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Mit der Auseinandersetzung in der Baubehörde in Potsdam beschäftigt sich jetzt die Staatsanwalschaft.

© David Ebener/dpa

Prozess um getötetes Kleinkind: Giftmord: Anwalt warnt vor Vorverurteilung

Polizei und Notärzte erkannten bei totem Kleinkind zunächst keine Fremdeinwirkung

Potsdam - Trockener Alkoholiker, medikamentenabhängig, vorbestraft und vielleicht mit einer Neigung zum Lügen: Das Bild, das der Verteidiger Christoph Balke von seinem Mandanten Ricardo H. zeichnet, sei zwar nicht „idealtypisch“, wie er es am zweiten Tag des Mordprozesses am gestrigen Donnerstag ausdrückte. Trotzdem appellierte Anwalt Balke an die große Strafkammer des Landgerichts Potsdam, den Angeklagten nicht vorzuverurteilen. Der 37-Jährige ist angeklagt, den anderthalbjährigen Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin im März 2014 in der gemeinsamen Wohnung am Schlaatz mit einem im Brei gelösten Medikamentenmix getötet zu haben, um in Ruhe schlafen zu können. Laut Anklageschrift soll er vorsätzlich, heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt haben.

Anwalt Balke sagte, ihn treibe der Zweifel an, ob sein Mandant „dieses fürchterliche Verbrechen wirklich begangen hat“. Der Polizei gegenüber hatte Ricardo H. laut Gerichtssprecher Sascha Beck ausgesagt, er wisse nicht, wie das Kind an die Medikamente, die ihm selbst verschrieben worden waren, gekommen sei. Sein Anwalt sagte nun, dass zwar nur kleiner Täterkreis der in Betracht komme – in der Wohnung befanden sich an dem Abend neben dem Kleinkind nur die Mutter und ihr Partner. Aber: „Es kann auch eine Tat der Mutter sein, eine gemeinschaftliche Tat oder eine fahrlässige Tötung“, so Anwalt Balke. Ricardo H. selbst sagte nicht aus.

Laut Untersuchung war das Kleinkind an drei Medikamenten gestorben

Aus den gestrigen Aussagen der Polizisten, die damals vor Ort im Einsatz waren, ergibt sich ein Bild des Abends: Um 23.30 Uhr wählte die Mutter hysterisch, wie es im Protokoll heißt, den Notruf. Als der Rettungsdienst eintraf, stand die Frau auf der Straße und schrie. Rettungssanitäter und Notarzt versuchten dann oben in der Wohnung 40 Minuten lang, den kleinen Jungen, der leblos in seinem Zimmer lag, zu reanimieren – ohne Erfolg.

Der leitende Kriminalbeamte sagte aus, es habe keine Anzeichen für Fremdeinwirkung gegeben. Das deckt sich mit der Einschätzung des Notarztes, der als Todesursache auf dem Totenschein „plötzlichen Kindstod“ vermerkte. Auch der Arzt, der die Leichenschau vor Ort vornahm, konnte an dem Leichnam keine Spuren von äußerlicher Gewalt feststellen. Die Staatsanwaltschaft ordnete schließlich auf Verdacht eine Exhumierung an. Eine Untersuchung ergab, dass das Kind an einer Vergiftung durch drei Medikamente starb.

Keine Anzeichen für eine versuchte Wiederbelebung 

Die Mutter und der Angeklagte schilderten den nach den Notärzten eingetroffenen Polizeibeamten, beide unter Tränen, sie hätten das Kleinkind gegen 19 Uhr ins Bett gebracht. Zuvor hätten sie ihm noch Kinderhustensaft gegeben. Der Junge, als Frühchen zur Welt gekommen, hatte chronische Bronchitis, hustete stark und hatte sich am Nachmittag erbrochen. Die Mutter sei um 22 Uhr schlafen gegangen, zuvor habe sie noch einmal nach dem Sohn geschaut, er habe röchelnd geatmet, so die Aussagen gegenüber den Polizisten.

Der Angeklagte habe nach eigenen Angaben noch Fernsehen geschaut und sei auf der Couch eingeschlafen. Am späten Abend wachte er auf, wollte ins Bett gehen und vorher noch nach dem kleinen Jungen schauen. Doch dieser habe nicht mehr geatmet. Der Angeklagte sagte mehreren Beamten gegenüber am Abend des Geschehens aus, dass er den Jungen daraufhin aus dem Bett hob, daneben auf den Boden legte und nach der Mutter rief. Er habe dann versucht, das Kind zu reanimieren, dabei habe es sich erbrochen.

Für eine versuchte Wiederbelebung seitens des Angeklagten sahen der Notarzt und die Rettungssanitäter allerdings keine Anzeichen, wie sie dem Gericht sagten. Laut Notarzt deuteten aber die Pupillen des Jungen darauf hin, dass sein Herz erst kurz vorher aufgehört hatte zu schlagen.

Neben dem Mord an dem kleinen Jungen wird Ricardo H. auch vorgeworfen, durch den Besitz von Amphetaminen gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben und ohne Führerschein gefahren zu sein. Diese beiden Strafbestände räumte der Angeklagte ein.

Der Prozess ist auf insgesamt 12 Verhandlungstage angesetzt. Er wird am 2. November fortgesetzt, dann soll die Mutter als Zeugin aussagen. 

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