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Nach der rassistischen Beleidigungen von Berliner Schülerinnen und Schüler während eines Aufenthalts in einer Ferienanlage in Südbrandenburg hat sich die Einrichtung bestürzt über den Vorfall gezeigt.

© dpa/Michael Bahlo

Update

In Ferienlager in Brandenburg: Alkoholisierte und „teils vermummte“ Jugendliche bedrohen Schüler rassistisch – Staatsschutz ermittelt

Berliner Schüler wollten sich am Frauensee in der Gemeinde Heidesee auf eine Prüfung vorbereiten. Jugendliche aus der Region sollen sie bedroht haben. Es fielen islamfeindliche Äußerungen.

| Update:

Eigentlich sollte es nur ein Lernausflug mit der Klasse übers Wochenende werden. Doch ihr Aufenthalt in einem Ferienlager in Südbrandenburg wurde vorzeitig beendet: Schüler der 10. Klasse der Berliner Lina-Morgenstern-Schule sollen von einer Gruppe feiernder Jugendlicher rassistisch beleidigt und bedroht worden sein. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung fielen islamophobe Äußerungen. Die Polizei wurde alarmiert, die Reise in der Nacht zum Sonntag abgebrochen. Eigentlich wollten die Jugendlichen aus Berlin bis Montag bleiben. Jetzt ermittelt der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz wegen Volksverhetzung und Bedrohung.

Das Ferienlager „KiEZ Frauensee“ liegt in Heidesee, einer rund 7000 Einwohner starken Gemeinde an einem malerischen Waldsee, nur 30 Autominuten von Berlin entfernt. Kleine Holzhütten, die zu einem günstigen Preis an Gäste vermietet werden, liegen direkt im Brandenburger Wald. Dort hatten die Schüler aus Berlin von Freitag an ihr Lerncamp verbracht.

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Drohgebärden und rassistische Beleidigungen

Gegen 0.30 Uhr in der Nacht zum Sonntag wurde dann die Polizei alarmiert. Aus einer rund 20-köpfigen Gruppe, die laut Einrichtungsleitung ebenfalls in dem Camp übernachtete und aus einem Nachbarort kommt, sollen die Schüler rassistisch beleidigt und bedroht worden sein. Es soll auch zu Drohgebärden gekommen sein, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Einige der Betroffenen seien erkennbar muslimischen Glaubens und hätten Kopftücher getragen.

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Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung sagte dem Tagesspiegel, die Berliner Schülergruppe sei von „teils vermummten“ und „alkoholisierten“ Gestalten aus der Dunkelheit heraus angegangen worden. Die Lehrer hätten sich „wirklich bedroht“ gefühlt. Die andere Gruppe war nach Angaben der Einrichtung für eine Geburtstagsfeier in dem Camp.

Blick auf das Gelände der Schüler- und Kinderlandheims
Blick auf das Gelände der Schüler- und Kinderlandheims

© Julius Geiler

Der Staatsschutz ermittelt

Die Beamten rückten schließlich mit drei Streifenwagen an. Von 28 Personen seien die Identitäten festgestellt worden, erklärte eine Polizeisprecherin. Ob es sich bei allen um Tatverdächtige handle, sei noch unklar. Die 17- bis 20-Jährigen aus der Umgebung seien der Polizei bislang noch nicht bekannt gewesen.

Die Polizeidirektion Süd bestätigte dem Tagesspiegel, dass einige Personen aus der feiernden Gruppe alkoholisiert und „teils vermummt“ gewesen sind. Nähere Angaben wollten die Beamten noch nicht machen. Es seien noch nicht alle Beteiligten vernommen worden, hieß es am Montag.

Abreise unter Polizeischutz

Ein Lehrer habe nach der Auseinandersetzung in der Anlage im Kreis Dahme-Spreewald die Eltern der Schüler informiert, erklärte die Polizei weiter. Die Klasse aus Berlin-Kreuzberg sei noch in der Nacht nach Berlin zurückgefahren. Die Polizei habe die Abreise begleitet. Polizisten befragten in der Nacht Zeugen.

Einem Bericht der „B.Z.“ zufolge schilderte ein Berliner Vater, dass Eltern ihre Kinder gegen 3 Uhr aus der Unterkunft abholen mussten. „Viele Kinder stehen unter Schock. Sie kannten diese Ausländerfeindlichkeit aus Berlin nicht. Es wird jetzt überlegt, die Matheprüfung am Mittwoch zu verschieben“, sagte der Vater demnach. Die Schüler hätten sich eigentlich in Brandenburg auf die Prüfung vorbereiten wollen, schreibt die „B.Z.“.

Die Schulklasse fuhr noch in der Nacht zurück.
Die Schulklasse fuhr noch in der Nacht zurück.

