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Von Jana Haase: In der fünften Generation

1989 übernahm Werner Gniosdorz die traditionelle Bäckerei Braune von seinem Vater

Er ist praktisch in der Backstube aufgewachsen – und machte schon als Knirps im Kindergartenalter die ersten Erfahrungen im elterlichen Betrieb. „Ich durfte bei den Apfeltaschen immer das runde Deckel-Stück drauflegen“, erinnert sich Werner Gniosdorz, der Inhaber der Traditionsbäckerei Braune in der Friedrich-EbertStraße. Seit 20 Jahren leitet er die Geschicke der Bäckerei und setzt damit eine Familientradition fort, die schon mehr als 150 Jahre dauert.

Warum er dann nicht Braune heißt? Als Gniosdorz’ Mutter, die Bäckermeisterin Käte Braune, 1952 den aus Schlesien gekommenen Bäckermeister Josef Gniosdorz heiratete, war eine Weiterführung des Familiennamens rechtlich unmöglich – obwohl das junge Paar nichts unversucht ließ. „Der Briefwechsel mit dem Standesamt existiert noch“, erzählt Werner Gniosdorz.

Selbst seinen 18 Mitarbeitern ist der Name heute zu kompliziert für den täglichen Gebrauch: Deswegen heißt Gniosdorz bei ihnen oft einfach „Meister“. Von 6 bis 19 Uhr dauert sein Arbeitstag. Dann legt er fest, was gebacken wird, kümmert sich um den Einkauf, berät Kunden, führt am Nachmittag den Sauerteig, steht zu Stoßzeiten mit im Laden und hilft auch sonst, wo er gerade gebraucht wird. „Ich kann alle Arbeiten, aber keine so gut wie der, der sie immer macht“, sagt der 53-Jährige mit der schwarz-weiß karierten Bäckerhose bescheiden.

Sein Weg zum Konditorhandwerk war weniger geradlinig, als man meinen könnte. Eigentlich wollte er studieren: „Es hieß immer, Handwerk hat keine Zukunft“, erklärt Werner Gniosdorz. Seine Pläne zerschlugen sich jedoch, als er nach der 10. Klasse von der „Erweiterten Polytechnischen Oberschule“ flog, weil er „keinen festen politischen Klassenstandpunkt“ zeigte. „Ich war in der Kirche aktiv und habe da eine Jugendgruppe geleitet“, sagt Gniosdorz. Seine Konditorlehre beginnt er dann in der Stadtbäckerei und nicht im elterlichen Betrieb. Denn der stand 1972 sogar kurz vor der Verstaatlichung: „Es hieß schon, nächste Woche ist Schluss.“ Möglich, dass nur das resolute Auftreten von Gniosdorz’ Großvater die Bäckerei gerettet hat: „Ein anderer als mein Schwiegersohn bäckt hier nicht, sonst wird das Haus mit Brettern vernagelt!“

Studieren konnte Werner Gniosdorz dann doch. Er wurde Backwareningenieur und arbeitete fünf Jahre als Technologe im Backwarenkombinat in Stahnsdorf. Zurück in die Friedrich-Ebert-Straße ging er dann 1984, weil es seiner Mutter gesundheitlich schlechter ging und der Vater Unterstützung brauchte. Im Juli 1989 übernahm Werner Gniosdorz den Betrieb, am 10. November 1989 bekam er seinen Meisterbrief.

Die turbulente Wendezeit konnte den jungen Geschäftsführer kaum aus der Ruhe bringen. Brot und Schrippen kauften die Potsdamer trotzdem. „Mein Opa hat immer gesagt: Hier an dieser Stelle, mitten im Stadtzentrum, da passiert Dir nichts“, sagt der Braune-Chef. Einen Einschnitt gab es allerdings zur Währungsunion 1990, als sich die Verkaufzahlen über Nacht halbierten. Mittlerweile hat sich das Geschäft lange wieder stabilisiert. Am beliebtesten sind nach wie vor die einfachen Schrippen: Zwischen 3000 und 6000 Stück davon gehen pro Tag über den Ladentisch.

Trotzdem steht die Zukunft des Familienbetriebs in den Sternen. Die beiden Töchter von Werner und Heidelore Gniosdorz haben andere Berufe gewählt: Die Ältere arbeitet als Reisekauffrau, die Jüngere studiert Biologie, erzählt der Konditormeister.

Dass man als Bäcker wenig Freizeit hat, wusste schließlich schon sein Ururgroßvater Gustav Braune, der die 1734 gebaute Bäckerei im Juli 1853 gekauft und damit die Familientradition begründet hatte: Seine erste Verlobung mit einer Gärtnertochter ging in die Brüche, „da sie sehr lebens- und tanzlustig war und er Nichttänzer, außerdem die Nachtarbeit den Besuch von Lustbarkeiten nicht gestattete“, wie Wilhelm Braune senior später über seinen Vater berichtete. Glücklich wurde Gustav dann mit der Gutsbesitzertochter Auguste, die sein Sohn als „fleißige, fromme, arbeitsfreudige, sparsame, anspruchslose Frau von ruhigem und sanftem Gemüt“ beschreibt.

Ein wenig davon scheint sich bis auf den Ururenkel vererbt zu haben. In seinen freien Stunden engagiert sich Werner Gniosdorz seit Jahren bei den Rettungsschwimmern der Wasserwacht, außerdem ist er in der Kirchgemeinde in Langerwisch aktiv. Dort übernimmt er sonntags immer mal den „Kirchendienst“: läutet die Glocken, rückt Stühle, sammelt Geld, kümmert sich um Heizung und Kerzen. An Heiligabend ist es wieder so weit.

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