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Jörg Müller, neuer Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg, spricht während der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung im Innenministerium.

© ZB / Soeren Stache

Potsdam im Visier von Putins Geheimdiensten : Neuer Brandenburger Verfassungsschutzbericht warnt vor Spionage und Rechtsextremismus

Größte Bedrohung für Brandenburg bleibt laut Verfassungsschutz der Rechtsextremismus – auf zweithöchstem Niveau seit 1990. Die Reichsbürgerszene radikalisiert sich weiter.

Brandenburg mit seiner Landeshauptstadt Potsdam rückt mit dem Ukraine-Krieg ins Visier von Putins Geheimdiensten. Im neuesten Verfassungsschutzbericht 2022 wird vor verstärkten russischen Spionageaktivitäten in Brandenburg gewarnt. „Ja, wir haben Belege. Ja, wir haben Beweise. Wir wissen, dass es gefährlich ist“, erklärte Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch bei der Vorstellung in Potsdam.

Details könnten nicht genannt werden, da es eine „Frage der nationalen Sicherheit“ sei. „Der Bundeskanzler und zwei Bundesministerinnen kommen aus Brandenburg. Sie haben hier ihre parteipolitisch-strukturellen Verankerungen“, sagte dazu Verfassungsschutzchef Jörg Müller. „Brandenburg nimmt damit im bundesweiten Vergleich eine Sonderrolle ein.“

Das gelte „insbesondere für den Raum Potsdam, wo sich ebenfalls sowohl das Präsidium der Bundespolizei als auch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr befinden“. Aus der Bundesregierung leben aktuell Kanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in Potsdam.

„Die größte Gefahr für Brandenburg bleibt weiter der Rechtsextremismus“, betonte Innenminister Michael Stübgen (CDU). Tatsächlich ist laut Bericht das rechtsextremistische Potenzial im Land aktuell auf 2855 Personen (plus 25) gestiegen, von denen 1216 (plus 15) als gewaltbereit gelten. „Insbesondere der Rechtsextremismus verharrt auf dem zweithöchsten Niveau in der Geschichte des Landes“, heißt es im Bericht. Der von dort „ersehnte Wut-Winter“ sei jedoch ausgeblieben, heißt es.

Rechtsextremistische Parteien haben in Brandenburg demnach 1080 Mitglieder (plus 35), wobei die Alternative für Deutschland (AfD) mit 820 Mitgliedern (plus 30) die führende Rolle in diesem Spektrum einnimmt. Da die Partei ein „Verdachtsfall“ sei, habe der Verfassungsschutz nicht alle AfD-Mitglieder als Rechtsextremisten eingestuft. Der AfD-Landesverband hat nach eigenen Angaben 1404 Mitglieder.

Die NPD zählt laut Bericht 200 Mitglieder (minus 10), der neonationalsozialistische „Dritte Weg“ 60 Mitglieder (plus 15). Die AfD, die unter ihrem früheren Vorsitzenden Andreas Kalbitz selbst innerhalb der Bundespartei einen Rechtsaußenkurs eingeschlagen hatte, steht als „Verdachtsfall“ unter Beobachtung.

Fließende Grenzen der AfD zum rechtsextremen Milieu

Zwar tritt die Partei im Landtag mittlerweile zunehmend bürgerlich-nationalkonservativ auf. Doch wie aus dem Verfassungsschutzbericht hervorgeht, bleiben die Grenzen zum rechtsextremen Milieu fließend. Die AfD bilde „zusammen mit dem rechtsextremistischen Magazin COMPACT und dem rechtsextremistischen Verein ‚Zukunft Heimat‘ eine verfassungsfeindliche politisch-mediale Formation“, erklärte Stübgen.

Was davon ausgehe, befeuere wiederum „die sich ständig radikalisierende Szene der ‚Reichsbürger und Selbstverwalter‘.“ Zu der zählt der Verfassungsschutz in Brandenburg immerhin 650 Menschen, wobei die Zahlen stagnieren. Bislang waren es Einzelpersonen.

650
Menschen zählt der Verfassungsschutz in Brandenburg zur Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter.

Neu sei, dass mit dem „Königreich Deutschland“ (KRD) eine Reichsbürgergruppierung in der Mark Fuß fasse. So versuche das KRD in Lychen (Uckermark) seit Mitte 2022, eine Genossenschaft zu übernehmen, die über 44 Hektar landwirtschaftliche Fläche, Wege und Wald verfüge. „Damit strebt die Gruppierung nun auch in Brandenburg ganz konkret nach einem autarken Gebiet, separiert von der Bundesrepublik Deutschland“, heißt es im Bericht, der unter dem Titel „Separatistische Ansätze im Rechtsextremismus“ dieser Zielsetzung ein ganzes Kapitel widmet.

Parteiunabhängig sind laut Verfassungsschutz 14 rechtsextremistische Strukturen in der Mark aktiv, neben „Zukunft Heimat“ und dem COMPACT-Magazin eine „Kameradschaft“, einmal „Freie Kräfte“, acht „Bruderschaften“ und zwei „Kampfsportgruppen“. Zum seit 2016 stetig wachsenden „weitgehend unstrukturierten rechtsextremistische Personenpotenzial“ zählt die Behörde insgesamt 1620 Personen (plus 20).

Er sei froh, dass auf Anregung seiner Behörde das Magazin COMPACT auf der Plattform Tiktok gesperrt worden sei, erklärte Müller. Stärker als in anderen Landesteilen bleibe der Rechtsextremismus im Süden Brandenburgs präsent.

Dem steht auf der anderen Seite und mit deutlichem Abstand die linksextremistische Szene entgegen, die in der Mark um 100 auf 530 Aktivisten geschrumpft ist. Beim Verein „Rote Hilfe“, der Gewaltstraftaten rechtfertige und unterstütze, wirken 360 Brandenburger mit. Brandenburgs Inlandsgeheimdienst geht von 210 islamischen Extremisten aus.

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