© Foto: TSP/Julius Geiler

Thomas Mühlbach, der Leiter der Lina-Morgenstern-Schule, bestätigte dem Tagesspiegel auf Anfrage, dass er seit zwei Uhr morgens mit der Schülergruppe und den Lehrkräften telefonisch in Kontakt gewesen sei. Am Montag wurden die Mitarbeiter des Regionalen Schulpsychologischen Dienstes der Bildungsverwaltung in der Schule erwartet, um das Geschehen mit den Zehntklässlern aufzuarbeiten.

Mit solchen Übergriffen will ich mich und dürfen wir uns nicht abfinden.

Katharina Günther-Wünsch, Berlins Senatorin für Bildung, Jugend und Familie

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) teilte mit: „Mit Bestürzung habe ich von den Vorfällen in Brandenburg gehört. Mit solchen Übergriffen will ich mich und dürfen wir uns nicht abfinden.“ Nun gehe es zunächst darum, den Schülerinnen und Schülern die beste Hilfe zu geben.

Rechte Gewalt hat in der Region Tradition

Nach Polizeiangaben gibt es in der Region „immer wieder Konflikte“. Vorfälle solcher Art seien aber bislang nicht bekannt. Doch: Grundsätzlich kann man sagen, dass im Landkreis Dahme-Spreewald ähnlich wie weiter unten im Kreis Spree-Neiße und Cottbus rechte Gewalt und vor allem in der Jugend verbreiteter Rechtsextremismus seit den 90er-Jahren Tradition haben.

Schild am Eingang zum Gelände von „Kiez Frauensee“
Schild am Eingang zum Gelände von „Kiez Frauensee“

© Imago/KAI HORSTMANN

Erst Ende April war bekannt geworden, dass in einer Schule in Burg (Spree-Neiße) Nazi-Parolen und Hakenkreuz-Schmierereien auf der Tagesordnung stehen. Und wie die „Märkische Allgemeine“ berichtete, schmierten Unbekannte auf dem Schulhof der Paul-Dessau-Gesamtschule in Zeuthen (Dahme-Spreewald) erst kürzlich ein Hakenkreuz auf Fahrradständer.

Dem Bildungsministerium Brandenburg sind seit 2017 insgesamt rund 170 extremistisch einzustufende Vorfälle an den Schulen des Landes bekannt geworden; im laufenden Schuljahr 2022/23 insgesamt sieben Vorfälle im Bereich des Schulamtes Cottbus.

Brandenburgs Innenminister kritisiert Schulsozialarbeit

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) verurteilte die rechtsextremen und rassistischen Vorfälle in Burg und Heidesee. Stübgen erklärte, bei den Vorkommnissen in der Schule in Burg gebe es auch Versäumnisse der Schulsozialarbeit. Offensichtlich sei das Problem nicht rechtzeitig aufgefallen. „Jetzt ist es wichtig hier nachzuarbeiten und zu sehen, wie weit ist es denn wirklich damit“, sagte Stübgen am Montag in Eisenhüttenstadt. 

Jetzt ist es wichtig hier nachzuarbeiten und zu sehen, wie weit ist es denn wirklich damit.

Michael Stübgen, Brandenburgs Innenminister

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) teilte mit: „Wir müssen als Gesellschaft gemeinsam dagegenhalten – ob in Schulen, Betrieben oder Freundes- und Familienkreis.“ Gerade jetzt, am 80. Jahrestag des Kriegsendes, sei es „schmerzhaft und beschämend, dass Rechtsextremismus und Hass weiter ein erhebliches Problem darstellen“. Wer dieses Problem kleinrede, befördere es; die Demokratie müsse wehrhaft sein. „Allen unseren Gästen sagen wir: Ihr seid in Brandenburg herzlich willkommen! Wer sich anders verhält, schadet unserer Heimat Brandenburg. Das darf nicht sein!“, erklärte Woidke.

Zuvor hatte der Ministerpräsident den Vorfall im RBB bereits als „abstoßend“ und „erschreckend“ verurteilt. „Wir werden Rechtsextremismus in Brandenburg nicht dulden, wir werden Rassismus in Brandenburg nicht dulden, das ist die klare Botschaft“, sagte er dem Sender am Montag. „Wir haben seit vielen Jahren einen sehr entschlossenen und auch erfolgreichen Kampf gegen rechtsextremistische Umtriebe im Land geführt“, sagte Woidke dem RBB weiter. Er erwähnte etwa das Verbot mehrerer rechtsextremer Organisationen. „Wir werden diesen Kampf weiterführen müssen, das ist uns allen klar.“ Dass sich Fehler aus den Neunziger Jahren wiederholen werden, glaube er nicht.

