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Wirtschaft in Potsdam: Vor der eigenen Tür kehren

Potsdamer Grundstückseigner sollen sich vertraglich verpflichten, zusammen ihre Kieze aufzuwerten. Wirtschaftsverbände und das Infrastrukturministerium des Landes basteln bereits an ersten Pilotprojekten.

Von Matthias Matern

Potsdam - New York, Hamburg und andere deutsche Kommunen machen es seit Längerem vor, Berlin hat schon nachgezogen. Und auch in Potsdam könnte es bald sogenannte Business improved Districts (BID), oder zu deutsch: Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG), geben und schmuddelige Ecken in Innenstadtquartieren weitgehend der Vergangenheit angehören.

Eine entsprechende Empfehlung hat der Wirtschaftsrat der Stadt nun auf Anregung der innerstädtischen Händlergemeinschaft den Stadtverordneten und der Potsdamer Verwaltung mit auf den Weg gegeben. Sie sollen das Land Brandenburg auffordern, nach Vorbild anderer Bundesländer eine gesetzliche Grundlage für die Einrichtung von BIDs zu schaffen. „Eine Aufwertung von Stadtteilen und Innenstädten erhöht die Attraktivität, den wirtschaftlichen Erfolg und damit die Werthaltigkeit des Standortes“, sagt Götz Friederich, Vorsitzender des Wirtschaftsrates und Präsident des Marketing-Clubs Potsdam.

Die Standortqualität soll verbessert und Kommunen entlastet werden

Bei den BDIs handelt es sich um räumlich festgelegte Stadtteile oder Innenstadtquartiere, in denen Grundeigentümer gemeinsam versuchen, die Standortqualität durch Maßnahmen zu verbessern, die aus einer selbst auferlegten und zeitlich befristeten Abgabe finanziert werden. Damit sollen gleichzeitig die Kommunen entlastet werden, die nach Meinung von Friederich finanziell häufig mit der Pflege der Stadtzentren und Einkaufsstraßen überfordert sind. Die Folge sind vermüllte Grünanlagen, beschmierte oder kaputte Parkbänke und hemmungslos sprießendes Unkraut. „Auch in Potsdam sind die Mittel ja begrenzt“, sagt der Ratsvorsitzende und verweist auf sinkende Schlüsselzuweisungen des Landes und immer geringere Quoten für Fördermittel der Europäischen Union. Andererseits sei die Steigerung der Attraktivität von Einkaufsstraßen ein wichtiger Beitrag, um der zunehmenden Bedeutung des Online-Handels zu begegnen und mehr Kunden in die Innenstädte zu locken, so Götz Friederich.

Potsdam könnte eine von drei Pilotkommunen in Brandenburg werden

Das brandenburgische Infrastrukturministerium steht dem Vorschlag nach eigenem Bekunden „prinzipiell offen gegenüber“. Mit den Industrie- und Handelskammern (IHK) des Landes und dem Handelsverband stehe man dazu bereits in „regem Austausch“, erklärt Sprecherin Petra Dribbisch. „Das letzte Gespräch mit der IHK Potsdam zum Thema BID hat Ende Februar stattgefunden.“ Die konkrete Ausformung eines BID solle demnach in einer Pilotphase erkundet werden. Neben Potsdam könnte demnach auch in den anderen beiden Kammerbezirken jeweils eine Pilotgemeinde benannt werden. „Start der Pilotphase könnte Ende 2016, Anfang 2017 sein“, erklärt Dribbisch. Das Ministerium werde dann ein entsprechendes Landesgesetz vorbereiten.

Vorstellen kann sich Friederich solche BDIs etwa für die Seitenstraßen der Potsdamer Bummelmeile Brandenburger Straße, rund um das Babelsberg-Center in der Großbeerenstraße sowie in den Stadtteilen Drewitz und Am Stern. Aber auch in anderen brandenburgischen Innenstädten wie denen in Cottbus oder Frankfurt (Oder), die zum Teil noch mit anderen Problemen als nur dem Online-Shopping zu kämpfen hätten, etwa einer geringeren Kaufkraft und der Abwanderung, seien solche Initiativen sinnvoll, meint der Vorsitzende des Wirtschaftsrates.

Götz Friederich, Vorsitzender des Potsdamer Wirtschaftsrates, hält noch viel Überzeugungsarbeit für notwendig

Der Knackpunkt wird laut Friederich sein, die Grundeigentümer dafür zu gewinnen. Schließlich sollen sie sich letztlich vertraglich verpflichten, die Maßnahmen, die in der Regel im öffentlichen Raum umgesetzt werden, zu bezahlen. Allerdings müsse der Impuls ohnehin von den Eigentümern selbst ausgehen, sie müssten sich zusammenfinden, nach dem Mehrheitsprinzip ein Konzept beschließen und dann einen entsprechenden Antrag bei der Stadt stellen, so Friederich. „Hier ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten“, räumt er ein. Jedoch seien solche Gemeinschaften für alle Beteiligten eine sogenannte Win-win-Situation.

Das sieht auch Frithjof Büttner, BID-Beauftragter der Hansestadt Hamburg, so. Derzeit gibt es seinen Angaben zufolge in der Hansestadt elf BIDs. Auch der deutschlandweit erste sei 2006 in Hamburg eingerichtet worden. „Den Eigentümern kann es eine positive Wertentwicklung ihrer Immobilie bringen und zufriedenere Mieter.“ Zwar hätten Umfragen gezeigt, dass Einzelhändler in den betreffenden BIDs in der Regel nicht gerne über ihre Umsatzentwicklung sprechen, es sei aber davon auszugehen, dass die Erlöse steigen. „Sonst hätte es bestimmt schon Beschwerden seitens des Handels gegeben“, so der Hamburger BID-Beauftragte. Vielmehr sei für einige Gemeinschaften mittlerweile bereits die zweite oder dritte Runde beantragt worden.

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