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Jan Kingreen wechselte vom Berliner Dom nach Potsdam und ist ab 1. März neuer Pfarrer der Garnisonkirchgemeinde. Am Sonnabend um 18 Uhr wird er in der Nikolaikirche in das neue Amt eingeführt.

© Andreas Klaer/PNN

Mehr Netflix und mehr „dritte Orte“: So tickt der neue Pfarrer am Turm der Potsdamer Garnisonkirche

Jan Kingreen wird am Samstag in das Amt eingeführt. Starre Gottesdienstzeiten hält er für unattraktiv. Wie beim Streamen müssten Angebote bei Bedarf abrufbar sein.

Der Blick über Potsdam aus 70 Metern Höhe: „Sogar barrierefrei mit Lift erreichbar“, sagt Jan Kingreen. Am 1. Januar 2024 soll es so weit sein: Dann werde die Aussichtsplattform des Garnisonkirchturms fertig sein. Die Kuppel wird später aufgesetzt und den Turm auf fast 90 Meter Höhe wachsen lassen. Ab dem heutigen Mittwoch ist Kingreen der neue Pfarrer der Gemeinde am Garnisonkirchturm. Am Sonnabend wird er in der Nikolaikirche von Landesbischof Christian Stäblein in das Amt eingeführt. Für Kingreen ein nachvollziehbarer Schritt auf der theologischen Karriereleiter.

Er sei kein typischer Pfarrer für eine klassische Kirchengemeinde. „Ich habe hohen Respekt vor dem Amt, aber das ist nicht mein Ding“, sagt der 34-Jährige. In Zukunft werde sich die Kirche ohnehin ändern müssen und „dritte Orte“ schaffen müssen. Kingreen vergleicht die Kirche mit Netflix: Wie beim Streamen müssten Angebote bei Bedarf abrufbar sein. Die starre Gottesdienstzeit am Sonntag um 10 Uhr sei unattraktiv. Als „dritten Ort“ versteht Kingreen auch die Garnisonkirche. Dort könnten Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen zusammenkommen.

Die Diskussion um die Garnisonkirche läuft seit Jahren.
Die Diskussion um die Garnisonkirche läuft seit Jahren.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Aber braucht es dafür den Wiederaufbau der preußischen Garnisonkirche? Was interessiert einen jungen Pfarrer an diesem Ort? Er sei im Herbst gefragt worden, ob er die Stelle übernehmen will. „Mir ist bewusst, auf was ich mich einlasse“, sagt Kingreen, der 1988 in Oldenburg geboren wurde und dort aufwuchs. Als 1987 im sauerländischen Iserlohn das gestiftete Glockenspiel wieder hergestellt wurde, war der heutige Pfarrer noch nicht geboren.

Als die Diskussion um den Wiederaufbau begann, war er ein Kind. Er sei also völlig unbelastet, was die jahrelange Debatte angeht. Und er halte Kontroversen aus, das habe er in der Gemeinde des Berliner Doms, in der er bisher als Geschäftsführer tätig war, gelernt.

Alle sind willkommen

Kingreen wirbt für die Garnisonkirche als Mahnmal und als Lernort der Demokratie. Gleichzeitig könnten neue Angebote einer Citykirche geschaffen werden - nicht in Konkurrenz zu den bestehenden Gemeinden, sondern als Ergänzung. „Bei mir sind alle eingeladen“, sagt der Pfarrer. „Der Ort hat auch ein gigantisches Potenzial für Bildungsarbeit, die ins heutige Jahrhundert passt.“ Als Pfarrer könne er zudem eine vermittelnde Position im Streit zwischen den vielen Akteuren um den weiteren Aufbau einnehmen.

„Der Turm steht ja nun“, sagt er. Über das künftige Kirchenschiff müsse diskutiert werden. Kingreen wirbt für die Machbarkeitsstudie, deren erste Stufe ein moderierter Prozess sei. Erst danach könne es Entwürfe für ein künftiges Gebäude geben. Kingreen kann sich einen Raum vorstellen, der für Gottesdienste, für Veranstaltungen, als Ort der Demokratie und als Sitzungssaal der Stadtverordneten genutzt wird.

Gerade diese Möglichkeit zu gestalten, etwas Neues zu schaffen, reize ihn an der Stelle, die seit dem Wechsel der früheren Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst 2021 vakant war. „Ich trete nicht an, das Kirchenschiff aufzubauen“, sagt Kingreen. Genauso wenig trete er an, das Rechenzentrum unverändert zu erhalten, ohne dass etwas Neues gebaut werden könne.

Die vielen Akteure machten die Situation herausfordernd. Umso wichtiger sei es, mit allen Seiten im Gespräch zu bleiben, so Kingreen. Nicht nachvollziehen könne er, dass sich die unterschiedlichen Gruppen oft bewusst falsch interpretieren würden.

„Innerhalb der nächsten 20, 30 Jahre steht hier wahrscheinlich noch kein Kirchenschiff“, ist sich Kingreen mit Blick auf die anhaltende Diskussion sicher. „Die Generation nach mir wird diesen Ort weiter entwickeln. Und das ist völlig okay.“ Er werde dann nicht mehr Pfarrer der Garnisonkirche sein. Es sei grundsätzlich gut, ein Pfarramt alle zehn Jahre zu wechseln. In seiner Zeit als Pfarrer würde er sich gern auf den Inhalt der Nagelkreuzkapelle und die Ausstellung im Turm konzentrieren, auf Friedensarbeit, auf Aspekte der Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten des Krieges in Europa, so Kingreen.

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