zum Hauptinhalt
Pfarrer Gottfried Kunzendorf zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2010. Bis ins hohe Alter engagierte er sich für den Bornstedter Friedhof.

© MANFRED THOMAS TSP

Abschied von Gottfried Kunzendorf: Früherer Bornstedter Pfarrer wird beerdigt

Gottfried Kunzendorf setzte sich seit DDR-Zeiten für die Erinnerung an die Attentäter des 20. Juli 1944 ein. Am Mittwoch wird er in Bornstedt beerdigt.

Als er im Sommer 1975 nach Potsdam zog, war er gewarnt. „Bereits beim ersten Erkunden Bornstedts wies mein Vorgänger Superintendent Willi Hanke auf die ‘gesamtdeutsche’ Bedeutung des Bornstedter Friedhofs hin, der an den jeweiligen Pfarrer einige Anforderungen stellt“, erinnerte sich Gottfried Kunzendorf im Buch „Bornstedt, Friedhof, Kirche“.

Pfarrer Kunzendorf war es, der mit Unterstützung der städtischen Denkmalpflege, der Schlösserstiftung und seiner Gemeinde die Restaurierung des Bornstedter Friedhofs schon zu DDR-Zeiten vorantrieb. Und wenn wir mit dem Ort heute nicht nur die Namen vieler Hofbeamter und Hofgärtner von Sanssouci verbinden, sondern auch die Erinnerung an den militärischen Widerstand gegen Hitler, dann ist das ebenfalls ihm zu verdanken. Am 13. September ist der Bundesverdienstkreuzträger mit 92 Jahren auf Hermannswerder gestorben, wie die Gemeinde mitteilte. Am heutigen Mittwoch wird er in Bornstedt beerdigt.

Kindheit von Krieg und doppelter Flucht geprägt

„Ich wurde an Silvester geboren, deswegen kann ich immer sagen, ich habe dieses Jahr nochmal Geburtstag“, hat Gottfried Kunzendorf vor sechs Jahren gesagt. Schon da war er hochbetagt. Sein Zimmer im Seniorenheim der Hoffbauer-Stiftung glich einer Bibliothek. Sein unerschöpfliches geschichtliches Wissen gab er noch in Vorträgen an andere Mitbewohner weiter.

Geboren wurde Gottfried Kunzendorf 1930 als Pfarrerssohn in Berlin-Lichtenberg. Zweimal musste die Familie fliehen: Aus Berlin erst nach Schlesien ins heute polnische Zielona Gora, dann in die westfälische Provinz. Dort nutzte er nach Kriegsende seine Sprachkenntnisse aus der Schule, um für die Engländer zu dolmetschen. Die Zigaretten, die er dafür bekam, tauschte er gegen Kartoffeln und Gemüse. „Da hatten wir in den ersten schwierigen Monaten wenigstens was zu essen.“

Im September 2021 wurde Gottfried Kunzendorf (2.v.r.) neben Andreas Dresen (l.), Marie-Luise Glahr und Uwe-Karsten Heye mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Im September 2021 wurde Gottfried Kunzendorf (2.v.r.) neben Andreas Dresen (l.), Marie-Luise Glahr und Uwe-Karsten Heye mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

© MANFRED THOMAS TSP

Zurück in Berlin machte Kunzendorf im Westteil sein Abitur, richtete sich auf eine Tischlerlehre ein und wurde dann doch an der Humboldt-Universität im Ostteil zum Studium zugelassen. Zwischen den beiden Pfarrexamen half er, die Rappbode-Talsperre im Harz zu errichten. 1957 heiratete er seine Frau Christel.

Die Gemeinden Bornstedt und Eiche waren nach Luckau und Brandenburg-Görden Kunzendorfs dritte Pfarrstelle. Er wirkte hier bis zu seiner Pensionierung 1992. „In seiner Zeit als Gemeindepfarrer war er sehr mit der Jugend verbunden und hat viele geprägt“, schreiben Florian Kohlrusch-Link vom Gemeindekirchenrat Eiche, Wolfgang Mairhofer vom Gemeindekirchenrat Bornstedt und Pfarrer Friedhelm Wizisla in ihrem Nachruf. Sie erinnern auch an den Kontakt zu Partnergemeinden im Badischen, in den Niederlanden und in England, die er gepflegt hat.

Diese erschütternden Schicksale ließen mich nicht mehr los.

Gottfried Kunzendorf deckte mehrere Verbindungen der Attentäter vom 20. Juli 1944 zu Bornstedt auf.

Zu einer Herzensangelegenheit wurde für Kunzendorf der Bornstedter Friedhof. „Seine Friedhofsführungen, die er auch noch Jahre nach seinem Eintritt in den Ruhestand regelmäßig anbot, waren legendär“, heißt es im Nachruf der Gemeinde.

Es war ein entscheidender Moment in seinem Leben, als er auf dem Friedhof das Grab Kurt von Plettenbergs, einer der Verschwörer vom Hitler-Attentat am 20. Juli 1944, entdeckt. Das Holzkreuz war völlig verwittert. „Sein Schicksal war mir seit Jahren bekannt, weil ein Freund Fabian von Schlabrendorffs Buch ‘Offiziere gegen Hitler’ durch die Zollkontrolle brachte“, erzählte Kunzendorf später. Plettenberg hatte sich in Gestapo-Haft auf dem Weg zum Verhör aus dem Fenster gestürzt, um die Namen weiterer Verbündeter nicht preiszugeben.

Mehrere Verbindungen von Bornstedt zum NS-Widerstand

Der Pfarrer entdeckte noch weitere Verbindungen zu entscheidenden Personen des 20. Juli: Henning von Tresckow wurde 1926 mit seiner Frau Erika in Bornstedt getraut. Tresckows Leichnam war in Sachsenhausen verbrannt worden – weil Hitler den Widerstandskämpfern kein Grab gönnte. „Diese erschütternden Schicksale ließen mich nicht mehr los“, erinnerte sich Kunzendorf später.

Als er 1980 zum ersten Mal nach Westdeutschland reisen durfte, zum 80. Geburtstag seines Vaters, nahm er Kontakt zu Plettenbergs Sohn auf und lud ihn ein, bei einer Gedenkstunde in Bornstedt zu sprechen. Die erste solche Veranstaltung fand 1984 statt. Die Bornstedter Gedenkstunden zum 20. Juli, argwöhnisch beäugt auch von der DDR-Staatssicherheit, wurden zu einer Tradition. Kunzendorf konnte noch zu DDR-Zeiten unter anderem Friedrich-Wilhelm von Sell, Sibylle Niemöller und Emmi Bonhoeffer gewinnen.

Der Bornstedter Pfarrer machte Potsdamer Lebenswege sichtbar, die einen Kontrast bilden zur breiten Begeisterung für Hitler am „Tag von Potsdam“ und der militaristischen Tradition Preußens - ohne diese in Abrede zu stellen. Das Ziel seiner Bemühungen fasste er einmal so zusammen: „Dem Vergessen zu wehren und dem Unrecht und der Unmenschlichkeit auch künftig zu widerstehen.“

Hinweis: Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes war irrtümlich zuerst auf 2022 datiert - richtig ist der 24. September 2021. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false