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Kontrolle von Einreisenden aus China am Pariser Flughafen Charles de Gaulle.

© imago/IP3press / IMAGO/Luc Nobout

„Hat nie funktioniert, eine Variante aufzuhalten“: Fachleute halten Testpflicht für Einreisende aus China für sinnlos und unnötig

Angesichts der Infektionswelle in China erscheint es manchen logisch, potenziell infizierte Reisende nicht ins Land zu lassen. Experten widersprechen.

Rund 1,4 Milliarden Menschen leben in China. Ein großer Teil davon wird sich den kommenden Wochen und Monaten mit Sars-Cov-2 infizieren, nachdem das Land sehr plötzlich seine Null-Covid-Politik beendet hat. Überdies lockert China nun nach drei Jahren strenge Reisebeschränkungen, chinesische Touristen dürften also bald wieder zahlreicher die Welt bereisen.

Angesichts der Dimension der erwartbaren Infektionswelle in Fernost ist es vielleicht ein verständlicher Reflex, wenn sich nun der Rest der Welt am liebsten seinerseits von China abschotten würde. Der Logik von Reisebeschränkungen aber widersprechen Fachleute für Epidemiologie und Virenevolution.

Zeit der Eindämmung vorbei

Längst hat sich ja das hochinfektiöse Coronavirus über die ganze Welt ausgebreitet und zirkuliert weiterhin auch in Deutschland mit hohen Fallzahlen. Zwar verursacht es laut den letzten Informationen des Robert-Koch-Instituts nur noch fünf Prozent der vielen derzeitigen Atemwegsinfekte. Doch nach letzten Schätzungen waren vor Weihnachten immerhin noch 400.000 bis 700.000 Menschen in Deutschland mit Sars-CoV-2 infiziert, die sich weitgehend unkontrolliert in Deutschland bewegen durften.

Zum Vergleich: Die Lufthansa fliegt derzeit viermal pro Woche zu den chinesischen Festlandzielen Peking und Schanghai. Die Zahl der infizierten Passagiere dürfte höchstens in den Hundertern liegen.

Richard Neher ist Experte für Virenevolution an der Universität Basel.
Richard Neher ist Experte für Virenevolution an der Universität Basel.

© Universität Basel / Universität Basel

„Ich halte es nicht für angemessen, in der aktuellen Situation Einreisekontrollen für Reisende aus China einzuführen“, sagt entsprechend Gérard Krause, der die Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig leitet.

„Wir sind in Bezug auf Covid-19 schon längst in der Phase der Mitigation, also der gezielten Schadensmilderung, und sollten uns dessen auch endlich bewusst sein“, sagt Krause. „Maßnahmen zur Eindämmung, wie Einreisebegrenzung oder -kontrolle, sind für eine kurze anfängliche Phase einer Epidemie oder Pandemie sinnvoll, aber nicht mehr jetzt. Das ändert sich auch nicht per se durch die Identifizierung neuer molekularer Varianten.“

Ich schätze das Risiko, dass sich immun-evasive Varianten in China entwickeln, geringer ein als im Rest der Welt.

Richard Neher, Experte für Virenevolution, Universität Basel

Der gleichen Auffassung ist auch Richard Neher, der die Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel leitet: „Bei den hohen Fallzahlen im Moment tragen Reisende nicht nennenswert zur Viruszirkulation bei.“ Doch was ist mit neuen, womöglich wieder gefährlichen Varianten, die die Reisenden aus China einschleppen könnten? „Nach allem, was wir zurzeit wissen, zirkulieren in China recht gewöhnliche Omikron-Varianten wie BA.5.2 und BF.7, ohne besorgniserregende weitere Mutationen“, sagt Neher.

Gefahr für gefährliche Mutationen nicht erhöht

Seine Aussage stütze er sowohl auf Daten direkt aus China als auch auf Proben von Reisenden, die aus China nach Singapur, Korea, Japan und zuletzt auch Italien gereist sind. Schon seit vielen Jahren erforscht er mit seiner Arbeitsgruppe die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Krankheitserreger ausbreiten und auf molekularer Ebene verändern. Schon vor der Pandemie hat er das Open-Access-Tool „Nextstrain“ gegründet, in das Forschende weltweit Genomsequenzen von Viren eingeben und so deren Ausbreitung visualisieren.

Gérard Krause ist Abteilungsleiter Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung HZI.
Gérard Krause ist Abteilungsleiter Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung HZI.

© picture alliance/dpa / Julian Stratenschulte

Auch die Wahrscheinlichkeit, dass gefährliche Varianten entstehen können, hält Neher durch die Infektionswelle in China nicht für erhöht. „Ich schätze das Risiko, dass sich immun-evasive Varianten in China entwickeln, geringer ein als im Rest der Welt, da die chinesische Bevölkerung bis vor dieser Welle sehr viel weniger mit dem Virus in Kontakt gekommen ist. Der Selektionsvorteil immun-evasiver Varianten ist daher in China kleiner als im Rest der Welt.“

Neher spricht hier von der Möglichkeit, dass sich neue Varianten entwickeln könnten, die von unserem Immunsystem trotz Impfungen und vorheriger Infektionen nicht mehr gut erkannt werden – so wie es bei anfänglich bei Omikron der Fall war.

Der Forscher hält systematisches Testen von Reisenden aus China für sinnlos: „Es hat bislang nie funktioniert, eine Variante durch Tests von Reisenden aufzuhalten, und die Voraussetzungen dazu sind jetzt eher schlechter als in den vergangenen Jahren. Man sollte natürlich weder mit Grippe, Corona noch sonstigen übertragbaren Krankheitserregern ins Flugzeug steigen, aber eine spezielle Testpflicht für Reisende aus China macht wenig Sinn.“

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