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Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule Wörter an eine Tafel.

© dpa / dpa / Sebastian Gollnow

Update

Land ohne Lehrer: Zum Schuljahresstart fehlen in Brandenburg fast 500 Pädagogen

Erstmals kann das Land zu Beginn eines Schuljahres nicht alle Lehrerstellen besetzen. Der Fachunterricht sei dennoch abgesichert, verspricht Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD).

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Die düsteren Prognosen haben sich bestätigt: Trotz Einstellungsrekord fehlen im Land Brandenburg erstmals zum Schuljahresstart Lehrer - und das in einer dreistelligen Größenordnung. Bislang sind Stand 14. August rund 460 Vollzeitstellen nicht besetzt. 499 Stellenangebote waren am Donnerstagmorgen noch offen.

Das gab Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Potsdam bekannt. „Die Stundentafel ist dennoch abgesichert“, so Freiberg, Pflichtunterricht könne überall erteilt werden. Förderunterricht, Zusatzkurse oder Ganztagsangebote müssten aber an einigen Schulen vorübergehend ausgesetzt werden, damit die vorhandenen Pädagogen die Fachstunden abdecken können. 

Steffen Freiberg (SPD), Bildungsminister von Brandenburg, sprach in einer Pressekonferenz zu Journalisten über die Situation der Schulen in Brandenburg.
Steffen Freiberg (SPD), Bildungsminister von Brandenburg, sprach in einer Pressekonferenz zu Journalisten über die Situation der Schulen in Brandenburg.

© picture alliance/dpa/Michael Bahlo

Auch werde an vielen Schulen die festgelegte Schülerzahl pro Klasse ausgereizt, in Einzelfälle auch überschritten. In Grundschulklassen sind 23, an Gymnasien 27 Schüler der Richtwert, mehr als 28 Schüler sollten an keiner Schulform zusammen unterrichtet werden. Eine generelle Erhöhung der Klassenfrequenz sei aber nicht geplant.

Eine Anhebung der Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde wie in Sachsen-Anhalt lehnte Freiberg ebenfalls ab. „Das verpflichtend anzuordnen, ist nicht mein Weg, denn diese Stunde fehlt dann ja bei den anderen Aufgaben der Lehrer“, meinte er.

In berlinfernen Regionen Bedarf am größten

„Wir suchen, wie alle Bundesländer auch, jeden Tag weiter Lehrkräfte. Heute, morgen, übermorgen“, so Freiberg. Der sich seit langem abzeichnende Lehrermangel sei derzeit „eine der größten Herausforderung für das Schulsystem, das Ministerium und die Landesregierung insgesamt“. Fortlaufend über das ganze Jahr würden wie immer weiter neue Lehrkräfte eingestellt. „Das ist ein atmendes System“, betonte auch die verantwortliche Abteilungsleiterin im Ministerium, Regina Schäfer.

Zum Start des Schuljahres fehlten vor allem an Oberschulen im Schulamtsbezirk Frankfurt (Oder), zu dem neben der kreisfreien Stadt Frankfurt auch die berlinferneren Landkreise Uckermark, Märkisch-Oderland und Oder-Spree sowie Barnim gehören, Lehrkräfte. Aber auch in anderen Regionen und Schulformen, vor allem auch Grundschulen, würden noch Lehrer gesucht.

499
Stellenangebote für Lehrer sind aktuell noch offen

Der Grund für den Mangel liegt unter anderem an der gestiegenen Schülerzahl. Für rund 318.000 Schülerinnen und Schüler in Brandenburg beginnt am Montag der Unterricht nach den Sommerferien - das sind 8000 mehr als im vergangenen Schuljahr. Durch einen Geburtenanstieg, aber auch durch aus der Ukraine geflüchtete Kinder hat sich die Gesamtschülerzahl erhöht.

Rund 6050 ukrainische Schülerinnen und Schülern waren vor den Ferien an Brandenburgs Schulen gemeldet, die aktuellen Zahlen werden zu Schuljahresbeginn erhoben. Auf der anderen Seite haben viele Lehrer das Rentenalter erreicht. „Der demografische Wandel und der zunehmende Bedarf an Fach- und Arbeitskräften in ganz Deutschland schlägt sich auch auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt nieder“, so Minister Freiberg.

Immer mehr Seiteneinsteiger

Insgesamt seien 1900 Stellen neu zu besetzen gewesen, darunter 300 für den Unterricht mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Rund 1380 Stellen sind inzwischen unbefristet besetzt. Für gut 130 weitere Vollzeitstellen gebe es mit Stand Mitte August zudem verbindliche Zusagen. Ohne Seiteneinsteiger geht schon lange nichts mehr im Schulsystem, ihre Zahl hat sich weiter erhöht. Unter den 1380 unbefristet eingestellt Lehrkräften sind 490 Quereinsteiger ohne Lehramtsstudium, das entspricht einem Anteil von 36,6 Prozent, ein Jahr zuvor waren es 30,1.

Hinzu kommen 1336 befristet eingestellte Lehrkräfte, von denen 926 Seiteneinsteiger sind. Der Anteil der Lehrer, die vorher andere Berufe ausgeübt haben, steigt damit insgesamt immer mehr: Von den insgesamt 21.600 Pädagogen an Brandenburgs Schulen haben 18 Prozent keine grundständige Lehrerausbildung vorzuweisen. Im Vorjahr waren es nur 15,4 Prozent.

Mehr Personal für die Schulämter

Um dem Lehrermangel gerade im ländlichen Raum langfristig zu begegnen, soll in Neuruppin ein Studienseminar für angehende Lehrkräfte eingerichtet werden. Zudem soll 2025 in der Stadt eine Regionalstelle für die Lehrer-Weiterbildung entstehen. „Wir gehen davon aus, dass einige, die ihre Ausbildung im Landkreis Ostprignitz-Ruppin absolvieren, nach ihrem Abschluss auch in der Region bleiben“, so Freiberg. Außerdem werden die vier staatlichen Schulämter in Brandenburg/Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Neuruppin mehr Personal bekommen, um Bewerber schneller betreuen zu können.

Die bildungspolitische Sprecherin der oppositionellen Linksfraktion, Kathrin Dannenberg, warf Freiberg, der nach dem Rücktritt von Britta Ernst (SPD) im April vom Staatssekretär zum Minister aufgestiegen war, vor, keine konkreten Maßnahmen zu präsentieren, um den Lehrermangel auch kurzfristiger anzugehen. Ein Vorschlag der Linken, der sehr jenem ähnelt, der zu Ernst Rücktritt führte: Unbesetzte Lehrerstellen sollten umgewidmet werden, etwa für Schulsozialarbeiter.

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