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Das kulturelle Überleben der Maasai steht auf dem Spiel. Die Verbindung mit dem Land, auf dem sie seit Jahrtausenden lebten, sei heilig und spirituell, schrieben die Ältesten in einem Appell an die UN.

© imago images/Christian Goupi

150 000 Maasai sollen umgesiedelt werden: Kämpfe um Teile der Serengeti immer heftiger

Um ein Jagdrevier für Touristen zu errichten, sollen in Tansania 150 000 Maasai umgesiedelt werden. Die Polizei geht rabiat vor, die Nomaden setzen sich zur Wehr.

Sie sind so berühmt wie die Löwen und Elefanten, mit denen sie ihre Heimat teilen. Mit ihren langen Speeren und den rot karierten Tüchern fehlen die Maasai auf keinem Touristenprospekt des bekanntesten Tierparks der Welt, der Serengeti. Doch der tansanischen Regierung fallen die traditionsreichen Nomaden zunehmend zur Last. Nun sollen mehr als 150000 Maasai umgesiedelt werden, weil sie angeblich den Naturschutz gefährden. Die Pläne der Regierung führen zu immer heftigeren Protesten. Bei einer Konfrontation zwischen Angehörigen des Nomadenvolks und Bereitschaftspolizisten kamen Anfang Juni im östlich der Serengeti gelegenen Bezirk Loliondo zwei Personen ums Leben: ein von Polizeikugeln erschossener Maasai und ein vom Pfeil eines Maasai getroffener Polizist.

Der Konflikt zwischen den legendären Viehhirten und der Regierung ist so alt wie die Serengeti selbst. Bei deren Gründung 1959, an der der Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek maßgeblich beteiligt war, wurde den Nomaden der Zugang zu dem Nationalpark von der Größe Schleswig-Holsteins verwehrt. Ihre Rinderzucht vertrage sich mit dem Schutz der wilden Natur nicht, hieß es zu Begründung. Fünf Jahrzehnte später sollten sie auf ein weiteres ihrer Weidegebiete verzichten. Die Regierung stattete die in den arabischen Emiraten beheimatete Firma „Otterlo Business Corporation“ (OBC) mit einer Jagdlizenz für ein 1500 Quadratkilometer großes Revier östlich der Serengeti aus. Schon damals wurden mehrere Tausend Maasai aus dem Loliondo-Bezirk vertrieben, um Touristen die Großwildjagd zu ermöglichen. Allerdings zog eine neue Regierung die Lizenz acht Jahre später wieder zurück. Sie sei auf korrupte Weise zustande gekommen, hieß es. Nach einem erneuten Regierungswechsel wurde der Geschichte nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt.

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Bereits im Januar hatten Menschenrechtsgruppen Alarm geschlagen. Die tansanische Regierung plane die Vertreibung von bis zu 70000 Maasai, die im Bezirk Loliondo leben. Dieser Bezirk grenzt an das Ngorongoro-Schutzgebiet an, Wanderrouten von Wildtieren führen durch ihn hindurch. Geplant sei, das rund 1500 Quadratkilometer große Gebiet der insgesamt etwa 4000 Quadratkilometer erneut abzuteilen und für Jagd- und Safaritourismus zu „reservieren“. Der restliche Teil des Gebietes soll weiterhin wie bisher genutzt werden.

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Anfang des Monats waren dann 700 Polizisten in Loliondo aufgetaucht, um das Jagd-Revier mit Grenzpfählen abzustecken. Die Nomaden entfernten die Markierungen in der Nacht wieder. Daraufhin setzte die Polizei am Morgen des 10. Juni Tränengas und scharfe Munition ein. Nach Angaben der Londoner Organisation „Survival International“ wurde bei den Auseinandersetzungen ein Maasai getötet und 31 Menschen angeschossen, über 20 Personen landeten im Gefängnis. Sie sollen des Mordes beziehungsweise der Beihilfe zum Mord angeklagt werden.

Naturschützer plädieren zunehmend für eine integrative Strategie

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte stieß auch im Ausland auf Kritik. Die Polizeiaktion käme einer unter internationalem Recht verbotenen „Zwangsvertreibung“ gleich, heißt es in einer Stellungnahme von Menschenrechtsexperten, die von der UN mit der Beobachtung des Konflikts beauftragt worden waren. Das „physische und kulturelle Überleben der Maasai“ werde „im Namen des ,Naturschutzes’, des Safari-Tourismus und der Großwildjagd“ aufs Spiel gesetzt.

Solche Interessenkonflikte um die Nutzung des Gebietes seien nichts Neues, berichtet Masegeri Rurai, der für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) als Projektmanager für die Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung zuständig ist. Rurai stammt selber aus Loliondo. „Die Maasai kommen zunehmend von ihrer traditionellen Lebensweise ab“, erzählt er, „und sind vielfach nur noch Halbnomaden oder sogar überwiegend sesshaft. Und sie treiben verstärkt Landwirtschaft in dem Gebiet.“ Das verändere die Landschaft und führe vom Wildnis-Gedanken her zu einer Verschlechterung des Gebietes. Bei einer Aufteilung des Landes und einer Klassifizierung des 1500 Quadratkilometer großen Bereiches als Naturschutzgebiet wäre die wirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich.

Die Vorgänge um die Serengeti lösten auch unter Naturschutz-Experten eine heftige Debatte aus. Der tansanischen Regierung wird eine von den einstigen Kolonialherren übernommene „Festungs-Strategie“ vorgeworfen, indem die Naturparks für ihre menschlichen Bewohner gesperrt würden. Naturschützer plädieren zunehmend für eine integrative Strategie, bei der Menschen und wilde Tiere zusammen leben. Kein einfaches, aber angesichts der Forderung internationaler Naturschutzverbände, künftig 30 Prozent der Erde unter Naturschutz zu stellen, ein unerlässliches Unterfangen. (mit dpa)

Johannes Dieterich

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