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Das Urteil im Fall um Ricardo H. soll im Dezember fallen.

© dpa

Prozess: Babymord: Tabletten im Alltag präsent

Prozess beleuchtet Tablettensucht des Angeklagten. 37-Jähriger soll Kleinkind Medikamentencocktail verabreicht haben.

Potsdam - Medikamente, unter anderem Morphium, spielten im Alltag des Angeklagten Ricardo H. scheinbar eine prägende Rolle. Das machten verschiedene Zeugenaussagen am gestrigen Donnerstag, dem sechsten Verhandlungstag des Babymord-Prozesses vor der großen Strafkammer am Landgericht Potsdam, deutlich. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, den eineinhalbjährigen Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin 2014 in ihrer Wohnung am Schlaatz in Brei und süßem Tee einen Medikamentencocktail verabreicht zu haben und das Kind damit getötet zu haben – um ruhig schlafen zu können.

So hatte der Angeklagte einer Kriminalbeamtin am Tag seiner Festnahme im September 2014 in einer ersten Vernehmung seinen Medikamentenkonsum erläutert. Ricardo H. litt an chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung, auch seit einer Operation vor knapp zehn Jahren brauchte er regelmäßig starke Schmerzmittel. Dazu kamen Schlafmittel sowie Insulin wegen Diabetes. Auch während der Vernehmung verlangte der Angeklagte damals mehrmals nach Tabletten.

Medikamente von drei verschiedenen Ärzten

In seiner Wohnung wurde zudem Rauschgift gefunden. Seine Ex-Freundin, die Mutter des Kindes, sagte damals in ihrer Vernehmung durch eine Kriminalbeamtin aus, er habe drei verschiedene Ärzte, die nichts voneinander wüssten. Die Polizistin zitierte aus der Aussage der Mutter, eine Packung Morphium-Tabletten, die für drei Wochen reichen sollte, sei nach einer Woche leer gewesen. Der Medikamentenkonsum war nach Aussagen beider Partner auch regelmäßig Grund für Streit.

In ihren ersten Vernehmungen, als noch beide unter Verdacht standen, leugneten sie die Tat. Der Angeklagte sagte damals, er könne sich nicht erklären, wie das Kind an die Medikamente gekommen sei. Die Mutter sagte, sie habe dem Kind nichts gegeben, die Medikamente seien von Ricardo H. Drei Medikamente waren laut toxikologischem Befund in der exhumierten Leiche des Kindes gefunden worden.

„Jetzt wissen wir, warum er gestorben ist“, habe die Mutter den Beamten gegenüber gesagt. Auch in ihrer Zeugenaussage vor Gericht an einem früheren Verhandlungstag hatte die Frau, die als Nebenklägerin auftritt, ihren damaligen Lebensgefährten belastet. Gemerkt habe sie aber nichts von der Medikamentengabe. Immer wieder betonte sie in ihren Aussagen, genau wie Ricardo H., er habe das Kind geliebt wie sein eigenes.

Mehrere Stunden mit dem Kind allein

Am Tattag war der Angeklagte mehrere Stunden mit dem Kleinkind allein. Die Mutter war mit einem Nachbarn in Berlin. Widersprüchliche Angaben machten beide darüber, wer den Jungen am Abend fütterte. Die Mutter sagte aus, H. habe ihm den Abendbrei gegeben. Er dagegen war sich nicht sicher, vermutete aber, dass sie es gewesen sei, da der Kleine zuletzt sehr auf die Mutter fixiert gewesen sei. Nach dem Essen wurde der Kleine zu Bett gebracht, am späteren Abend schauten beide noch einmal nach. Die Mutter ging zu Bett. Als der Angeklagte später erneut in das Zimmer ging, atmete das Kind nicht mehr. Alle Versuche, es zu reanimieren, schlugen fehl.

Am Montag wird der Prozess fortgesetzt, ein Urteil wird Mitte Dezember erwartet.

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