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Um die Zukunft des Sportplatzes des ESV Lok Potsdam in der Berliner Straße wird seit langem gerungen.

© Andreas Klaer

Villen statt Sportplatz?: Bund will mit Grundstück des ESV Lok Potsdam Millionen verdienen

Eine Bundesbehörde will das Areal in der Berliner Vorstadt zum Höchstgebot verkaufen. Der Stadtsportbund ruft für Donnerstag zum Protest auf. 

Für den Blick würden Immobilieninvestoren wohl einiges springen lassen: der Tiefe See, gegenüber die Hügel des Parks Babelsberg mit dem Schloss und weiter rechts dann irgendwann die Schiffbauergasse mit dem charakteristischen Dach des Hans-Otto-Theaters. Und an Land ringsum die Villen der Berliner Vorstadt. Der Sportplatz des ESV Lok Potsdam ist ein echtes Filetgrundstück.

Der Eigentümer will es nun offenbar gewinnbringend veräußern. Doch bei dem Eigentümer handelt es sich nicht um einen anonymen Immobilienfonds, sondern um eine Bundesbehörde. Das sogenannte Bundeseisenbahnvermögen (BEV) entstand in den 1990er-Jahren während der Bahnreform. Die Behörde übernahm unter anderem Pensionsansprüche und bekam zur Finanzierung Grundstücke aus dem Bahnvermögen übertragen. Die Hauptverwaltung sitzt in Bonn – Potsdams Partnerstadt.

Der ESV Lok Potsdam mit 1300 Mitgliedern sitzt seit 1951 am Standort und sieht sich in seiner Existenz bedroht. Die Stadt hatte bisher ohne Erfolg versucht, das Grundstück zu übernehmen und zu sichern. „Wenn das Grundstück zum Höchstgebot an einen Investor geht, wäre der Verein tot“, sagt der langjährige Vereinschef Jürgen Happich. Der geltende Pachtvertrag laufe im Jahr 2025 aus. 

Jürgen Happich, langjähriger Vereinschef des ESV Lok Potsdam.

© Andreas Klaer

Der Verein hat über die Jahre viel Herzblut und auch Geld in die Anlage gesteckt. „Wir haben mehr als vier Millionen Euro investiert.“ Etwa in das Vereinsheim und den Bootsanleger. Die Aufbauten gehören dem Verein. Ein Teil davon sei durch Fördermittel ermöglicht worden. Der Verein habe seit 2004 versucht, das Areal selbst zu erwerben. Das BEV habe das aber nie bearbeitet. „Neutral erstellte Gutachten, auch von der Behörde beauftragte, wurden ignoriert“, sagt Happich.

Gegen die Verkaufspläne regt sich Protest. Unter anderem der Stadtsportbund ruft für Donnerstag um 15.30 Uhr zu einer Kundgebung auf. „Der Lok-Sportplatz in der Berliner Vorstadt ist bedroht, das Gelände soll meistbietend verkauft werden“, schreibt der Stadtsportbund auf Facebook. „Für den Potsdamer Vereinssport wäre der Wegfall ein schwerer Schlag, fehlen doch ohnehin schon über 30.000 Quadratmeter Sportfläche, Tendenz steigend.“

Bisher besteht die Bundesbehörde auf dem Verkauf zum Höchstgebot. „Die rechtlichen Vorgaben sehen grundsätzlich eine Ausbietung des Grundstücks vor“, teilte ein Sprecher auf PNN-Anfrage mit. „Soweit Sportgrundstücke des BEV in der Vergangenheit öffentlich ausgeboten wurden, haben stets der Sportverein oder die zuständige Kommune das Grundstück erworben.“ Eine solche Aufforderung zum Bieten verhindere also nicht den Erwerb durch den ESV oder die Stadt. Der Verein sei keine „anerkannte Sozialeinrichtung des BEV“ mehr. Deshalb sei es keine Förderungsaufgabe für die Behörde.

Beim Verein teilt man diese Argumentation nicht. „Wir hatten immer mehr als 50 Prozent Eisenbahner beziehungsweise Ehemalige“, sagt Happich. Die Behörde behandele den Verein allerdings so, als ob gar keine Eisenbahner Mitglied seien. Der Verein legte Widerspruch ein. Das BEV klagte auf Pachtzahlung in einer Höhe von einer viertel Million Euro. Inzwischen ist ein Verfahren am Landgericht anhängig.

Stadt sollte Grundstück übernehmen

2019 habe es dann die Idee gegeben, dass die Stadt das Grundstück übernehme und an den Verein weiter verpachte. Damals haben die Staatskanzlei des Landes Brandenburg und Bundesverkehrsministerium einen Verkauf an die Stadt vereinbart. „Es gab eine Absichtserklärung“, sagt Happich. Das zwischenzeitlich erstellte Gutachten ergab einen Verkehrswert in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Später habe das BEV ein neues Gutachten erstellen lassen, mit dem Ergebnis von 6,7 Millionen Euro.

Auch die Stadtverordneten hatten sich schon mit dem Thema beschäftigt: 2020 hatten sie die Verwaltung mit Kaufverhandlungen beauftragt. So sollte der Verein vor einer Pachterhöhung bewahrt werden. Zudem solle der Kauf des Areals auch dazu dienen, den dort geplanten Uferweg zu sichern.

Immerhin gibt es noch Gespräche zwischen Stadt und BEV. Allerdings kamen diese erst zustande, nachdem die Stadtspitze beim Bundesverkehrsministerium interveniert hatte. Das Gutachten zum Verkehrswert wollte die Behörde nach Stadtangaben nicht herausrücken. Nun räumte sie ein, dass Potsdams Kämmerer Burkhard Exner (SPD) das Schriftstück in der Berliner Niederlassung der BEV einsehen darf.

Im Rathaus ist man einigermaßen irritiert über das Vorgehen der BEV. „So etwas habe ich in Jahrzehnten nicht erlebt“, sagte Exner den PNN. „Als Einrichtung der öffentlichen Hand sollte man den Nutzen für die Allgemeinheit mehren und zusammenarbeiten.“ Es würden ständig Grundstücke von einer Behörde an eine andere direkt übertragen. Wenn man jedes Mal ein Höchstgebotsverfahren einschalte, könnten Spekulanten die Preise nach oben treiben.

Die Potsdamer Linke fordert nun, dass sich auch der Potsdamer Wahlkreisabgeordnete im Bundestag Olaf Scholz (SPD) in die Sache einschaltet. „Herr Bundeskanzler Scholz – bekennen Sie jetzt Farbe! In ihrem Wahlkreis – vor ihrer Haustür spekuliert ihre Behörde mit öffentlichem Eigentum“, so der Vorsitzende der Fraktion Sozial. DIE LINKE. in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, Stefan Wollenberg. Scholz hatte seinerzeit beim 70. Vereinsjubiläum auf Areal vorbeigeschaut und zugesichert, sich für den Verein einzusetzen. Es war am Tag vor der Bundestagswahl.

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