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Xiaoxin (Chen Xiao Xin) hat keinen Ort, den sie ihre Heimat nennt.

© Victor Juca

Berlinale- Film „Sleep with your Eyes Open“: Made in China, verloren in der Welt

Die deutsche Regisseurin Nele Wohlatz hat mit „Sleep with your Eyes Open“ (Encounters) einen wunderbar spielerischen Film über das Leben in der Fremde gemacht.

Von Andreas Busche

Xiaoxin (Chen Xiao Xin) hat ein Buch über ihre Zeit in Recife geschrieben, zumindest hätte es das mal werden sollen. Ihre Notizen macht sie auf Postkarten aus der brasilianischen Küstenmetropole, die sie im Lager ihrer Tante gefunden hat. Die betreibt einen Importhandel, die Kiste mit den Postkarten haben eine verschlungene Reise zurückgelegt.

Made in China, das hat sich Xiaoxin, die aus Argentinien nach Recife gekommen ist, um eine Weile bei ihrer Tante zu leben, auch auf den Unterarm tätowiert – nur um sicherzugehen. Portugiesisch spricht sie nicht, wie die anderen chinesischen Vertragsarbeiter ihrer Tante, mit denen sie im 18. Stock eines Hochhauses lebt. Das Gefühl des Fremdseins verbindet sie; vor allem mit Fu Ang (Wang Shin-Hong), dessen Blick immer etwas melancholisch-verschleiert wirkt.

Es dauert fast eine halbe Stunde, bis man in „Dormir de olhos abertos“ („Sleep with your Eyes Open“) von Nele Wohlatz erstmals die Stimme von Xiaoxin hört – als diese längst weitergezogen ist. Die Geschichte der in Hannover geborenen Regisseurin nimmt wie die Postkarten einen kleinen Umweg, die zufällig in den Händen der jungen Taiwanesin Kai (Liao Kai Ro) landen. Auch sie ist unfreiwillig in Recife gestrandet: Ihr Freund, den sie hier treffen wollte, hat am Telefon Schluss gemacht. Jetzt sitzt sie alleine am Strand und in Cafés, ebenfalls ohne sich mit den Einheimischen verständigen zu können.

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Auch darum kann Kai sich mit den Gefühlen Xiaoxins identifizieren, die sie nur in ihren Postkarten kennenlernen wird. Aber sie macht es zu ihrer Mission, Fu Ang zu finden und ihm die Nachrichten seiner Freundin zu übergeben. Ihre Wege hatten sich für einen Moment gekreuzt, dann verloren sie sich wieder aus den Augen.

Zerrissenheit der chinesischen Migranten

Was sie alle miteinander verbindet, wird zu der Gravitationskraft von „Dormir de olhos abertos“. Wohlatz hat zwölf Jahre in Argentinien gelebt, die Zerrissenheit der chinesischen Migranten hat sei bei den Dreharbeiten an ihrem preisgekrönten Debütfilm „El Futuro Perfecto“ aus nächster Nähe erlebt. Nun hat sie einen wunderbar verspielten Film über diese Erfahrung gemacht.

Fu Ang beschwert sich einmal, wie schnell sich die Städte in China verändern. Dennoch wächst in ihm der Wunsch, in die Heimat zurückzugehen, um dort reich zu werden. Wohlatz’ Figuren zehren von diesen Träumen, ihr Film aber ist weniger zielstrebig im Erkunden dieser Hoffnungen.

Die Bewegung ist eher die einer Suche nach beiläufigen Momenten des Bei-sich-Seins: beim Herumhängen am Pool, beim Erkunden der Stadt, das Falten von Papierblumen; und dem Stöbern in den Erinnerungen eines Menschen, den man zu kennen meint. „Dormir de olhos abertos“ erzeugt in dieser poetischen Beiläufigkeit eine Vertrautheit, die stärker wirkt als das Gefühl der Entfremdung.

Die Postkarten, die aus China nach Brasilien gelangen, um wieder in die Welt geschickt zu werden (und dann in einem kleinen Laden in Recife zu enden), sind ein nachdenkliches Sinnbild für die Migrationserfahrung. Wohlatz fügt ihr eine weitere mögliche Geschichte hinzu.

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