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Beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bürgerhaus am Schlaatz am vergangenen Sonnabend demonstrierten Mitarbeiterinnen des Awo-Büros „Kinderarmut“ für kostenloses Schulessen.

© Andreas Klaer

Hungrige Kinder am Schlaatz: Potsdamer Kreiselternrat fordert kostenloses Mittagessen

Zuletzt machten soziale Träger und Elternvertreter auf Missstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam. Nun lädt die Stadt zum Krisengipfel ein.

Der Kreiselternrat (KER) fordert ein kostenloses Mittagessen in Potsdam für alle Kinder in Kitas und Schulen. Für viele Familien sei das bestehende Angebot zu teuer, sagte die KER-Vorsitzende Annett Hagemann-Rentzsch den PNN. Die bestehenden Angebote zur Kostenreduzierung seien bei vielen Familien nicht bekannt, die Antragsformulare zu kompliziert und die Wartezeiten zur Bewilligung zu lang. Soziale Träger hatten in der vergangenen Woche in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und die Stadtverordneten auf die Missstände aufmerksam gemacht.

Kinder säßen hungrig im Unterricht und kämen nachmittags hungrig in die Kinder- und Jugendclubs. Dort werde das Budget für Sachkosten genutzt, um den Kindern wenigstens einmal in der Woche eine warme Mahlzeit zu kochen. „Die Budgets sind aber seit mehr als zehn Jahren nicht mehr erhöht worden“, sagt Doreen Gierke vom Büro „Kinder(ar)mut“ des Potsdamer Bezirksverbands der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Ausgerechnet im Schlaatz sind die Essenspreise in den Schulen am höchsten in ganz Potsdam.

In der Weidenhof-Grundschule wird derzeit 5,51 Euro pro Mittagessen verlangt. In der Gesamtschule am Schilfhof kostet die Portion 6,23 Euro. Eine Mutter mit drei Kindern an der Gesamtschule müsste monatlich 400 Euro für die Schulspeisung aufbringen. „Sie kann es sich nicht leisten. Sie hat gerade einmal 400 Euro pro Monat für alle Lebensmitteleinkäufe“, sagt Annett Hagemann-Rentzsch zu diesem konkreten Fall.

Hinzu komme eine weitere Ungerechtigkeit. „Grundschulkinder, die den Hort besuchen, erhalten ein kostenloses Mittagessen“, sagt die Elternvertreterin und bringt einen Vergleich an: In der Grundschule im Kirchsteigfeld koste ein Mittagessen derzeit 3,98 Euro. Die Hortpauschale betrage pro Kind 40 Euro monatlich. Auf das Essen umgerechnet halbiere sich damit der Essenspreis.

Die Antragsformulare für dieses Angebot sind bei den Familien oft nicht bekannt oder zu kompliziert.

Doreen Gierke, Awo-Büro „Kinderarmut“

Die Stadtverwaltung verweist auf das Bildungs- und Teilhabepaket, über das Eltern die Kosten für die Schulspeisung ausgleichen könnten. Außerdem zahle die Stadt bis zur zehnten Klasse die Essenskosten komplett oder bis zu einem Eigenanteil von einem Euro pro Essen, wenn sich die Betroffenen das Essen nachweislich nicht leisten können, sagt Stadtsprecher Kai Fortelka. „Die Antragsformulare für dieses Angebot sind bei den Familien oft nicht bekannt oder zu kompliziert“, entgegnet Doreen Gierke.

Elf Monate Wartezeit bis zur Bewilligung eines Antrags

Hinzu komme die lange Bearbeitungszeit. Eine alleinerziehende arbeitssuchende Mutter habe Beihilfe aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für die Essensversorgung ihrer vier Kinder in Kitas und einer Schule beantragt. Elf Monate lang musste sie bis zur Bewilligung warten und für die Kosten in Vorleistung gehen. Das waren zusammen 1400 Euro. Danach habe sich die Mutter darum bemühen müssen, ihr Geld von den Caterern zurückzubekommen, berichtet Doreen Gierke.

Stadtsprecher Markus Klier antwortet auf die Frage, warum ausgerechnet am Schlaatz die Schulspeisung am teuersten ist: „Für jede Schule wird ein individuelles Vergabeverfahren durchgeführt. Da Anforderungen und Wünsche einer jeden Schule voneinander abweichen und nicht jeder Caterer für jede Schule bietet, entstehen unterschiedlich hohe Preise.“

Das Mittagessen für die beiden Schulen am Schlaatz kocht die auch in Berlin ansässige „Oberbayerische Fleisch- und Wurst GmbH“. Aktuell würden in der Weidenhof-Grundschule, die von 422 Kindern besucht wird, täglich 120 Portionen Mittagessen herausgegeben. In der Gesamtschule seien es 60 Portionen bei 713 Schülerinnen und Schülern, sagt Annett Hagemann-Rentzsch.

Die Preiserhöhung im vergangenen November habe viele Familien dazu veranlasst, die Schulspeisung abzubestellen. Die Stadt habe die Forderung nach einer Übernahme der Mehrkosten als „nicht möglich“ abgetan. „Es gab kein Entgegenkommen“, bedauert die Elternvertreterin.

Jugendamtsleiter Robert Pfeiffer räumte inzwischen Versäumnisse bei der Bearbeitung von Anträgen ein. Es gebe deutliche Rückstände, sagte Pfeiffer am Dienstagabend im Bildungsausschuss. Die Bearbeitungszeit solle verkürzt und die Antragstellung vereinfacht werden. Die Stadtverwaltung habe mehrere soziale Träger zu einem Krisengipfel am 12. April eingeladen.

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