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Demo in Neu-Fahrland: Etwa 60 Potsdamer und Potsdamerinnen protestierten am Donnerstagabend gegen die rechten Umtriebe in der Villa Adlon.

© Andreas Klaer

Update

Nach rechtem Geheimtreffen: Potsdamer versammeln sich zu Spontandemo an der Villa Adlon

Das Treffen rechtsextremer Politiker und Aktivisten in Potsdam führt weiter zu Debatten. Der AfD-Kreischef attackiert unterdessen Oberbürgermeister Mike Schubert.

| Update:

Nach bundesweiten Schlagzeilen über ein Geheimtreffen radikal rechter Politiker und Aktivisten in der Villa Adlon haben mehr als 60 Potsdamer vor Ort demonstriert. Auf der Persiusbrücke vis á vis des Landhauses an der Bundesstraße 1 in Neu Fahrland versammelte sich die Menge am Donnerstagabend, viele waren mit Kerzen gekommen – und zwar trotz Blitzeis und Nieselregen.

Man wolle ein Zeichen gegen rechtsextreme Umtriebe setzen, „als die Seite von Potsdam, die das nicht dulden will“, sagte die Initiatorin, die ihren Namen nicht öffentlich nennen wollte, den PNN. Sie beobachte seit vielen Jahren die beunruhigenden politischen Entwicklungen in Brandenburg. „Jetzt ist ein Punkt erreicht, der uns zum Handeln zwingt“, sagte sie. Ab dem frühen Nachmittag war für die Aktion geworben worden.

 Wir können dies nicht widerspruchslos zur Kenntnis nehmen.

Carmen Klockow, Ortsvorsteherin von Neu Fahrland

Die Potsdamer Bürgerstiftung und das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ unterstützten die Demonstration. Auch die Neu Fahrländer Ortsvorsteherin und Stadtverordnete Carmen Klockow (Freie Fraktion) rief zur Teilnahme auf – und bezog sich auf Pläne zur Massenvertreibung von Migranten, die bei dem Treffen diskutiert worden seien. „Dieses unsägliche Vorhaben lässt unseren Ortsteil in einem furchterregenden Licht erscheinen. Wir können dies nicht widerspruchslos zur Kenntnis nehmen“, so Klockow.

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Scholz betont Schutz durch das Grundgesetz

Der Fall sorgte auch für zahlreiche weitere Reaktionen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der bekanntermaßen in Potsdam wohnt und seinen Wahlkreis hat, betonte den Schutz aller Menschen durch das Grundgesetz. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‚Wir‘ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, erklärte Scholz am Donnerstag auf der Internetplattform X, vormals Twitter. „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist“, ergänzte er.

Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei „ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, erklärte Scholz: „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis.“ Demokratinnen und Demokraten müssten zusammenstehen.

Das Recherchenetzwerk „Correctiv“ hatte am Mittwoch Ergebnisse einer Recherche über ein Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende November veröffentlicht. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt – dabei ging es nicht nur um Migranten ohne deutschen Pass, sondern auch Staatsbürger mit internationalen Wurzeln.

Zugleich hatten die PNN enthüllt, dass in der Villa seit Jahren schon Größen aus dem radikal rechten Milieu ein und aus gingen, wie Zeugen aus dem Umfeld des Hauses bestätigten.

Dunkler Schatten auf der Stadt

Eine Stellungnahme gab auch die Potsdamer CDU ab – in deren Vorstand der Eigentümer des Adlon-Anwesens, Wilhelm Wilderink, als Beisitzer geführt wird. CDU-Kreischef Steeven Bretz erklärte, er habe mit Wilderink das Gespräch gesucht und erfahren, dass die Villa über eine Vermietungsgesellschaft von Dritten gebucht werden kann. Dabei seien Gruppierungen wie die AfD als Gäste eigentlich ausgeschlossen, hatte Wilderink erklärt. Allerdings entziehe es sich seiner Kenntnis, wer zum Beispiel Diskussionsveranstaltungen vor Ort besuche.

Bretz sagte weiter: „Unabhängig von Vermietungsfragen: Wie der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann beobachten wir die aktuellen Entwicklungen mit größter Sorge.“ Die AfD sei auf einem Weg, „der eine große Gefahr für unser Land ist“. Das sei mit der CDU unvereinbar. „Sollten CDU-Mitglieder an einem solchen Treffen teilnehmen, verstößt das gegen die Grundsätze unserer Partei.“

Die Potsdamer SPD hatte die Union aufgefordert, sich klar gegen Rechts zu positionieren. Via Instagram forderte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) die Eigentümer auf, aufzuklären und ihren Beitrag zu leisten, „dass dieser dunkle Schatten von unserer Stadt so schnell wie möglich entfernt wird“.

AfD will kein „Staatsfeind“ sein

Hingegen kritisierte AfD-Kreischef Dennis Hohloch, der zur Landtagswahl auch Kandidat seiner Partei in Eisenhüttenstadt sein wird, in einer Mitteilung den Oberbürgermeister, der im Zusammenhang mit dem Treffen von Staatsfeinden gesprochen hatte. Dieser greife „die einzige Opposition im Land unredlich an“, erklärte Hohloch. Die AfD habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie die „Massenmigration beenden und alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen“ wolle, um sämtliche Migranten ohne Bleiberecht auszuweisen.

Aus Sicht von Ludwig Scheetz, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, zeigt der ganze Fall einmal mehr, dass die AfD in Brandenburg in ihrem Kern „die Prinzipien unserer Verfassung“ ablehne. „Sie wollen den demokratischen Rechtsstaat durch eine Herrschaft der Willkür ersetzen“, teilte Scheetz mit.

Der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Benjamin Raschke, erklärte: „Spätestens jetzt kann niemand mehr die Augen davor verschließen, wofür die AfD steht: für Hass, Ausgrenzung, eine Spaltung unserer Gesellschaft, das Ende unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“

Giffey warnt vor Rechtsnationalismus

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey warnte unterdessen vor Rechtsnationalismus in Deutschland. „Wer die Menschen in unserem Land nach echten und unechten Deutschen sortieren will und von Verschiebebahnhöfen fantasiert, kommt ganz klar aus der dunkelsten Zeit unserer Geschichte und will das Land genau dorthin wieder zurückführen“, sagte die SPD-Landesvorsitzende am Donnerstag. „Dieser widerliche Rechtsnationalismus ist eine große Gefahr für unsere Demokratie.“

Er sei außerdem pures Gift für die Wirtschaft und für die Frage, ob sich internationale Unternehmen in Deutschland ansiedeln, sagte Giffey. „Wir alle tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, dass diese Fanatiker nicht zerstören, was gerade im Osten unseres Landes so viele Menschen für ihre Freiheit und ihren Wohlstand seit der Wiedervereinigung hart erarbeitet haben.“ Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft seien in der Pflicht, klar und deutlich Stellung zu beziehen. (mit dpa/ epd)

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