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ARCHIV - 19.09.2015, Baden-Württemberg, Riedlingen: Hetzparolen und Hakenkreuze sind an der Wand einer Notunterkunft für Flüchtlinge, von unbekannten Tätern aufgepinselt worden. (zu dpa: «Deutlich weniger antisemitische Straftaten" vom 08.07.2018) Foto: Thomas Warnack/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/Thomas Warnack

Vor allem wegen Demos gegen Corona-Maßnahmen: Politisch motivierte Kriminalität in Brandenburg wächst

Gerade rechte Straftaten und Antisemitismus nehmen in Brandenburg zu. Behörden und Fachleute sind alarmiert.

Wegen der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen hat die politisch motivierte Kriminalität in Brandenburg im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. „Allein im ersten Quartal des letzten Jahres hatte die Polizei über 1400 Versammlungslagen zu bewältigen, wovon der überwiegende Teil nicht angemeldet war, und somit eine Strafanzeige zur Folge hatte“, sagte Polizeipräsident Oliver Stepien am Donnerstag. Zusammen mit Innenminister Michael Stübgen (CDU) stellte er vor Journalisten in Potsdam die jährliche Statistik zur politisch motivierten Kriminalität vor.

Demnach zählte Brandenburgs Polizei im vergangenen Jahr insgesamt 4384 politisch motivierte Straftaten. Das waren 20 Prozent mehr als 2021. Davon zählten 2024 Fälle zur rechten Kriminalität und 232 Fälle zur politisch links motivierten Kriminalität. In 89 Fällen gab es einen ausländischen Hintergrund – etwa wenn das verbotene russische „Z“-Zeichen zur Unterstützung des Angriffs auf die Ukraine gezeigt wurde –, in 25 Fällen einen religiös motivierten Hintergrund.

In 1992 Fällen wurden die Straftaten im Bereich „PMK – nicht einzuordnen“ klassifiziert. In insgesamt 300 Fällen handelte es sich um Gewaltdelikte. Stübgen zufolge entfielen auf diesen Bereich auch die meisten Straftaten am Rande von Corona-Demos. „Es gibt Privatmeinungen, die sagen, dass alle, die gegen Covid-Maßnahmen demonstriert haben, rechts sind“, sagte Stübgen. „Das ist nach polizeilichen Erkenntnissen aber nicht richtig.“

Kriminalität von rechts größtes Problem

Stübgen betonte allerdings, dass die Zahl der nicht angemeldeten Demonstrationen in Brandenburg in diesem Jahr deutlich zurückgegangen sei. Deswegen sei zu vermuten, dass sich die Zahl der Straftaten in diesem Bereich 2023 deutlich verringern werde. „Die politisch motivierte Kriminalität von rechts ist und bleibt daher der strukturell dominierende Phänomenbereich in Brandenburg.“ Sie wuchs im vergangenen Jahr um 233 Fälle, was einem Plus von 13 Prozent entspricht. Bei den Gewaltdelikten entfielen 90 auf den Bereich des Rechtsextremismus.

Die politisch motivierte Kriminalität von rechts ist und bleibt daher der strukturell dominierende Phänomenbereich in Brandenburg.

Michael Stübgen (CDU), Brandenburgs Innenminister

Einen neuen Höchststand gab es auch bei antisemitischen Straftaten: Sie stiegen von 150 im Jahr 2021 auf 195 im vergangenen Jahr. Stepien zufolge handelte es sich bei den antisemitischen Straftaten überwiegend um Hasspostings im Internet. Von drei Sachverhalten seien Menschen jüdischen Glaubens direkt betroffen gewesen. „Es kommt immer öfter zu Straftaten, wo das Wort Jude als Beleidigung benutzt wird, ohne dass irgendein Mensch jüdischen Glaubens beteiligt war“, sagte Stepien.

Die „Fachstelle Antisemitismus Brandenburg“ nannte die Zahlen besorgniserregend. Ein Anstieg antisemitischer Straftaten von 30 Prozent zeige „eindrucksvoll, dass weiterhin alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diesem Trend entgegenzuwirken“, hieß es in einer Mitteilung. Zudem werde abermals deutlich, dass das Internet und die sozialen Medien – als spezifische Tatorte antisemitischer Vorfälle und Straftaten – stärker in den Fokus genommen werden müssten.

Häufung deutschfeindlicher Straftaten in Cottbus

Stübgen und Stepien berichteten am Donnerstag auch von einer Häufung „deutschfeindlicher“ Straftaten in Cottbus. Dort hätten ausländische Jugendgruppen versucht, eine „Vormachtstellung gegenüber deutschen Jugendlichen“ zu bekommen, sagte Stepien. Von 103 „deutschfeindlichen“ Straftaten in Brandenburg habe es 78 in Cottbus gegeben, darunter 69 Gewaltdelikte.

„Aufgrund der Vorkommnisse bildete die Polizeidirektion Süd eine eigene Ermittlungsgruppe“, sagte Stepien. Neben „strafprozessualen Maßnahmen“ habe eine intensive Zusammenarbeit der Polizei mit dem Jugendamt, dem Schulamt, dem Ordnungsamt und der kommunalen Ausländerbehörde zu einem Rückgang der Straftaten geführt.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Anita Kirsten, erklärte, „der hohe Anstieg an demokratiefeindlichen Straftaten sowie die zwar langsam, aber stetig steigenden Zahlen der rechten Straftaten müssen ein Alarmsignal an die Politik sein.“ Die Zahlen verdeutlichten eine Stimmung in Teilen der Gesellschaft, die politische Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen könnten, sich aus dem politischen Diskurs ausklinkten und Demokratie und Rechtsstaat ablehnten. „Das ist erschreckend”, so Kirsten.

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