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Nationalpark mal anders: Bei „Ultimate Safari“ begibt sich das Publikum mittels 360-Grad-Brillen in die Wildnis.

© Lea Dietrich

Preisgekrönte Performance: Das deutsch-tansanische Projekt „Ultimate Safari“

Safari-Tourismus ist Kolonialismus mit anderen Vorzeichen: ein Bühnenprojekt von Flinn Works in Berlin und einem Theaterkollektiv aus Daressalam.

Von Sandra Luzina

Antilopen, Giraffen und Zebras auf freier Wildbahn: Mittels 360°-Brillen taucht das Publikum in der Performance „Ultimate Safari“ in tansanische Nationalparks ein. Die Theaterkollektive Flinn Works (Berlin) und Asedeva (Daressalaam) werfen in dem Stück einen kritischen Blick auf den Safari-Tourismus und die damit verbundenen Konflikte.

Nach der Premiere in Berlin fahren Flinn Works weiter nach Frankfurt zum Festival „Theater der Welt“, wo sie den Preis des Internationalen Theaterinstituts – Zentrum Deutschland (ITI) erhalten. „Ausgehend von spezifischen Rechercheinhalten und unter Einbindung der verschiedenen Perspektiven und künstlerisch-ästhetischen Ansätze der Mitwirkenden reflektieren und bearbeiten Flinn Works in ihren Projekten aktuelle transnationale Themen, Entwicklungen und Diskurse“, heißt es in der Preisbegründung.

Regisseurin Sophia Stepf freut sich über die Auszeichnung. „Bei ,Theater der Welt’ zu spielen, ist schön, weil das eine bestimmte Aufmerksamkeit generiert“, sagt sie beim Gespräch im Café am Engelbecken.

Seit 2009 produzieren Flinn Works dokumentarisches Theater in enger Zusammenarbeit mit nicht-europäischen Partner:innen. Isack Abeneko von der gemeinnützigen Institution Asedeva hat Sophia Stepf bei einem Theaterworkshop kennengelernt, den sie und ihr Kollege Konradin Kunze damals in Daressalam gaben. Eingeladen hatte das dortige Goethe-Institut.

Als den Theatermacher:innen bewusst wurde, dass sie eine gemeinsame Kolonialgeschichte haben, vereinbarten sie ein Stück über den Maji-Maji-Krieg. In Tansania weiß jedes Schulkind etwas über die Geschichte des Aufstands gegen die deutschen Kolonialherren, bei uns ist sie kaum bekannt.

Mit dem Stück „Maji Maji Flava“ begann 2016 die Zusammenarbeit mit Aseveda. Daraus entwickelte sich ein Projekt zu den Schädelsammlungen in Deutschland, „Schädel X“. Danach entstanden der Film und die Ausstellung „Mangi Mangi Remains“ und als weiteres Museumsprojekt „Marejesho“. „Objekte aus den Depots deutscher Museen wurden fotografiert und in den Gegenden präsentiert, wo sie herkamen“, berichtet Stepf.

Das Thema des Safari-Tourismus habe sich geradezu aufgedrängt. „Wir fanden es interessant, das als Aufhänger zu nehmen, um bestimmte koloniale Aspekte zu beleuchten, die auch mit Bernhard Grzimek zu tun haben. Der hat den Safari-Tourismus in Nord-Tansania maßgeblich mitbegründet.“ Aber nicht nur der populäre Zoologe und TV-Moderator erscheint hier in einem kritischen Licht. „Einige vom Team haben ihr erstes Taschengeld an den WWF gespendet, um wilde Tiere zu retten“, erzählt Stepf. „Aber der WWF reproduziert den Festungs-Naturschutz und finanziert ihn mit.“

Als „Festungs-Naturschutz“ wird ein Konzept bezeichnet, das auf der strikten Trennung von Natur und Menschen basiert. „Dieses Naturschutz-Konzept ist ein koloniales“, so Stepf. „Schutzgebiete werden ausgewiesen, darin herrschen bestimmte Regeln. Besonders indigene Völker dürfen da nicht mehr leben, sondern müssen umsiedeln.“

Stepf leugnet nicht, dass die Wilderei ein großes Problem ist. Doch sie kritisiert, dass der Tierschutz immer stärker militarisiert wird. Über Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Nationalparks berichtet auch die Journalistin Simone Schlindwein in ihrem Buch „Der grüne Krieg“; sie hat Flinn Works bei dem Projekt beraten.

Szenenfoto aus der Performance der beiden Theaterkollektive.

© Alexander Barta

Für „Ultimate Safari“ ist das deutsch-tansanische Team gemeinsam auf Safari gegangen: Die Deutschen filmten begeistert die Tiere mit ihrem Handy, die tansanischen Performer:innen beobachteten sie beim Filmen. Sie haben auch im Norden Tansanias recherchiert, wo sich gerade ein Konflikt zuspitzt. Tausende von Massai sollen wegen der geplanten Ausweitung des Naturschutzparks zwangsumgesiedelt werden. Doch sie wehren sich gegen ihre Vertreibung.

In „Ultimate Safari“ wird auch ein Massai-Experte auf der Bühne stehen und die aktuelle Situation in einer kurzen Lecture schildern. Die drei Performer:innen spielen Safari-Guides. „Sie werden den Diskurs auffächern und mal die Position der tansanischen Regierung, mal die der Ranger einnehmen und eine Grenze ziehen.“ Ziel ist es wieder, die herrschenden Narrative infrage zu stellen. „Es geht darum, auch Stimmen einzufangen, die sonst keiner hört und die wir nicht hören sollen.“

Thematisiert wird auch, wie deutsche Steuergelder in den Konflikt verwickelt sind. Mit 6 Millionen Euro finanziere die Bundesregierung das Management von Human-Wildlife-Conflicts, aber keiner wisse genau, wofür das Geld ausgegeben werde. „Das Thema kommt gerade in die deutschen Medien und es kommen auch Rückfragen von Politiker:innen“, berichtet Sophia Stepf. Auf die Frage, was sie antreibt, entgegnet sie: „Dass Menschen so unterschiedlich auf die Welt gucken können und unsere westliche, eurozentristische Sichtweise sehr eng ist, das ist für mich eine fundamentale Erfahrung.“

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