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Affäre um Regierung in Brandenburg: „Bitte wesentlich kürzen!“

Staatskanzleichef Rudolf Zeeb bat um Entlassung, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zögert. Doch nun wurde die Opposition fündig, dass Zeeb in der Dienstwagen-Affäre das Parlament belogen hat.

Potsdam - Die Antwort, die Rudolf Zeeb nun zum Verhängnis wird, die Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) weiter unter Druck setzt, fiel eineindeutig aus. Es war in der Sitzung des Landtages am 28. April 2016, in diesem Jahr. Nicht Woidke war damals ans Rednerpult gegangen, sondern Brandenburgs Staatskanzleichef, um bohrende Fragen der CDU-Opposition zu beantworten. Auslöser war ein Bericht der „Märkischen Oderzeitung“, wonach Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) den Dienstwagen von Woidkes Büroleiter Carsten Pranz auf dem Gelände der Staatskanzlei wegen festgestellter Verstöße hatte beschlagnahmen lassen. Es war ein knallroter Audi-Jeep, ein Kommandofahrzeug der Feuerwehr, das Pranz als ehrenamtlicher Vize-Landesbranddirektor Brandenburgs damals fuhr und regelmäßig in der Staatskanzlei parkte. Zeebs Antwort: „Sie haben unterstellt, dass es zu einer unrechtmäßigen Nutzung kam – das ist mir nicht bekannt.“

Es war ein Satz, „der glatt gelogen war“, wie nun Jan Redmann, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU- Landtagsfraktion am Montag erklärte. Er forderte Woidke umgehend auf, ein Disziplinarverfahren gegen Zeeb einzuleiten. Zuvor hatte er – vor Monaten beantragt – zusammen mit dem Abgeordneten Steeven Bretz im Innenministerium erstmals Einsicht in die Akten um den Pranz-Dienstwagen nehmen können. Ein Studium, bei dem die Opposition nun prompt fündig wurde. Die Vorgeschichte geht einige Jahre zurück: Brandenburgs Landesrechnungshof hatte im Sommer 2014 festgestellt, dass es bei der Nutzung von Dienstwagen durch die Landesfeuerwehrschule Verstöße gab. Betroffen waren auch die Fahrzeuge des Landesbranddirektors und seines Stellvertreters Prenz. Das zuständige Referat im Innenministerium war damals der Sache nachgegangen, hatte Verstöße festgestellt, und zwar strafrechtlich relevante. So heißt es in einem Vermerk aus dem Oktober 2014: Eine Nutzung der Dienstwagen, die nicht im Zusammenhang mit den Aufgaben als Landesbrandmeister bzw. Stellvertreter bestehe, sei „rechtswidrig“ und „lässt den Verdacht der Untreue“ entstehen. Die Ministeriellen hatten am 24. Oktober 2014 ein Schreiben entworfen („Dienstanweisung für den Landesbranddirektor und die stellvertretenden Landesbranddirektoren“), mit dem Vorschlag, dass die Ehrenamtler belehrt werden sollten, was bei der Nutzung der Feuerwehr-Führungsfahrzeuge zulässig war und was nicht.

Zeeb ließ das Hinweisschreiben drastisch kürzen

Es war die Zeit um die Landtagswahl 2014. Staatssekretär im Innenministerium war damals noch Zeeb, ehe er kurz darauf in die Staatskanzlei wechselte. Und wie die CDU-Parlamentarier nun herausfanden, war er – entgegen den Aussagen im Parlament – direkt und aktiv mit dem Vorgang befasst: Wie aus der elektronischen Akte hervorgeht, hat er diese am 30. Oktober 2014 um 17:39:57 Uhr „zur Kenntnis genommen“, Zeichnender „Zeeb Rudolf“, und zwar mit einer Anweisung: „1. siehe Kürzungsvorschläge (erläutere ich gerne mündlich“, wie es darin heißt. Oder an anderer Stelle: „Bitte wesentlich kürzen, Vorschläge im Änderungsmodus.“

Im Klartext: Der damalige Staatssekretär und heutige Chef der Staatskanzlei ließ das Hinweisschreiben drastisch kürzen, und just die Passagen zum Landesbranddirektor und seinem Vize fielen dieser Intervention zum Opfer. Die Praxis, dass der Büroleiter des Ministerpräsidenten teilweise mit dem Kommandofahrzeug der Feuerwehr zur Arbeit fuhr, wurde fortgesetzt. Ganz so, als hätten die Ministeriellen im Innenministerium keine Verstöße festgestellt. Und das alles noch bis zum Sommer 2016.

Schröter: Es gab bereits 2014 Hinweise auf Dienstwagen-Verstöße

Erst jüngst, vor wenigen Wochen, räumte Innenminister Schröter im Landtag ein, dass es schon 2014 erste Hinweise auf strafrechtlich relevante Verstöße bei der Dienstwagennutzung durch Pranz gegeben hatte. Auf Veranlassung des Innenministers nimmt inzwischen die Staatsanwaltschaft den Vorgang unter die Lupe, der Verdacht der Strafvereitelung steht im Raum. Zeeb war spätestens seit Oktober 2014 darüber informiert, dass die stellvertretenden Landesbranddirektoren, entgegen der damaligen Praxis, zur Nutzung von Kommandofahrzeugen der Feuerwehr nicht berechtigt waren, so Redmann. „Ihm war des Weiteren bekannt, dass auch Fahrten vom Wohn- zum Arbeitsort rechtswidrig waren und den Verdacht der Strafbarkeit begründen.“

Zeeb ist diese Woche noch im Urlaub. Er hatte vor einigen Wochen nach einem Streit mit Woidke – nach PNN-Recherchen ging es vor allem, aber nicht nur um die Polizeireform, um das Landespersonal – den Ministerpräsidenten um seine Entlassung gebeten. Ein Vorgang, nach dem es etwa der frühere Platzeck-Staatskanzleichef Clemens Appel für ausgeschlossen hält, dass Zeeb in seinem Amt bleiben kann, beide so weitermachen, als wäre nichts geschehen. Zwar hatte Regierungssprecher Andreas Beese am Freitag erklärt, dass der Konflikt damals ausgeräumt worden sei, Zeeb kommenden Montag regulär aus seinem Urlaub erwartet werde. Doch aufhorchen ließ schon da der Umstand, dass das Rücktrittsersuchen von Zeeb bisher nicht zurückgezogen worden, der formale Status von Zeeb „unklar“ sei, wie es hieß. Es ist nicht das erste Mal, das Zeeb in einem Konflikt mit dem Rücktritt droht, in mindestens einem Fall soll er dies auch gegenüber dem früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck schon einmal getan haben. Zu den aktuellen Turbulenzen um seinen Staatskanzleichef hat sich Ministerpräsident Dietmar Woidke bislang nicht geäußert. Auch am Montag, als die CDU nun Einblick in die Akten im Innenministerium nahm, schwieg Woidke zur Führungskrise in der Brandenburger Staatskanzlei. Regierungssprecher Andreas Beese erklärte lediglich: „Es gibt keinen neuen Stand.“ Noch nicht.

Update 23. August, 15 Uhr: 

Woidke räumt auf: Nach den Affären und Turbulenzen der vergangenen Tage müssen nach PNN-Informationen Staatssekretär Rudolf Zeeb und Regierungssprecher Andreas Beese gehen >>

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