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 Ruth Wodak

© Nora Ederer

Tagesspiegel Plus

Linguistin Ruth Wodak entlarvt Sprachtricks: „Die Grenzen zwischen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten verschwimmen“

AfD und Co. verbergen radikale Ideen in scheinbar harmlosen Begriffen, sagt Ruth Wodak. Sie kennt die Sprachtricks am rechten Rand und erläutert im Gespräch kalkulierte Provokationen.

Frau Wodak, Sie forschen seit fast 40 Jahren zu rechter Rhetorik. Im November trafen sich Politiker der in Teilen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften AfD sowie zwei Mitglieder der erzkonservativen CDU-Abspaltung Werteunion mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner in einer Villa in Potsdam. Seit das bekannt wurde, taucht der dort benutze Begriff „Remigration“ immer wieder auf. Wo kommt der her?
Ursprünglich bezieht sich der Begriff auf das Zurückkommen von Menschen, die im Exil gelebt haben, in der Emigration. Er bedeutet, dass man dorthin zurückkehrt, von wo man einmal weggegangen ist.

Man verwendete das Wort zum Beispiel bei Menschen, die 1938 nach dem sogenannten Anschluss aus Österreich geflüchtet waren. Die lebten dann in den USA, in Großbritannien, auch in Südamerika, in Chile oder Uruguay, und entschieden sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in ihr Heimatland zurückzukehren.

Darum ging es bei dem Treffen in Potsdam aber nicht.
Die AfD und die Identitären, eine rechtsextreme Gruppe, zu der auch der Österreicher Martin Sellner gehört, definierten den Begriff „Remigration“ um und neu. So erhält er eine völlig neue Bedeutung: Menschen, die keine „echten“ Deutschen sind, sollen deportiert werden. In diesem Sinne wird das Wort völlig konträr zu seiner ursprünglichen Bedeutung benutzt. Das ist typisch für rechte Rhetorik. Etwas Diskriminierendes wird sozusagen soft formuliert und dadurch akzeptabel. Daher nutzt man den Begriff „Remigration“, meint damit aber letztlich etwas Ähnliches wie mit „Deportation“.

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