Dies ist der Orient, im Guten wie im Schlechten. Ein kleiner Funken wie der Besuch Scharons auf dem Tempelberg reichte, um einen Flächenbrand auszulösen.
Alle Artikel in „Politik“ vom 10.10.2000
Das Atomkraftwerk Temelin - 50 Kilometer von der österreichischen und 100 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt - ist am Dienstag angefahren worden. Für den tschechischen Präsidenten Vaclav Havel kein Grund zur Freude.
Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica hat mit der Bildung einer neuen serbischen Regierung seine Macht weiter gefestigt. Nach den Worten des Vorsitzenden der Demokratischen Partei (DS), Zoran Djindjic, wird das Übergangs-Kabinett in Serbien aus Vertretern von vier Parteien bestehen und bis zu diesem Mittwoch installiert werden.
Israels Ministerpräsident Ehud Barak ist nach Angaben von Regierungssprecher Schai grundsätzlich bereit, an einem neuen Nahost-Gipfel mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat teilzunehmen. Ein Sprecher in Washington sagte jedoch nach Telefonaten von US-Präsident Bill Clinton mit Barak und Arafat, die Bedingungen für einen Gipfel seien noch nicht erfüllt.
Sie starb so, wie sie ihr ganzes Leben gelebt hatte: aktiv. Am Dienstag erlag Sirimavo Bandaranaike, die erste weibliche Premierministerin der Welt, einem Herzanfall, nachdem sie ihre Stimme bei den an diesem Tag stattfindenden Wahlen abgegeben hatte.
Die russischen Truppen begehen in Tschetschenien weiterhin Kriegsverbrechen und werden dabei von der Militärführung gedeckt. Unter Berufung auf die Zivilverwaltung Tschetscheniens berichteten die "Süddeutsche Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau" von willkürlichen Verhaftungen, Morden und Misshandlungen durch russische Soldaten.
Einen Tag nach der Ermordung des spanischen Oberstaatsanwalts Luis Portero durch mutmaßliche Terroristen der baskischen Separatistenorganisation Eta haben am Dienstag Tausende von Spaniern erneut gegen den Terror demonstriert. In allen Teilen Spaniens kamen Menschen vor den Rathäusern zu Schweigekundgebungen zusammen.
Der Atomausstieg nimmt mit der Ankündigung, Stade 2003 abzuschalten, konkrete Formen an. Die Bundesregierung begrüßte dies am Dienstag als Erfolg ihrer Energiepolitik.
Die Absicht von Innenminister Otto Schily (SPD), die NPD verbieten zu lassen, stößt nun auch in der CDU auf zunehmende Reserve. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) äußerte am Dienstag die Befürchtung, dass ein solches Verbot zur Aufwertung anderer Rechtsaußen-Parteien führen könnte.
Die rot-grüne Koalition will noch vor der Sommerpause ein Gesetz auf den Weg bringen, das die gute Versorgung chronisch Kranker im Wettbewerb zwischen den Krankenkassen belohnt. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gudrun Schaich-Walch, begrüßte daher in Berlin ausdrücklich den Vorschlag, den Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen weiterzuentwickeln und dabei vor allem die Belastung durch Krankheit genauer zu berücksichtigen.
Vier Monate nach dem Energiekonsens mit der Stromwirtschaft hat die rot-grüne Koalition die angekündigte Abschaltung des Atomkraftwerks Stade als Erfolg ihrer Atompolitik verbucht. Indes lösten die von den Stromkonzernen in den kommenden Jahren geplanten weiteren Kraftwerk-Schließungen am Dienstag Befürchtungen über einen weit reichenden Verlust von Arbeitsplätzen aus.
Die Kernkraftwerke Stade und Mülheim-Kärlich sind die ersten Atommeiler, die nach dem Energiekonsens im Sommer 2000 endgültig stillgelegt werden. Der Atomausstieg war 1998 einer der Kernpunkte des rot-grünen Koalitionsvertrags.
