zum Hauptinhalt
Hungernde Kinder in Potsdam: Insbesondere am Schlaatz wohnen viele Familien mit Leistungsbezug. Sie können es sich nicht leisten, für das Schulessen der Kinder in Vorleistung zu gehen.

© Andreas Klaer/PNN

Trotz hungernder Kinder am Schlaatz: Familien in Potsdam müssen auf die Bildungskarte noch lange warten

Vorerst wird nur geprüft, ob und wie eine Bildungskarte für Familien mit Leistungsanspruch eingeführt wird. Start wäre frühestens in zweieinhalb Jahren.

Die Grünen-Fraktion in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beantragt die Prüfung eines App-basierten Kultur- und Bildungspasses für Familien, die Ansprüche auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben. Damit soll die Kostenübernahme beispielsweise für das Schulessen, Musikunterricht, Sportvereine oder Klassenfahrten möglich werden, ohne dass jeweils einzelne Anträge gestellt und geprüft werden müssen.

Aktuell warten Familien teilweise mehr als sechs Monate auf eine Bewilligung. Das führt insbesondere bei Kindern am Schlaatz dazu, dass sie nicht an der Mittagsversorgung in den Schulen teilnehmen. Die Eltern müssten nämlich bis zur Bewilligung nach Antragstellung für die Kosten für mehrere Monate in Vorleistung gehen. Das können leistungsberechtigte Familien jedoch nicht.

500.000
Euro würde die Einführung einer App laut Berechnungen der Stadtverwaltung kosten.

Mehrere soziale Träger schlugen deshalb im März mit einem offenen Brief Alarm. „Deutlich sichtbar wird die zunehmende Ernährungsarmut von Kindern und Jugendlichen am Schlaatz. Hier zeigt sie sich massiv“, hieß es in dem Brief. Kinder hätten oft bis zum Nachmittag nichts gegessen und würden hungrig in die Jugendclubs kommen. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Der Kreiselternrat forderte ein kostenloses Schulessen.

Mit einer Bildungskarte könnte die Situation verbessert werden. Allerdings einigte sich der Bildungsausschuss lediglich darauf, dieses Angebot zunächst von der Verwaltung prüfen zu lassen. Das Ergebnis solle dann im vierten Quartal 2024, also in rund anderthalb Jahren, vorliegen. Mit der Prüfung würde jedoch noch keine Verbesserung eintreten. Eine Umsetzung ist laut Antrag erst für das Schuljahr 2025/2026 „anzustreben“.

Problem: Nicht alle Grundschulkinder haben ein Smartphone

Dabei wurde die Einführung längst geprüft, weil eine Bildungskarte bereits früher im Gespräch war. Damals seien Kosten von 500.000 Euro für die Einführung einer Bildungskarte ermittelt worden, sagte Uta Kitzmann, Leiterin des Fachbereiches Soziales und Inklusion. Der monatliche Aufwand liege bei 10.000 Euro. Die App benötige bis zur Einführung „mindestens ein Jahr Vorlaufzeit“, sagte Kitzmann. Der Nachteil sei, dass alle Anbieter und beispielsweise jeder einzelne Gitarrenlehrer die App hochladen müssten. Der Vorteil seien Entlastungen bei Prüfungen und Abrechnungen.

Die Ausschussvorsitzende Tina Lange (Sozial.Die Linke) wies auf einen weiteren Nachteil einer App hin. Nicht alle Grundschulkinder würden ein Smartphone besitzen. Für die Nutzung von Apps werde zudem Datenvolumen verbraucht. Besser wäre es deshalb, parallel auch eine Karte anzubieten, so Lange. Uta Kitzmann verwies auf die Pläne der Bundesregierung für eine Kindergrundsicherung.

So oder so ist für die betroffenen Familien in den kommenden zweieinhalb Jahren keine Verbesserung in Sicht. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) wies darauf hin, dass selbst für eine Prüfung keine Mittel im Haushaltsplanentwurf vorgesehen seien.

Im offenen Brief der Sozialträger hieß es zur Lage im Schlaatz: „Die Situation ist nicht nur dramatisch, sondern auch gefährlich.“ Immer mehr Lehrer und Schulsozialarbeiter würden von hungrigen Kindern berichten. Deren Anzahl habe sich in den vergangenen Monaten auffallend erhöht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false