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Biberach an der Riß: Plakate mit der Aufschrift „Wahllügen“ stecken während einer Demonstration vor der Stadthalle zum politischen Aschermittwoch der baden-württembergischen Grünen in einem Misthaufen.

© dpa/Silas Stein

Verfall allgemeiner politischer Sitten: Die Grünen stehen am Pranger der Nation – Schluss damit!

Jede Forderung der Grünen gilt inzwischen als überheblich oder extremistisch – und wird mit Hass beantwortet. Andere Parteien haben das befeuert. Sie könnten die nächsten Opfer sein.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Es vergeht kein Termin eines grünen Spitzenpolitikers mehr ohne hasserfüllte Rufe, ohne Buhen oder Pfiffe. Zuletzt kam es immer häufiger auch zu Gewalt. Erst am Samstagabend wieder in Magdeburg. Dort hatten Bauern bei einem Besuch der Parteichefin Ricarda Lang Reifen und Tonnen angezündet, blockierten die Abfahrt von Lang. Der wegen aggressiven Protesten abgesagte politische Aschermittwoch der Partei in Biberach ist noch keine zwei Wochen her.

Grünen-Veranstaltungen werden so oft bedroht, Grünen-Politiker so oft attackiert wie die keiner anderen Partei. Das ist nicht nur ein Gefühl, die Statistiken für das vergangene Jahr belegen es. Die Grünen stehen am Pranger der Nation.

Man muss sich das vorstellen: Eine Partei, die in fast 75 Jahren Bundesrepublik ganze neun Jahre als Juniorpartner Teil der Bundesregierung war, soll für den Abstieg eines ganzen Landes verantwortlich sein.

Ein grüner Bundeswirtschaftsminister soll in nur zwei Jahren, in denen er vor allem nie gekannte Krisen gemanagt hat, die deutsche Wirtschaft zugrunde gerichtet haben. Ein schönes Märchen – das müssen selbst die erkennen, die jede einzelne Idee dieser Partei für falsch halten.

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Der Hass auf die Grünen gedeiht auf allgemeiner Politikfeindlichkeit

Gestrickt an dieser Legende vom grün-gemachten Untergang hat im Übrigen nicht erst die radikale AfD, auch die anderen demokratischen Parteien machten und machen kräftig dabei mit. Zumindest aber gucken sie weg oder feixen über die braven Wollpulloverträger, die schon wieder öffentlich verdroschen werden.

Die Grünen und ihre Politik werden auch von Mitgliedern von CDU, SPD oder FDP wahlweise als populistisch, totalitär oder extremistisch verunglimpft. Sie werden diffamiert als abgehobene Politikerkaste, als selbstbesoffen oder als unausgebildete Faulenzer auf des Steuerzahlers Tasche. Ja, das passiert auch anderen Parteien – aber selten in der gleichen Drastik und Häufigkeit.

Dahinter steckt mehr: Die Grünen fungieren zurzeit als Blitzableiter für eine allgemeine Politik- und Parteienverachtung. Der irrationale Grünen-Hass ist teils systemfeindlich grundiert. Im Grünen-Politiker kondensieren sich der weit verbreitete deutsche Groll auf die Hauptstadt genauso wie Veränderungsmüdigkeit und Rebellion gegen das demokratische System.

Extremisten haben bei den Grünen längst nichts mehr zu melden

Wen sonst als die sich gern als „Superdemokraten“ inszenierenden Grünen sollten Demokratiefeinde als ersten Gegner wählen? Wer sonst bringt in derartiger Schlagzahl Anregungen zum Umbau des Landes? Wer sonst fordert den Menschen derart viel Veränderungswillen ab?

Die Grünen wurden so zum leichten Ziel überzogener Kritik – und Gewalt. Dabei haben einem ausufernden Staat verschriebene Etatisten in der Partei einiges zu melden, was man scharf kritisieren kann; Extremisten dafür längst nichts mehr.

CDU-Parteichef Friedrich Merz hat am Sonntag bemerkenswert deutlich auf die Attacken gegen Grünen-Chefin Lang in Magdeburg reagiert. Er drohte den Bauern mit dem Entzug der Unterstützung der CDU bei ihren Anliegen. Das rückt ihn kein Stück näher an die Grünen, das nimmt ihm keine Glaubwürdigkeit als aufrechter Konservativer, das macht keine einzige Forderung der Grünen richtiger.

Es ist schlicht anständig – und sollte unter Demokraten wieder selbstverständlich werden. Am Verfall allgemeiner politischer Sitten werden sonst auch alle demokratischen Parteien zergehen, eine nach der anderen.

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