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Ein Motiv aus „Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag“, ab 21. Mai im Potsdam Museum zu sehen.

© Potsdam Museum/Werner Tag

Werner Taag im Potsdam Museum: Fotoausstellung zeigt vier Jahrzehnte DDR

Rund 40.000 Fotos umfasst das Lebenswerk Werner Taags. 400 Bilder werden nun im Potsdam Museum gezeigt – und schicken die Betrachter auf eine Reise durch die Vergangenheit.

Es war ein Geschenk sondergleichen: Im Jahr 2018 gelang es dem Förderverein des Potsdam Museums, den Nachlass des Fotografen Werner Taag zu erwerben. 40.000 Fotos aus mehr als vier Jahrzehnten. Ein Schatz von unschätzbarem Wert für ein Museum, das die eigene Stadtgeschichte genauer in den Blick nehmen will. Am Potsdam Museum ist das der Plan. Dort läuft bekanntlich derzeit die Suche nach der Nachfolge von Direktorin Jutta Götzmann: Das Museum soll sich künftig wieder mehr der Stadt und ihren Bewohner:innen annähern.

Insofern kann die Sonderausstellung, die am 21. Mai eröffnet wird, durchaus als programmatisch für das Kommende gelten. „Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag“, heißt sie. Menschen, die seit Jahrzehnten in dieser Stadt leben sollen ebenso angesprochen werden wie Jüngere oder jene, die die DDR nicht kannten. Die Doppeldeutigkeit im Titel ist kein Zufall. Denn hier geht es um Straßenbahnen und Busse, Streckennetze und Haltestellen – aber auch um so etwas wie die Befindlichkeit einer Stadt. Ihre Bauten, ihre Brüche, ihre Menschen.

Etwa 400 von 40.000 Fotografien sind in der Ausstellung zu sehen.
Etwa 400 von 40.000 Fotografien sind in der Ausstellung zu sehen.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

400 von 40.000 Fotos sind zu sehen

Schon wer die Ausstellung betritt, kommt an den „Potsdamer Linien“ nicht vorbei. Auf dem Boden ein Verkehrsnetz aus den 1970er Jahren. In Richtung Norden ist am Kapellenberg Schluss. „Bei der Sichtung des Materials haben sich einige geographische Schwerpunkte ergeben, die Taag über einen längeren Zeitraum begleitete“, sagt Kuratorin Judith Granzow. „So entstand die Idee von Haltestellen, verbunden durch den Netzplan des Nahverkehrs“. Anhand der Haltestellen sind die Fotos thematisch sortiert: Zentrum Süd, Brandenburger Straße, Alter Markt.

Auswahl an Fotos von Werner Taag in dcx. Anlass ist eine große Ausstellung im Potsdam Museum unter dem Titel "Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag". Credit: © Potsdam Museum, Foto: Werner Tag
Auswahl an Fotos von Werner Taag in dcx. Anlass ist eine große Ausstellung im Potsdam Museum unter dem Titel "Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag". Credit: © Potsdam Museum, Foto: Werner Tag

© Potsdam Museum/Werner Tag

Nur rund 400 von 40.000 Motiven sind in der Ausstellung zu sehen. Das Kuratorenduo Judith Granzow, Leiterin der Sammlung Fotografie am Potsdam Museum, und Robert Leichsenring, freier Stadtführer und Mitglied im Verein Historische Straßenbahn Potsdam, ist sich einig: Es kann nur ein Anfang sein. „Das ist ein Fund, mit dem man jetzt arbeiten kann“, sagt Granzow. Viele Aspekte von Taags Sammlung wurden trotz der engen Hängung, der großen thematischen Bandbreite, nicht berührt. Auch nach 1989 hat Werner Taag noch fotografiert. Er starb 1998.

