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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke versuchte den Befreiungsschlag.

© dpa

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke greift durch: Rausschmiss am Telefon

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) feuert Staatskanzleichef Rudolf Zeeb. Regierungssprecher Andreas Beese fliegt gleich mit. Und prompt dreht sich das Jobkarussell.

Potsdam - Fast sieben Wochen hatte das Rücktrittsgesuch auf seinem Schreibtisch gelegen, mit dem Staatskanzleichef Rudolf Zeeb nach einem Zerwürfnis mit Regierungschef Dietmar Woidke um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten hatte. Seitdem waren die Tage, die Wochen, die Monate vergangen, der Regierungschef hatte sich an der Ostsee erholt. Und dann ging es am Ende ganz schnell.

An diesem Dienstag steht Woidke vor der Blauen Wand in der Staatskanzlei, auf der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, und verkündet, dass der 56-jährige Zeeb seinen Posten räumen muss – Zeeb, der viele Jahre einer seiner engsten Vertrauten war. Und zwar sofort. „Ich habe ihn heute mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt“, sagt Woidke. Wann er mit Zeeb gesprochen habe, der noch im Urlaub ist, angeblich nächste Woche zurückerwartet wurde, wie Regierungssprecher Andreas Beese noch am Freitag erklärte? „Ich habe vor einer Stunde mit ihm telefoniert und über die Entscheidung informiert“, antwortet Woidke da. Zeebs Reaktion? „Er hat es zur Kenntnis genommen.“

Eine Rückkehr Zeebs sei unmöglich gewesen

Ein Rausschmiss am Telefon also, im Urlaub. Es ist eine Szene, die alles sagt, die mehr als alles andere illustriert, wie zerrüttet und belastet das Verhältnis der beiden Männer inzwischen gewesen sein muss. Woidke spricht von einem „gestörten Vertrauensverhältnis“, von Konflikten, und davon, dass mit dem Entlassungsgesuch Zeebs – manche hielten es für eine Spontanreaktion des als cholerisch geltenden Staatskanzleichefs und als versuchtes Druckmittel – eine Rückkehr ja sowieso unmöglich gewesen sei. Nein, das kann sich kein Regierungschef bieten lassen. Warum er trotzdem mit der Ablösung bis jetzt gewartet hat? Nun ja, das begründet Woidke mit persönlichen Abwägungen („keine Schnellschüsse“) und den Vorbereitungen der teilweise in Folge nötigen weiteren Personalien. „Es musste längere Zeit vorbereitet werden.“

Tatsächlich verkündet er dann eine Personalie nach der anderen, gleich fünf, ein Novum in der Regierungsgeschichte Brandenburgs. Neuer Staatskanzleichef wird Staatssekretär Thomas Kralinski, der bislang die Brandenburger Landesvertretung in Berlin leitet, bis 2015 Geschäftsführer der Landtagsfraktion und in der Regierungszeit des früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) einer seiner engeren SPD-Berater war.

Grenze überschritten: Auch Regierungssprecher Andreas Beese muss gehen

Das wiederum löst eine Kettenreaktion aus: Brandenburgs Vertreter beim Bund wird jetzt der bisherige Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt, der früher auch einmal SPD-Bundesgeschäftsführer war, der aus dem Urlaub in Venedig an einen neuen Arbeitsplatz zurückkommt. Neue Staatssekretärin im Wissenschaftsministerium wird Ulrike Gutheil, die bisherige Kanzlerin der Technischen Universität in Berlin und vorher in gleicher Funktion an der BTU in Cottbus. Sie sei eine ausgewiesene Wissenschaftsexpertin, sagte Woidke. Auf die Frage, ob Gutheil SPD-Mitglied sei, antwortete der Regierungschef: „Das weiß ich gar nicht.“

Und da ist Ex-Regierungssprecher Andreas Beese, der ebenfalls abgelöst wird, nur ein Jahr, nachdem Woidke ihn aus Sachsen holte. Auf der Pressekonferenz ist er schon nicht mehr dabei. Auch hier macht der Regierungschef keinen Hehl aus seiner Unzufriedenheit. Nach einigen Vorkommnissen in den letzten Wochen sei auch zu Beese das Vertrauensverhältnis gestört gewesen. Zwischen Politik und Medien sei gegenseitiger Respekt nötig. „Diese Grenze ist von Herrn Beese mehrfach überschritten worden.“

Beese warf PNN-Redakteur Fröhlich Menschenjagd vor

Damit spielte Woidke offensichtlich auch auf einen Facebook-Eintrag von Beese zur Dienstwagen-Affäre von Woidkes Ex-Büroleiter an. Darin hatte der Regierungssprecher PNN-Redakteur Alexander Fröhlich wegen dessen Berichterstattung über die Affäre „Menschenjagd“ vorgeworfen und gedroht, dies werde Konsequenzen haben. Auch in anderen Fällen beschwerte sich Beese über nicht genehme Veröffentlichungen. Nachfolger Beeses wird Florian Engels, der bislang Sprecher des Bildungsministeriums ist und als einer der professionellsten Sprecher in der Landesregierung gilt.

Freilich, da ist auch noch die Dienstwagen-Affäre um den früheren Leiter des Ministerpräsidenten-Büros – ein weiterer Posten, den Woidke bereits neu besetzen musste. Eine Affäre, die nicht ausgestanden ist. Mehrfach wird Woidke am Dienstag vor der Blauen Wand gefragt, welchen Anteil sie an seinen Entscheidungen hatte. „Das war irrelevant“, antwortet Woidke. Erst am Montag hatte sich nach Akteneinsicht der CDU-Opposition (PNN berichteten) der Verdacht erhärtet, dass der nun entlassene Zeeb im Zuge der Affäre das Parlament belogen und als früherer Innenstaatssekretär gegen strafrechtlich relevante Rechtsverstöße bei der Dienstwagennutzung durch den Woidke-Büroleiter nicht eingeschritten war. Die CDU macht weiter Druck. Zeeb habe, so reagiert der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jan Redmann, „im Namen der Landesregierung gesprochen, als er das Parlament belog“. Die Opposition sieht in Woidkes Personalien, in den Entlassungen den Versuch, „seine engsten Mitarbeiter für das miserable Erscheinungsbild der Landesregierung in den vergangenen Monaten verantwortlich“ zu machen und so „von seinen eigenen Versäumnissen abzulenken“. (mit dpa)

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