern mich an die Menschlichkeit, die ich an den Tagen erlebt habe, erinnern.

Natalia Chernoguz, ukrainische Künstlerin und Pädagogin

Selbst dort, wo dunkle Farben und Gesten der Verzweiflung auf der Leinwand dominieren, vermitteln Bildtitel und Begleittexte einen optimistischen Grundton. „Mensch sein“, heißt eins von ihnen. „Wenn der Krieg zu Ende ist, will ich nicht an das Schlimme zurückdenken“, steht daneben, „sondern mich an die Menschlichkeit, die ich an den Tagen erlebt habe, erinnern.“ Der Text schließt mit den Worten: „Ich bin unheimlich stolz auf alle, die an diesen Tagen Menschen geblieben sind.“

Davon, dass die Ukraine am Ende siegreich aus diesem Krieg hervorgehen wird, ist Natalia Chernoguz überzeugt. Auch davon, dass sie eines Tages in das weiße Haus zurückkehren wird, das sie auf ihrem Bild festgehalten hat. „Aber ich werde nicht dieselbe sein. Meine Gefühle sind nicht dieselben wie damals.“ Ihr Gemälde „Wenn ich wieder zuhause bin“ zeigt einen Frauenhals, der aus einem ausgebrannten Häuserblock herauswächst, sich kopfüber über ein goldglühendes Schlüsselloch beugt. „Die vielen Fenster in dem verbrannten Haus stehen für die Orte, an denen wir seit unserer Flucht gelebt haben.“

Bilder wie diese lassen die Abgründe ahnen, aus denen Natalia Chernoguz ihren Optimismus herausschält. „Ich fühle mich oft sehr traurig“, sagt sie. „Aber ich bin überzeugt davon, dass, was ich male, irgendwann Wirklichkeit wird.“ Eines der in hellen Tönen gehaltenen Bildern zeigt eine junge Frau mit Baby, das fast in ihrem blauen Kleid versinkt. „Das Baby ist die Ukraine für mich“, sagt Natalia Chernoguz. Es sieht klein und verletzlich aus – und sehr behütet.

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