Die Stadt, die Werner Taag fotografierte, war voller Zäune, Bretter, Leitern, voller Schutt und bröckelndem Putz, Kriegsverheerung und Aufbauwillen. Ein Foto von 1958 zeigt das ausgebombte Alte Rathaus am Alten Markt, die Ruine des Stadtschlosses. Ein anderes zeigt, was die Altstadt damals noch vor allem war: ein Steinbruch. Menschen mit Spitzhacke auf einem riesigen Berg aus Geröll, im Hintergrund die Nikolaikirche. Ein Begleittext erklärt: Hier wurden damals Trümmer zermahlen und in einer improvisierten Ziegelei am Stadtkanal zu Betonsteinen verarbeitet.

Werner Tag dokumentiert den Aufbau der siebenstöckigen Wohngebäude am ehemaligen Blücherplatz im Zentrum Süd, den Wiederaufbau der Nikolaikirche, den Verfall des Großen Schauspielhauses in der damaligen Heinrich-Rau-Allee, heute: Am Kanal. Bis Mitte der 1960er Jahre war ein Wiederaufbau vorgesehen, ist in der Ausstellung zu lernen. Am 28. Mai 1966 wurde es gesprengt, ohne Ankündigung. Heute steht dort ein Hochhaus.

Ein Hobbyfotograf? Ein Künstler

Werner Taag, geboren 1915 in Nowawes, beschäftigte sich ab 1945 mit Fotografie, die frühesten Motive der Ausstellung stammen von 1949. Von 1945 bis 1980 arbeitet er als Elektro- und Fahrleitungsmonteur bei den Potsdamer Verkehrsbetrieben. Taag war das, was man gemeinhin als Hobbyfotograf bezeichnet. Er lernte sein Handwerk als Fotograf an keiner Schule, sondern von seinem Vater. Auch der, Reinhold Taag, war Hobbyfotograf, gilt sogar als Begründer der Potsdamer Amateurfotografie. Reinhold Taag führte das Café Taag, später bekannt als Waldcafé.

Taag war Gründungsmitglied der „Fotografischen Gemeinschaft“, dem späteren „Fotoclub Potsdam“ beim Kulturbund, schon ab 1952 konnte er seine Arbeiten ausstellen und veröffentlichen. Wer vor allem seine Momentaufnahmen ansieht, die Menschen, die sich in der Stadt zwischen Abbruch und Aufbau bewegen, sieht keinen Hobbyfotografen, sondern ein großes künstlerisches Gespür für Bildkomposition und den „richtigen Augenblick“. Eine Familie beim Sonntagsspaziergang in Rückansicht, Vater und zwei Kinder. Zwischen ihnen eine Puppe, unter ihnen ihr Schatten. Eine perfekte Komposition.

Künstlerisches Gespür für den richtigen Augenblick. „Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag“.
Künstlerisches Gespür für den richtigen Augenblick. „Potsdamer Linien. DDR-Alltagsfotografie von Werner Taag“.

© Potsdam Museum/Werner Tag

Oder da ist das kleine Mädchen am Alten Markt, hochkonzentriert beim Eisessen, neben sich ein Teddy, hinter sich die ehemalige Fachhochschule und die Nikolaikirche. Das Motiv ist überlebensgroß in der Ausstellung abgebildet: Fotos wie diese lassen die ansonsten sehr kleinteilige und vor informativen Begleittexten schier berstende Schau atmen. Gleiches gilt für die sechs Mädchen in Sechziger-Jahre-Sommerkleidern, die die Lange Brücke in die Stadt entlangschlendern. Auch sie von hinten aufgenommen.

In der Ferne steht die Garnisonkirche, die bald gesprengt werden wird. Das Brückengeländer ist noch das, das Fritz Kühn Ende der 1950er Jahre entworfen hatte. In der Ausstellung ist das Foto überlebensgroß gezogen, das Geländer der ehemaligen Langen Brücke auf dem Foto verlängert sich dreidimensional in den Raum. Ein Bild für diese gelungene Ausstellung als Ganze: Vergangenheit, die nach einem greift.

Anmerkung: In der ersten Version des Textes war das Foto mit dem Mädchen irrtümlich am Staudenhof verortet. Wir haben den Fehler nach einem Leserhinweis korrigiert.

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