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Festival Unidram 2023 in Potsdam.

© Antonio Ficai

Von Körpern und anderen Objekten: 29. Ausgabe des Unidram-Festivals startet in Potsdam

Von 7. bis 11. November öffnet das Potsdamer Theaterfestival Unidram wieder seine Pforten. Es gibt prominenten Besuch aus Frankreich – und mehrere Glücksbringer.

Fünf Tage, elf Ensembles, 22 Vorstellungen: Das Festival Unidram stürmt in seiner 29. Ausgabe in gewohnter Zielstrebigkeit voran. Den Auftakt macht in diesem Jahr prominenter Besuch aus Frankreich: Phia Ménard. Die Performerin, als „eine der faszinierendsten Prophetinnen des europäischen Theaters“ gefeiert und in ihrem Heimatland mit dem Titel „Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres“ geadelt, ist mit einem nicht mehr ganz taufrischen Stück zu Gast: „Immortal Tales. Part 1 : The Mother House“. Es wurde 2017 auf der documenta 14 gezeigt, etwas später auch bei den Wiener Festwochen.

Potsdam reiht sich als Station also in eine illustre Reihe von Gastspielorten ein. Festivalleiter Jens-Uwe Sprengel kann zu Recht stolz sein auf den Besuch. „Es ist vermutlich die politischste Performance in diesem Jahr“, sagt er. Phia Ménard wird einen Tempel mit symbolischer Dimension nachbauen: das Athener Parthenon, der zentrale Bau der Akropolis. Inbegriff europäischer Geschichte, demokratischer Tradition. Bei Ménard steht das mächtige Kulturdenkmal auf wackeligen Füßen, wie das „Haus Europa“ derzeit überhaupt: Sie braucht dafür Pappe, Klebeband und Kettensäge. Es ist offensichtlich nicht auf Dauer angelegt.

Wie reagiert das Theaterfestival auf die krisengeschüttelte Welt des Jahres 2023? Dies dürfte eine der zentralen Fragen in diesem Jahr sein. Es ist das vierte Festivaljahr, das an existenzieller Selbstbefragung nicht vorbeikommt. Auf die coronabedingte Stille 2020 folgten eine von Corona-Maßnahmen geprägte Ausgabe 2021 und eine vom Ukraine-Krieg überschattete Ausgabe 2022. Dieser Krieg dauert auch 2023 noch an, der Israel-Konflikt ist mit erneuter Brutalität entbrannt. Wie also mit all dem umgehen, als ein Festival?

Man muss dem Publikum schon auch entgegenkommen, es verführen.

Jens-Uwe Sprengel, Festivalleiter

„Man muss dem Publikum schon auch entgegenkommen, es verführen“, sagt Jens-Uwe Sprengel. Ihm ist wichtig, dass Aufführungen dabei sind, „die zu einem Lächeln einladen“. Dazu zählt er „A handful of people – something which resembles happiness“ des Vélo Théâtre aus Frankreich, ein immersives Objekttheater, in dem es auf eine imaginäre Reise geht. Die Ankündigung verspricht nicht nur „eine gewisse Komplizenschaft aller Beteiligten“, sondern „ein poetisches Universum, in dem es so etwas wie Glück verheißt, die kleinen Dinge des Lebens zu beobachten“.

Shows als Glücksbringer

Auch das Musiktheater „Ramkoers“ von der Gruppe Bot zählt Sprengel zufolge zu den Glücksbringern. Ein Stück für Klavier, Posaune, Nähmaschine und Metallrinnen, unter anderem. Ein Chaos auf der Bühne, das mit dem im aktuellen Weltgeschehen korrespondieren kann, aber nicht in Verzweiflung stürzen, sondern verzaubern und mitreißen will.

„Ramkoers“ hier, „Immortal Tales“ da: Der Spagat, der sich dazwischen aufmacht, ist für Jens-Uwe Sprengel die Stärke von Unidram. „Das Tolle an einem Festival ist ja die Bandbreite, die hier möglich ist“, sagt er. Wie bei Unidram gewohnt stehen auch 2023 Körper, Objekte und zirzensische Elemente im Mittelpunkt.

„Alles/Nichts“ von der belgischen Kompanie Modo Grosso spielt mit Stoffen, Steinen, Ketten und Kugeln mit der Vergänglichkeit. Die italienische Choreografin Luna Cenere lässt in „Zoé“ nackte Körper zu Architektur und zu surrealen Landschaften werden. Im multimedialen Objekttheater „Babel“ werden urbane Architekturen selbst zu Protagonisten.

Neu ist, dass sich das kuratorische Team des Festivals erweitert hat: Neben Jens-Uwe Sprengel, Franka Schwuchow und Thomas Pösl, die das Festival vor 29 Jahren gründeten, ist jetzt auch Elena Otto für die Programmauswahl zuständig. Seit 2021 ist sie für den Festivalneuling Radar am T-Werk zuständig, jetzt erstmals auch für Unidram. Beide Formate rücken so noch näher aneinander heran. Das zeigt sich auch an „#mysharedspace“ von Christina Schellhas, das Elena Otto aufgetan hat. Eine Rauminstallation für jeweils nur eine Person, die im März bereits bei Radar dabei war und nun einen zweiten Auftritt bekommt.

Als weitere Halbneuheit ist zu vermelden: Anders als in Vorgängerjahren ist wieder ein Stück made in Potsdam bei Unidram vertreten. „Traumtext“, ein Hörstück nach Heiner Müllers spätem „Traumtext Oktober 1995“. Mit dabei der Musiker Thorsten Müller (Der Singende Tresen) und Stimmakrobat und Komponist Alex Nowitz („Die Bestmannoper“).

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