Der designierte Brandenburger Bildungsminister, Staatssekretär Steffen Freiberg (SPD), zeigte sich „erschüttert“. „Rassistische Angriffe – auch verbaler Art – sind nicht zu tolerieren, dem trete ich entschlossen entgegen.“ Er baue darauf, dass die Polizei die Täter zeitnah ermitteln und die Justiz strafrechtliche Konsequenzen prüfen werde.

Türkischer Bund: „Wir kriegen sowas schon häufiger mit“

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, forderte Konsequenzen. „Die Polizei muss den Vorfall aufklären und die beteiligten Jugendlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ein Klima der Offenheit zu schaffen, ist die gemeinsame Aufgabe von uns allen“, mahnte er. Sonst drohe eine Spaltung der Gesellschaft.

Der Vorsitzende des Berliner Landes-Eltern-Ausschusses, Norman Heise, sagte dem RND, durch die Abreise der Schulklasse sei „Schlimmeres verhindert“ worden. Gleichzeitig bedauerte es Heise, „dass die Opfer des Vorfalls abreisen mussten und nicht die Aggressoren“.

Nach Beobachtung des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg sind solche Fälle nichts Neues. „Wir kriegen sowas schon häufiger mit“, sagte Vorstandssprecherin Ayse Demir. Rassismus habe in allen gesellschaftlichen Bereichen zugenommen. 

„In Brandenburg nicht wieder in die 90er-Jahre zurückfallen“

Auch die Fraktionen von CDU, Grünen und Linken im Brandenburger Landtag verurteilten die rassistischen Anfeindungen. Er beobachte die Häufung solcher Vorfälle mit Sorge, erklärte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. „Wir müssen alles dafür tun, dass wir in Brandenburg nicht wieder in die 90er-Jahre zurückfallen. Der Rechtsextremismus darf nicht wieder vorherrschende Jugendkultur in Brandenburg werden“, warnte er. Von der Schule über politische Bildungsarbeit bis hin zu den Ermittlungsbehörden seien alle gefordert.

Für die Grünen-Fraktion sind diese rassistischen Anfeindungen und Bedrohungen „beschämend“. „Solche gravierenden ausländerfeindlichen und rechtsextremen Vorfälle brauchen, wie schon der Brandbrief aus der Schule in Burg, klare Antworten aus Politik und Gesellschaft“, forderte die Fraktionschefin und bildungspolitische Sprecherin, Petra Budke. Schulische und außerschulische Sozialarbeit und Demokratieförderung müssten einen klaren Fokus gegen rechtsextreme Tendenzen haben.

„Brandenburg muss sich die Karten legen, warum rechtsextremistisch geprägte Vorfälle plötzlich wieder so gehäuft auftreten“, erklärten der Linke-Fraktionsvorsitzende Sebastian Walter und die bildungspolitische Sprecherin Kathrin Dannenberg. Deshalb brauche das Bundesland keine politische Rhetorik im Sinne von „Das Boot ist voll“. Das heize die politische Situation nur weiter an. 

Bürgermeister distanziert sich

Auch das Feriencamp Frauensee bedauerte den Vorfall. Wir verurteilen jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf das Schärfste“, sagte Nora Runneck, Geschäftsführerin der Einrichtung. Nach Angaben des Camps waren die mutmaßlichen Angreifer das erste Mal in dem Erholungsort. Sie seien dort nicht bekannt gewesen. Auch vorherige Vorfälle solcher Art seien der Geschäftsleitung nicht bekannt.

„Wir als Gemeinde distanzieren uns von jedem fremdenfeindlichen Verhalten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass rassistische und diskriminierende Verhaltensweisen keinen Platz in unserer Gemeinde haben und dass jeder, unabhängig von Herkunft, Religion und Hautfarbe, willkommen ist“, so Björn Langner (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Heidesee.

Stephan Loge (SPD), Landrat vom Kreis Dahme-Spreewald teilte mit: „Fremdenfeindlichkeit hat ein hässliches Gesicht. Dieses erholsame Freizeit-Ereignis wurde für die Schülerinnen und Schüler, Lehrenden und Eltern zu einem negativen Erlebnis. Ich verurteile fremdenfeindliches Verhalten zutiefst.“  Der Landkreis unterstütze Schülerinnen und Schüler außerschulisch über eine Vielfalt von Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus.

Auf der Internetseite heißt es von der Einrichtung, Hauptziele seien die „konsequente, nachhaltige Natur- und Umweltbildung, Jugendbildung und Jugendbegegnung mit ausländischen und behinderten Menschen zur Förderung von Toleranz und Akzeptanz, Förderung von kultureller und sportlicher Beschäftigung“. Träger ist der gemeinnützige Verein „Kinder- und Jugenderholung Dubrow-Dahmetal“. (mit dpa)

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