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Die Zeiten, in denen Katherina Reiche in Potsdam um die Gunst der Wähler warb, sind mit ihrem Wechsel an die Spitze des VKU vorbei.

© R. Hirschberger/dpa

Wechsel der CDU-Chefin in die Wirtschaft: Reiche wegen Lobbyisten-Job in der Kritik

Katherina Reiche, CDU-Chefin in Potsdam, wechselt voraussichtlich vom Bundestag zu einem Lobbyverband. Ihr Mann Sven Petke nimmt den umgekehrten Weg. Es hagelt Kritik.

Berlin/Potsdam – Das Handy bleibt aus. Katherina Reiche, 41 Jahre alt, CDU-Bundestagsabgeordnete, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium und CDU-Chefin in Potsdam, ist abgetaucht. Sie war auch am Montag für Journalisten nicht erreichbar, wie es sich für einen Profi in diesem Stadium gehört: Reiche soll am Mittwoch zur neuen Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Kommunaler Unternehmen in Deutschland (VKU) gewählt werden. Der VKU ist ein einflussreicher Lobbyverband, der 1430 Stadtwerke, Wasser-, Energie-, Entsorgungs- und Stadtreinigungsfirmen – 245.000 Jobs, Jahresumsatz 110 Milliarden Euro – gegenüber dem Bund und der EU vertritt. Brandenburgs CDU-Chef Michael Schierack bestätigt die Personalie: „Frau Reiche wird sich am Mittwoch beim VKU zur Wahl stellen.“

Wie es in Parteikreisen heißt, sind damit die Weichen für Reiches Rückzug aus der Politik gestellt. Für den neuen lukrativen Spitzenjob – das Salär wird auf ein Mehrfaches ihres jetzigen 18.000-Euro-Gehalts geschätzt – wird sie wohl alle Ämter niederlegen, als Kreischefin wie auch als 2013 erstmals direkt gewählte Bundestagsabgeordnete.

LobbyControl: Drei Jahre Sperrzeit nötig

Der mögliche Seitenwechsel ist umstritten. Der Verein LobbyControl forderte erneut eine dreijährige Karenzzeit, bevor Regierungsmitglieder Lobbytätigkeiten übernehmen dürfen. Kanzlerin Merkel müsse Reiche und dem VKU klarmachen, „dass ein Seitenwechsel ohne Karenzzeit nicht akzeptabel ist“, sagte Timo Lange von LobbyControl. „Fliegende Seitenwechsel in Lobbyjobs“ müssten endlich unterbunden werden.

Vor 17 Jahren hatte Reiche als politische Senkrechtstarterin begonnen, und zwar im brandenburgischen CDU-Landesverband, der nach den Wahlergebnissen und wegen der Dauerquerelen und Intrigen im Berliner Adenauer-Haus als der schlechteste in Deutschland galt. Obwohl weitgehend auf sich allein gestellt, gelang es der studierten Chemikerin Reiche, auf Bundesebene Karriere zu machen. Sie zog 1998 – als damals jüngste Abgeordnete – erstmals in den Bundestag ein. 2002 holte der damalige Kanzlerkandidat Edmund Stoiber die dann 28-Jährige in sein Kompetenzteam. Reiche, damals noch unverheiratet, Mutter einer Tochter und erneut schwanger, sollte für Familienpolitik zuständig sein. Dies sorgte in konservativen Unionskreisen und bei den Kirchen für erheblichen Widerstand, die Deutsche Bischofskonferenz intervenierte. Von 2005 bis 2009 war sie eine der Vize-Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ab 2009 folgte als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium der Sprung in die Bundesregierung. Seit 2013 ist sie auf diesem Posten bei Alexander Dobrindt (CSU) im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur tätig.

In der CDU werden Karten neu gemischt

In Brandenburgs CDU, wo Reiche im Landesvorstand sitzt, immer auch umstritten war, Feinde und Neider hat, sind einige nicht unglücklich über ihren Weggang gerade jetzt. Nach der Pleite bei der Landtagswahl im Herbst 2014, nach der Spitzenkandidat und Parteichef Michael Schierack bei den Sondierungen mit der SPD die Regierungsbeteiligung vergeigte, werden bald die Karten neu gemischt: In der Partei wird erwartet, dass Schierack im Herbst den Parteivorsitz abgibt und bei der Landtagswahl 2019 nicht mehr als Spitzenkandidat antritt. Jetzt ist Reiche nicht mehr im Ring, wenn in der Union um die Nachfolge gefochten wird.

Während Reiche der Politik den Rücken kehren will, nimmt Sven Petke, ihr Ehemann – sie haben drei Kinder und leben in Luckenwalde – den umgekehrten Weg. Er hat seinen Job als Vertriebsmanager für Osteuropa bei Bombardier nach knapp einem Jahr aufgegeben. Für eine mögliche und aussichtsreiche Vertragsverlängerung hätte er (PNN berichteten) auf sein Landtagsmandat verzichten müssen, was er aber nicht wollte. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben begrüßte am Montag, dass Petke sich jetzt hundertprozentig auf den Landtagsjob konzentriert, wo er Chef des Haushaltsausschusses ist.

Offene und versteckte Gegner in der CDU

Das Politikerpaar Reiche-Petke hat in der märkischen CDU seit jeher offene und versteckte Gegner. Im Kampf um die Nominierung für die Kandidatur zum Bundestag im Wahlkreis Potsdam und Umland hatte sich Reiche 2013 gegen die frühere CDU-Landeschefin Saskia Ludwig durchgesetzt, die dann ein Jahr später das Direktmandat bei der Landtagswahl holte. Ludwig, die gegen die „Staatswirtschaft“, gegen die Ausweitung der Aktivitäten kommunaler Unternehmen eintritt, meldete sich am Montag mit einer Presseerklärung zu Wort. Ohne Reiche zu erwähnen, griff sie eine Medienschlagzeile auf, wonach das Salär für den VKU-Hauptgeschäftsführer-Posten pro Monat 50.000 Euro betragen soll, während das Amtsgehalt der Bundeskanzlerin inklusive der halben Diäten als Abgeordnete bei unter 300.000 Euro im Jahr liege. Es sei obszön, wenn ein VKU-Hauptgeschäftsführer 600.000 Euro im Jahr bekomme, „der erst recht keinerlei persönliches Risiko durch wirtschaftliches Handeln“ habe. Der Potsdamer Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller verwies darauf, dass Reiche 2011 selbst die Privatisierung der Potsdamer Stadtwerke gefordert habe.

Potsdams SPD-Kreischef Mike Schubert sagte, sollte Reiche zur neuen VKU-Chefin gewählt werden und tatsächlich alle Ämter niederlegen, bleibe abzuwarten, wie die Potsdamer CDU sich aufstellt. Unter Reiches Vorsitz sei die CDU in Potsdam „etwas zur Ruhe gekommen. Die nächste Zeit wird zeigen, ob es jetzt einen Rückfall in die alten Grabenkämpfe in der CDU gibt“.

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