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Landeshauptstadt: Vom „Tatort“ nach Talbichl

Begonnen hat Amber Bongard vor acht Jahren in einem Krimi. Jetzt spielt sie ihre erste Hauptrolle im Kino

Ein geordnetes Elternhaus sieht anders aus: Mutter Amrita ist Anhängerin der Baghwan-Bewegung, auf dem permanenten Selbstfindungstrip und lebt in einer Westberliner Kommune. Wir schreiben das Jahr 1980. Vegetarismus, Urschrei-Therapie, freie Liebe, Batikkleider in leuchtendem Orange – und mittendrin Lili und ihr Bruder Fabian. Richtig kompliziert wird es aber erst, als die bunte Truppe aus Berlin in das bayrische Nest Talbichl zieht, um dort ein Meditationszentrum aufzubauen. Während für die erzkatholischen Dorfbewohner schnell ausgemacht ist, dass man es mit Teufelsanbetern und Terror-Sympathisanten zu tun hat, wünscht sich Lili nichts mehr als eine „normale“ Familie – und Anschluss bei den Klassenkameraden. Sie beginnt, heimlich Dirndl zu tragen, sich brave Zöpfe zu flechten und im Dorforchester mitzuspielen.

Es ist die Geschichte eines Mädchens zwischen den Weltanschauungs-Fronten, die Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) in seinem aktuellen Film „Sommer in Orange“ erzählt – unterhaltsam, warmherzig und ohne Zeigefinger-Moral.

In der Hauptrolle ist die Potsdamerin Amber Bongard zu sehen. Authentisch und herzerfrischend nimmt sie die Zuschauer mit in das Leben der ungewollten Außenseiterin Lili mit ihrem Ärger über die exzentrische Mutter, die sie trotz allem Hokuspokus so liebt. Es ist die erste Hauptrolle für die 14-Jährige mit dem verschmitzten Lächeln. Beeindruckende acht Jahre im Filmgeschäft hat sie bereits hinter sich.

Begonnen hat alles mit ihrer älteren Schwester Isabel, erzählt Amber Bongard im Gespräch mit den PNN. Denn die hatte eine Rolle im „Tatort“ bekommen, für die die Regisseure noch Geschwister suchten. Amber und ihr drei Jahre älterer Bruder Leonard sprachen vor – und waren dabei. „Große Liebe“ hieß die Tatort-Folge, mit der sie dann ihre große Liebe zur Schauspielerei entdeckt hat: „Das hat mir von Anfang an Spaß gemacht“, erinnert sich Amber Bongard. Danach stand sie immer wieder vor der Kamera, war zu sehen in „In Sachen Kaminski“, „Vier Minuten“, „Effi Briest“, „Die Gräfin“ oder „Die Päpstin“.

Dabei muss sie auch dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller aufgefallen sein. Denn der hat sie zum Vorsprechen für „Sommer in Orange“ angefragt. „Bei den Proben habe ich mit mehreren Darstellerinnen für die Mutter gespielt“, erzählt Amber Bongard. Ein bisschen Aufregung war schon dabei, gibt sie heute zu: „Ich kannte seinen Film ,Wer früher stirbt ist länger tot’, deswegen wusste ich, dass er ein großer Mann mit viel Talent ist“, sagt sie und klingt fast schon erwachsen.

Im vergangenen Sommer war es dann soweit: 30 Drehtage in München standen für die Potsdamerin auf dem Programm, ein Elternteil war immer zur Begleitung dabei. Probleme mit ihren Lehrern an der Voltaire-Schule gab es wegen des Drehs nicht – „da habe ich Glück“, sagt Amber. „Ich kriege dann die Aufgaben immer zugeschickt“, erklärt sie. Ihre Klassenkameraden nehmen die Schauspielerei gelassen. „Meine Freunde finden das ganz lustig“, sagt Amber bescheiden.

Bei den Aufnahmen für „Sommer in Orange“ habe sie sich schnell wohl gefühlt. Besonders mit ihrem Film-Bruder, gespielt von Béla Baumann, habe sie sich gut verstanden, saß mit ihm oft auch in Drehpausen zusammen: „Am Ende haben wir uns wirklich ein bisschen wie Bruder und Schwester gefühlt.“ Den Kontakt zu ihren Schauspiel-Kollegen hält sie auch nach dem Dreh – per Mail oder Internet.

Dass sie über den Film so viele neue Leute kennenlernt, ist einer der Gründe, warum Amber Bongard das Schauspielen so mag. Sie begreift die Arbeit auch als eine Möglichkeit zum Ausprobieren: „Ich kann Dinge machen, die ich sonst nicht tun würde – und ich lerne viel Neues kennen“, sagt sie. Dass es nicht zuviel Stress mit den Film-Jobs gibt und Schule und Freunde nicht zu kurz kommen, dafür sorgt Ambers Mutter. Sie hat das Management der drei Kinder übernommen – und kennt das Geschäft, weil sie mit ihrem Mann selbst Drehbücher schreibt.

Auch eine spätere Karriere beim Film kann Amber sich vorstellen – „Auf jeden Fall!“ Auf einer Schauspielschule sieht sie sich aber nicht: „Man lernt durch die Erfahrung“, ist sie überzeugt. Journalismus oder Kunstgeschichte würde sie gern studieren. Und pflegt auch heute ihre Interessen jenseits des Films. Ihr Schulpraktikum zum Beispiel absolvierte sie bei dem Potsdamer Goldschmied Wolfgang Hasselkuss, sagt sie und zeigt ihre Hand: Den Ring mit dem in schmalen Silber-Blättern gefassten Rubin hat sie selbst gemacht. „Außerdem versuche ich mich gerade im Nähen“, erzählt Amber weiter – kleine Täschchen, Geburtstagsgeschenke für Freunde und Familie.

Aber auch ins Kino geht sie oft. Ihre Schauspielvorbilder sind Emile Hirsch („Into the Wild“), Johnny Depp („Fluch der Karibik“), Helena Bonham Carter („The King’s Speech“) oder Abigail Breslin („Little Miss Sunshine“) – „Sie kann besonders gut weinen“, sagt Amber Bongard über die ein Jahr ältere US-Amerikanerin. Schon bald wird die Potsdamerin wieder vor der Kamera stehen, in Frankfurt am Main dreht sie für einen Fernsehfilm, in dem es auch um Schule geht. Ihre Zukunft sieht sie entspannt: „Mal sehen, was im nächsten Jahr kommt.“

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