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Läutet derzeit nicht. Das Glockenspiel der Garnisonkirche auf der Plantage in Potsdam.

© Sebastian Rost Fotografie

Garnison-Glockenspiel: Kritiker des Instruments fordern mehr als nur eine Erklärtafel

Der Nachbau des Geläuts der umstrittenen Garnisonkirche steht wegen teils rechtslastiger Inschriften in der Kritik und ist stillgelegt. Nun wurde über den künftigen Umgang diskutiert.

Für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Nachbau des Glockenspiels der Potsdamer Garnisonkirche haben sich am gestrigen Sonntag (17.9.) stadtbekannte Kritiker des historisch belasteten Instruments ausgesprochen. Es reiche zum Beispiel nicht, am Ort des Glockenspiels lediglich eine Erklärtafel anzubringen, sagten die SPD-Stadtverordnete Sarah Zalfen sowie Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche auf einer Veranstaltung im Rechenzentrum.

Die Diskussion fand im Rahmen des preußenkritischen Festivals „Gegensignal“ statt, das von Oswalt maßgeblich organisiert wurde. Man könne gar nicht eine so große Tafel schaffen, um nur mit Worten die Geschichte des Glockenspiels zu erläutern, sagte Zalfen. Daher solle eine sichtbare künstlerische Auseinandersetzung das Bauwerk kontextualisieren.

Auch Lutz Boede, Fraktionsgeschäftsführer der Stadtfraktion Die Andere, sagte auf der Diskussion, Besucher des Ortes sollten künftig an dem Glockenspiel, das sich Ecke Dortu-/Yorckstraße befindet, auf die historische Belastung hingewiesen werden. Nach Ansicht von Boede sei eine künstlerische Einbettung des Instruments vonnöten.

Stadtpolitik beschloss Kunstwettbewerb für Glockenspiel-Einordnung

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Stadtverordneten beschlossen, dass die Stadtverwaltung einen Kunstwettbewerb vorbereiten solle, „in dessen Zentrum die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Glockenspiel auf der Plantage steht“. Die Finanzierung dieses Vorhabens ist allerdings noch ungeklärt.

Das aus 40 Glocken bestehende Instrument war bekanntlich im Jahr 2019 wegen seiner rechtslastigen Inschriften abgestellt worden. Bis dahin spielte es tagsüber zu jeder vollen Stunde das Lied „Lobe den Herrn“ und zu jeder halben Stunde „Üb immer Treu und Redlichkeit“. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte mit der Außerbetriebnahme auf die immer schärfer werdende Kritik an dem 1991 in Potsdam aufgestellten Instrument reagiert. Einzelne Glocken sind Wehrmachtseinheiten gewidmet, auf anderen Glocken wiederum sind inhaltlich rechtslastige Inschriften enthalten, wie etwa „Kein Unglück Ewigk – Schlesische Truppen“.

Der inzwischen fast fertige Turm der Garnisonkirche.
Der inzwischen fast fertige Turm der Garnisonkirche.

© euroluftbild.de/Robert Grahn/euroluftbild.de/Robert Grahn

Im Zuge der Diskussion über die Zukunft des Glockenspiels hatten 2020 die Stadtfraktionen der Grünen und der Linken gefordert, das Glockenspiel einschmelzen zu lassen. Die Fraktion Die Andere plädierte damals dafür, das Instrument als Klettergerüst umzubauen und eine der Glocken am Standort aufzustellen, sowie vor Ort eine Dokumentation zur Historie zu platzieren. Nachdem das Glockenspiel vor zwei Jahren als Zeugnis der stadtgeschichtlichen Auseinandersetzungen unter Denkmalschutz gestellt wurde, sind diese Vorschläge, die einen Abbau oder eine Umarbeitung des Glockenspiels vorsehen, jedoch nicht mehr realisierbar. Der Denkmalschutzstatus verpflichtet die Stadt Potsdam als Eigentümerin zum Erhalt des Glockenspiels.

Historiker Juhnke: Stummes Geläut sei doch bereits ein Kunstwerk

Der Historiker Dominik Juhnke vom Zentrum für Zeithistorische Forschungen (ZZF), der 2021 ein Gutachten zur historischen Kontamination des Glockenspiels geschrieben hatte, gab auf der Diskussion am gestrigen Sonntag zu bedenken, dass „ein stummes Geläut, das nicht wieder zum Klingen gebracht wird“, doch auch schon ein Kunstwerk sei. Alexander Wietschel von der Partei „Die Partei“ - am Sonntag im Rechenzentrum als „Geistlicher“ vorgestellt – schlug vor, das Glockenspiel in einem Abstand von 88 Metern entfernt von der Garnisonkirche zu platzieren und mit einem Kunststoffsarkophag zu überziehen. So bliebe es noch gewissermaßen sichtbar, könne aber nicht mehr erklingen. Die 88 steht in rechtsradikalen Kreisen für „Heil Hitler“ - das H ist der achte Buchstabe des Alphabets. Saskia Hüneke (Grüne) sagte am Sonntag auf der Diskussion, ihr sei 1991 als verantwortliche Stadträtin für Kultur die starke Kontamination des Instruments mit rechtslastigen Inhalten nicht klar gewesen.

Das Glockenspiel ist ein Nachbau des Instruments, das sich einst im Turm der 1731 bis 1735 nach Plänen von Philipp Gerlach errichteten Garnisonkirche befand. Die Ruine der im Zweiten Weltkrieg stark beschädigten Kirche wurde 1968 gesprengt. Im April 1984 startete der Bundeswehroberstleutnant Max Klaar aus Iserlohn (Nordrhein-Westfalen) eine Spendensammlung für den Nachbau des Glockenspiels. Noch in den 1980er-Jahren wurde es in einer Kaserne in Iserlohn aufgestellt und schließlich 1991 nach Potsdam überführt.

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