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Buckelwale faszinieren Menschen mit ihren Gesängen und ihrem Verhalten.

© Karim Iliya

Wale singen mit Kehle: Wie Bartenwale ihre Laute erzeugen

Blau-, Buckel- und andere Bartenwale verständigen sich mit einem hoch spezialisierten Kehlkopf. Die Anpassung wird im zunehmenden Lärm unter Wasser aber zu einem Nachteil für die Tiere.

Von Alice Lanzke, dpa

Wale, vor allem Buckelwale, gelten als Gesangskünstler der Meere. Wie sie ihre Lautäußerungen mit bisweilen komplexen Melodien produzieren, war allerdings zumindest für Bartenwale nicht hinreichend geklärt. Nun kommt eine internationale Forschungsgruppe zu dem Schluss, dass Blau- und Buckelwale sowie andere Mitglieder dieser Unterordnung mithilfe eines spezialisierten Kehlkopfs singen.

Die im Fachblatt „Nature“ veröffentlichte Studie beschreibt nicht nur die physiologischen Grenzen des auf diese Weise erzeugten Gesangs. Sie warnt auch davor, dass die Tiere in besonderer Weise durch den Lärm, der mittlerweile unter Wasser herrsche, gestört werden könnten.

Wale haben ein komplexes Sozial- und Fortpflanzungsverhalten: Um über teils immense Entfernungen und in dunklen Tiefen miteinander kommunizieren und sich finden zu können, nutzen sie Laute, die je nach Walart äußerst komplex sein können. Zahnwale, wie Delfine und Pottwale, haben dafür ein nasales Stimmorgan entwickelt.

Bartenwale, die ihren Namen aufgrund der Barten genannten Hornplatten tragen, welche sie anstelle von Zähnen im Maul haben und mit denen sie Krill und andere Nahrung aus dem Meerwasser filtern, haben kein derartiges Stimmorgan. Stattdessen wurde für diese Unterordnung, zu der neben Blau- und Finn- auch Grau- und Buckelwale gehören – angenommen, dass sie ihren Kehlkopf nutzen, um Töne zu erzeugen. Wie sie das tun, war unklar.

Kleines Zeitfenster für Untersuchungen

Nun hat ein Team um die Biologen Coen Elemans von der University of Southern Denmark und Tecumseh Fitch von der Universität Wien die Kehlköpfe dreier gestrandeter Bartenwale untersucht, eines Seiwals, eines Zwergwals und eines Buckelwals. „Strandungen sind einzigartige und seltene Gelegenheiten, etwas über diese erstaunlichen Tiere zu erfahren, aber selbst dann ist es schwierig, die Physiologie zu studieren, weil das Gewebe so schnell zerfällt“, wird Mitautor und Wal-Experte Magnus Wahlberg in einer Mitteilung zitiert.

„Die Zahn- und Bartenwale entwickelten sich aus Landsäugetieren, die einen Kehlkopf hatten, der zwei Funktionen erfüllte: Schutz der Atemwege und Schallerzeugung“, erklärt Fitch. Der Übergang zum Leben im Wasser stellte jedoch neue und hohe Anforderungen an den Kehlkopf.

Der Kehlkopf der Bartenwale weist einzigartige Anpassungen dieser Gruppe von Meeressäugern auf.
Der Kehlkopf der Bartenwale weist einzigartige Anpassungen dieser Gruppe von Meeressäugern auf.

© Patricia Jaqueline Matic

Die Untersuchungen der Forschungsgruppe zeigen nun, dass Bartenwale neuartige Strukturen entwickelt haben, um mit ihrem Kehlkopf Töne zu erzeugen. Zum einen haben sich die Stellknorpel oder Arytenoide – winzige Knorpel, über die auch der menschliche Kehlkopf verfügt und welche die Position unserer Stimmlippen verändern – bei den Walen stark verändert. „Die Arytenoide haben sich in große, lange Zylinder verwandelt, die an der Basis zu einer großen, U-förmigen, starren Struktur verschmolzen sind, die sich fast über die gesamte Länge des Kehlkopfs erstreckt“, erläutert Elemans. Die Struktur diene wahrscheinlich dazu, die Atemwege offenzuhalten, wenn die Tiere bei der explosiven Oberflächenatmung große Mengen an Luft ein- und ausströmen lassen müssen, sagt Fitch.

Diese U-förmige Struktur drückt gegen ein großes Fettpolster an der Innenseite des Kehlkopfs. Wenn die Wale die Luft aus ihren Lungen an diesem Kissen vorbeidrücken, beginnt es zu vibrieren und niederfrequente Unterwassergeräusche zu erzeugen.

Grenzen des Gesangs

Im nächsten Schritt erstellte das Forschungsteam mithilfe von Scan- und Modellierungstechniken genaue 3D-Abbilder des Kehlkopfs, um zu rekonstruieren, wie die Muskelaktivität die Rufe der Wale verändern könnte.

Die Modelle zeigen, dass die Kehlkopfstrukturen der Wale eine niederfrequente Kommunikation über große Entfernungen ermöglichen, bei einer maximalen Tiefe von hundert Metern und einer maximalen Frequenz von 300 Hertz. Die Biologinnen und Biologen gehen nicht davon aus, dass die Bartenwale fähig sind, Töne mit höheren Frequenzen zu erzeugen. Mit anderen Worten: Die Kehlkopfstrukturen setzen dem Frequenzbereich und der Tiefe der Lautäußerungen physiologische Grenzen.

Die berechneten Grenzwerte belassen den Gesang darüber hinaus im Bereich des Lärms, der typischerweise von Schiffen erzeugt wird: 30 bis 300 Hertz. Eben jenem könnten die Wale damit nicht entkommen, denn ihre Stimmphysiologie hindere sie daran, diesen Bereich zu überschreiten. „Bedauerlicherweise überschneidet sich der von uns vorhergesagte Frequenzbereich und die maximale Kommunikationstiefe von 100 Metern vollständig mit dem vorherrschenden Frequenzbereich und der Tiefe des vom Menschen verursachten Lärms, der durch den Schiffsverkehr verursacht wird“, erläutert Elemans.

Im Vergleich zu den 1970er-Jahren seien Meere heute noch stärker mit vom Menschen verursachtem Krach durch Schifffahrtswege, Bohrungen und seismische Geschütze belastet, die auf der Suche nach Öl- und Gasvorkommen eingesetzt werden. „Wir brauchen strenge Vorschriften für diesen Lärm, denn diese Wale sind für ihre Kommunikation auf Schall angewiesen“. Trotz ihrer erstaunlichen Physiologie könnten sie dem Lärm, den der Mensch in den Meeren verursacht, nicht entkommen.

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