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Giftmord-Prozess in Potsdam: Giftmord an Kleinkind: Mutter sagt gegen Stiefvater ihres Sohnes aus

Im Prozess um den Giftmord an einem Kleinkind am Potsdamer Landgericht hat die Mutter gegen angeklagten Stiefvater ihres Sohnes ausgesagt.

Schlaatz - Die Mutter eines mutmaßlich durch Tabletten getöteten Kleinkindes hat ihren einstigen Lebensgefährten vor Gericht belastet. Dieser habe kurz nach dem Tod des Kindes zu ihr gesagt, nun könnten die beiden ihr Leben alleine genießen. „Ich habe bei ihm keine große Trauer wahrnehmen können“, sagte die inzwischen in Berlin lebende Friederike B. am Donnerstag als Zeugin im Landgericht. Zudem habe ihr früherer Partner den Sohn am Abend vor dessen Tod gefüttert.

Dem 37-Jährigen wird Mord vorgeworfen. Ricardo H. soll laut Anklage der Staatsanwaltschaft am Abend des 29. März 2014 dem eineinhalbjährigen Jungen einen Medikamentencocktail verabreicht haben, um ihn zu töten und selbst ruhig schlafen zu können. Der Angeklagte soll den bitteren Geschmack der Medikamente überdeckt haben, indem er sie in süßem Tee oder Babybrei aufgelöst habe. Der Junge starb laut Anklage am späten Abend an einer Vergiftung. Der Angeklagte bestreitet den Mordvorwurf, hat sich im Prozess aber noch nicht erklärt.

Vergiftung war offenbar erst nach der Exhuminierung entdeckt worden

Dennoch gibt es schon jetzt Widersprüche zu seinen Angaben an anderer Stelle: Der Polizei hatte er laut Gericht gesagt, er wisse nicht, wie das Kind an die Medikamente, die ihm selbst verschrieben worden waren, gekommen sei. Eine Ex-Freundin, mit der H. nach dem Tod des Kindes für einige Woche zusammenkam, erzählte hingegen vor Gericht eine andere Version: Er habe ihr gesagt, das Kind müsse die Tabletten wohl aus einem Nachtschränkchen genommen haben. Allerdings sagte die 30 Jahre alte Mutter vor Gericht, die Medikamente seien in einem abschließbaren Schrank im Schlafzimmer gelagert gewesen – der auf Erwachsenen-Kopfhöhe befestigt war. Auch in anderer Hinsicht gab es Widersprüche: Die Ex-Freundin sagte, H. habe ihr erzählt, nach der Arbeit nach Hause gekommen zu sein und den bereits bewusstlosen Jungen im Bett gefunden zu haben. Die Mutter schilderte hingegen, am Todesabend ihres Sohnes sei sie mit dem Stiefvater in der gemeinsamen Wohnung gewesen, sie hätten zu Abend gegessen und sie sei später allein ins Bett gegangen, H. habe noch ferngesehen. Dann habe H. gegen 22.30 Uhr Alarm geschlagen.

Erst nach einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Exhumierung des Jungen war die offenbar über einen längeren Zeitraum vorgenommene Vergiftung entdeckt worden. Die Mutter hatte davon nach eigener Aussage aber nichts mitbekommen – als sie die Staatsanwaltschaft mit der Tatsache konfrontiert habe, sei sie „aus allen Wolken gefallen“. Hätte sie vorher mitbekommen, dass H. ihrem Sohn Medikamente gibt, hätte sie ihn sofort aus der gemeinsamen Wohnung am Schlaatz geworfen. Doch dafür gab es keine Anzeichen: Auf Nachfrage sagte die Verwaltungsangestellte, dass sie nie Rückstände von zerdrückten Tabletten gefunden habe. Nach dem Tod des Sohnes habe sie aber noch einige Schmerz- und Schlaftabletten unter dem Kinderbett entdeckt. Auch anderen fiel vorher nichts Ungewöhnliches auf, wie etwa die Ärztin des Kindes oder Kita-Angestellte sagten: Der Junge, der als Frühchen unter einer chronischen Bronchitis litt und für Krankheiten anfällig war, sei eben etwas entwicklungsverzögert gewesen und habe noch Hilfe beim Essen benötigt.

„Er war sehr eifersüchtig“

Konfliktfrei war die wenige Monate nach der Geburt über ein Internetportal zustande gekommene Beziehung zu dem Angeklagten sicherlich nicht. Neben einer Diabetes habe der ehemalige Alkoholiker und starke Raucher immer wieder über Schmerzen geklagt, die er unter anderem mit Morphium bekämpfte. Zudem hätte er Schlafmittel genommen, die gerade in den Morgenstunden zu Antriebsschwäche geführt hätten. Sie habe ihn schließlich zu einer Therapie gedrängt. Ebenso berichtete die Mutter von finanziellen Problemen ihres Partners, der mehrere Inkasso-Schreiben wegen nicht bezahlter Rechnungen vor ihr versteckt habe. Die andere Ex-Freundin wiederum sagte, H. lüge und betrüge, um Menschen auszunutzen. Sie habe ihm einmal mit 800 Euro ausgeholfen – nach der Übergabe habe er sich nicht mehr gemeldet.

Auch die Beziehung des angeklagten Stiefvaters zu dem Kind wurde beschrieben. Die Mutter schilderte, dass H. versucht habe, den leiblichen Vater des Kindes, der es jedes zweite Wochenende zu sich nahm, aus der Familie zu drängen: „Er war sehr eifersüchtig.“ Ihr Sohn habe immer „Papa“ zu ihm sagen sollen. H. habe ihn aber auch umsorgt und oft gefüttert. Die Diskrepanz zwischen dieser umsorgenden Art und des gefühlskalten Auftretens nach dem Tod könne sie sich nicht erklären, sagte die Mutter, der während der Aussage mehrfach die Tränen kamen. Zudem habe H. sie nach dem Tod mit Mails und Anrufen „bombardiert“ – nach dem Motto: „Wir waren es nicht.“ Nach der dann alsbald erfolgten Trennung habe er sie gestalkt, einmal sie sogar mit einem Auto angefahren, auch mit Suizid gedroht.

Blaue Flecke und Kratzer unbekannter Herkunft

Über einige Auffälligkeiten bei dem Jungen berichteten Kai S., der leibliche Vater des toten Kindes, sowie dessen heutige Frau. Diese sagte: „Wir haben uns immer gefragt, was wir falsch machen, weil das Kind bei uns nicht durchschläft.“ Die Mutter dagegen erklärte, der vestorbene Junge sei oft müde gewesen, habe an seinem Todestag sogar von morgens an bis zur Mittagszeit noch einmal geschlafen. Vater S. erwähnte weiter diverse blaue Flecke und Kratzer unbekannter Herkunft – was die Mutter mit vielen Stürzen des Jungen begründete. Zudem berichtete S. von einer schwereren Brandverletzung an der Hand seines Sohnes. Zu dieser sagte die Mutter, H. habe von einem Unfall mit einer an der Wand befestigten Heizlampe gesprochen.

Kai S. dagegen sagte: „Für mich kann das kein Versehen gewesen sein.“ Zudem habe sein Sohn mit der Zeit panische Angst vor Wasser entwickelt, warum auch immer. Von der Medikamentenabhängigkeit von H. habe er nichts gewusst. In einem war sich Kai S. aber sicher: Seiner Ex-Lebensgefährtin, die zwischenzeitlich auch als Beschuldigte galt, traue er die Tat nicht zu: „Sie hat sich zu gut gekümmert.“

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