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Philipp Oswalt

© Andreas Klaer

„Bauen am nationalen Haus“ : Neues Buch über Garnisonkirche in Potsdam

Philipp Oswalt ist einer der vehementesten Kritiker des Garnisonkirchen-Wiederaufbaus. Jetzt hat er ein neues Buch geschrieben.

Der Architekt Philipp Oswalt ist in Potsdam alles andere als unbekannt. Er ist Initiator des im Rechenzentrum angesiedelten Lernorts Garnisonkirche sowie jenes Offenen Briefes, der 2019 der Anfang vom Ende des klingenden Glockenspiels auf der Plantage war. Philipp Oswalt ist einer der vehementesten Kritiker des Garnisonkirchen-Wiederaufbaus.

Nun hat Oswalt ein Buch geschrieben, in dem er seine Kritik in einen bauhistorischen Kontext einbettet. „Bauen am nationalen Haus“ heißt es, im Untertitel: „Architektur als Identitätspolitik“. Am 23. Januar um 18 Uhr wird es im Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) vorgestellt.

Detaillierte Erkenntnisse über die Genese des Wiederaufbaus, von der Unterstützung durch einen rechtsnationalen Bundeswehroffizier in den 1980er Jahren bis hin zur offenen Frage nach der Zukunft des benachbarten Rechenzentrums, verbindet Oswalt in dem Buch mit der Analyse einer bundesweiten „Rekonstruktionswelle“ seit den 1980er Jahren.

Das Kapitel zur Garnisonkirche steht hier neben denen zur Neuen Frankfurter Altstadt, der Frankfurter Paulskirche und dem Berliner Schloss. Was alle Rekonstruktionen eint, so Oswalt, ist ein geschichtspolitischer Gedanke der Ära Helmut Kohl: „Zur Bildung eines positiven Nationalbewusstseins sollten die Deutschen mit ihrer Geschichte versöhnt werden.“

Umdeutung des „Tags von Potsdam“

Gesellschaftlich bedeutete dies: Mit Blick auf die NS-Vergangenheit wurden Opfer und Täter „zu einem nationalen Kollektiv“ zusammengefasst, „das alle unterschiedslos inkludiert, von SS-Angehörigen (...) bis zu den Ermordeten in den Konzentrationslagern“.

Potsdamer Beispiel: die Umdeutung des „Tags von Potsdam“, so Oswalt. Der sei nach 1990 „als Missbrauch preußischer Tradition und Geschichte“ dargestellt worden, „als isoliertes Ausnahmeereignis“. So habe man sich mehrheitlich auf den Wiederaufbau und die Idee, dass Steine „nie schuld sein können für das, was in ihnen passiert ist“ (Platzeck) einigen können.

Dagegen stellt Oswalt Beobachtungen, wie die Neue Rechte den Ort kontinuierlich für sich vereinnahmt. Und die erstaunliche Erkenntnis, dass das Nutzungskonzept der Stiftung Garnisonkirche bis heute „weitgehend dem Vorschlag Klaars entspricht“. Max Klaar ist jener Offizier, der das Glockenspiel einst nach Potsdam brachte und 1989 von einem Deutschland mit den Grenzen wie anno 1937 träumte.

Die Garnisonkirchenstiftung wies diese Darstellung am Montag entschieden zurück. Die Stiftung distanziere sich „deutlich von den Vorschlägen und dem Gedankengut Max Klaars“, erklärte Stiftungssprecherin Beatrix Fricke den PNN. „Es ist richtig, dass die Garnisonkirche ein Ort antidemokratischer und traditionalistischer Kräfte war“, so die Sprecherin weiter. Aber die Arbeit der Stiftung ziele „gerade darauf ab, diese Geschichte kritisch zu beleuchten und aus ihr zu lernen“. Die Stiftung verweist unter anderem das Bildungsangebot mit Schüler-Projekttagen zum „Tag von Potsdam“ und weiteren Veranstaltungen. Diese kritische Auseinandersetzung werde auch in der künftigen Ausstellung geschehen.

Hinweis: Der Text wurde am 22. Januar 2024 um die Reaktion der Stiftung Garnisonkirche ergänzt.

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