Mit Wut und Enttäuschung haben die Menschen in der Region Stade am Dienstag auf den Beschluss des Kraftwerkbetreibers Eon reagiert, das örtliche Atomkraftwerk 2003 abzuschalten. Der Landrat, der Stadtdirektor und die Gewerkschaft ÖTV zeigten sich verärgert über die Entscheidung, den Reaktor ein Jahr früher als zunächst vorgesehen vom Netz zu nehmen.
Für deutsche Journalisten gab es an der Sprechanlage am Eingangstor zu der kleinen Siedlung zweistöckiger Häuser meist nur eine Auskunft: "Sie stören." Denn Margot Honecker, die in einem Anwesen mit der Nummer 8978 im Villenviertel La Reina Alta in Santiago de Chile lebt, wollte nicht behelligt werden.
Die gesundheitsgefährdende Ozonbelastung in der bodennahen Luft soll zukünftig europaweit deutlich verringert werden. Darauf einigten sich die EU-Umweltminister am Dienstag in Luxemburg.
Die Justizaffäre um den CDU-Abgeordneten Ronald Pofalla soll nach dem Willen der Unionsfraktion im Bundestag ein Nachspiel vor dem Bundesverfassungsgericht haben. Damit will die Union nach Angaben ihres Fraktionsgeschäftsführers Eckhard von Klaeden sicherstellen, dass künftig die Immunität von Abgeordneten nicht mehr leichtfertig aufgehoben werden kann.
Wegschauen ist nicht mehr erlaubt, sagt der Kanzler. Also schauen wir hin und sehen: ein hässliches Bild von Deutschland, genauer von Ostdeutschland.
Wolf Biermann ist gekommen und kann seine eigene Spiegelschrift kaum noch lesen. Denn verkehrt hat er Marianne Birthler "günstigen Wind" gewünscht, "wenn sie nun auf Gaucks Galeere ins offene Meer kommt, bedroht von Klippen, Medienstürmen und Untiefen.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat sich für einen begrenzten Einsatz von Videoüberwachung im öffentlichen Raum ausgesprochen. Zur Eröffnung der internationalen Messe "security 2000" in Essen sagte Schily am Dienstag, er könne sich Videoüberwachung dort vorstellen, "wo die Sicherheit nachhaltig gesteigert werden kann und zugleich die Privatsphäre des Bürgers nicht unzumutbar eingeschränkt" werde.
Israel hat den Bemühungen zur Beendigung der Gewalt in den Palästinensergebieten mehr Zeit eingeräumt. Nach Ablauf eines ersten Ultimatums forderte Ministerpräsident Ehud Barak die Palästinenser in der Nacht zu Dienstag auf, in wenigen Tagen für ein Ende der Gewalt zu sorgen.
Während die Kämpfe in den palästinensischen Autonomiegebieten anhalten, hat sich in Israel selbst eine zweite Front aufgetan: "Die Befürchtung: Bürgerkrieg" - titelte die Zeitung "Maariv". In der Nacht zum Dienstag "brannte" das israelische Kernland: Jüdische und arabische Banden demonstrierten nicht nur gegeneinander, sondern bekämpften einander mittels Brandstiftungen, Straßenbarrikaden und Schlägereien.
Rund eine Woche nach der Schändung der Gedenkstätte Buchenwald ist die Tat aufgeklärt. Wie Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) am Dienstag in Erfurt mitteilte, nahm die Polizei bereits am Sonntag zwei 20 und 22 Jahre alte Tatverdächtige aus der rechten Szene vorläufig fest.
Das ist einmalig: Eine Behörde, die Staatsgeheimnisse unters Volks bringt; die Gerüchte und Lügen verbreitet, die mit Sprengstoff hantiert; die Karrieren und Familien zerstört, die Menschen zum Weinen bringt und zur Verzweiflung. Und die am Ende doch dem Land zu innerem Frieden verhilft.