zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Unter der Straße begraben

Verwirrung um Friedhofs-Fund an der Nutheschnellstraße: Waisenhausstiftung offen für Gespräche

Zentrum Ost - Die Nachricht um einen bei den Bauarbeiten rund um die Nutheschnellstraße angeblich wiederentdeckten Kinderfriedhof sorgte am Montag für Verwirrung: Vor Ort auf der Baustelle konnte den PNN niemand den Fund von Gräbern oder Grabsteinen bestätigen. Wie berichtet hatte der Potsdamer Hans-Otto Träger beim Rathausreport der Linken am Sonntag berichtet, dass er Grabsteine auf der Baustelle gesehen habe. Die Stadtverwaltung konnte eine Anfrage zum Thema am gestrigen Montag noch nicht beantworten – wegen der komplizierten Sachlage, wie es hieß.

Fest steht aber: Auf dem Gelände zwischen Park Babelsberg und der Nutheschnellstraße befand sich früher tatsächlich der Friedhof des Großen Militärwaisenhauses. Das bestätigte René Schreiter, der Historiker der Waisenhausstiftung, den PNN. Der Friedhof ist demnach 1727, drei Jahre nach Gründung der Stiftung, angelegt worden und war noch bis 1952 in Gebrauch. In diesem Jahr wurde die Militärwaisenhaus-Stiftung von den DDR-Behörden aufgelöst und enteignet. Das Friedhofsgelände sei dann für den Bau der Nutheschnellstraße in den 1970er Jahren entwidmet worden. Einige Gräber seien damals auf den Friedhof in der Babelsberger Goethestraße umgesetzt worden, berichtet der Historiker: „Aber viele wurden auch zerstört.“

Beerdigt wurden auf dem Friedhof nicht ausschließlich Kinder, sondern auch Lehrer, Direktoren und andere Angestellte des Großen Militärwaisenhauses, erklärte Schreiter weiter. Denn die Kindersterblichkeit habe dank verbesserter Versorgung mit den Jahren immer weiter abgenommen. Wie berichtet ist vor dem Bau der Nutheschnellstraße unter anderem die Grabplatte des Waisenhauslehrers Friedrich Wilhelm Frosch gesichert worden – sie wurde im Park des Rochow-Museums in Reckahn aufgestellt, wo Frosch zuvor Pfarrer gewesen war. Wie viele Gräber es auf dem Friedhof insgesamt gegeben hat, sei nicht bekannt, sagte Schreiter.

Das Gelände lag seinerzeit vor den Toren der Stadt, aber verkehrsgünstig an der alten Königsstraße in Richtung Nowawes und Berlin, erklärt der Historiker. Zudem war auch das erste Lazarett des Militärwaisenhauses, das sich in etwa am heutigen Standort der brandenburgischen Staatskanzlei befand, nicht weit entfernt.

Was mit jetzt möglicherweise gefundenen Grabsteinen passiere, liege nicht mehr in den Händen der Stiftung – weil das Gelände der Stiftung nicht mehr gehört, betonte Schreiter. „Wir sind natürlich offen für alle Überlegungen“, sagte er den PNN. Denkbar sei etwa, gut erhaltene Gräber umzubetten: „Damit würde man den Menschen, die jahrelang unter der Straße begraben waren, nachträglich wieder ihre Würde angedeihen lassen.“ Die 1992 wiedergegründete Waisenhausstiftung hatte einen kleinen Teil des früheren Friedhofs-Geländes zwischenzeitlich zwar rückübertragen bekommen – da es sich um eine Brache handelte, habe man die Fläche aber verkauft. Für die mit der Straße überbaute Fläche sei die Stiftung mittlerweile finanziell entschädigt worden.

Das Große Waisenhaus war 1724 als mildtätige Stiftung für die Ausbildung von unversorgten Kindern von Angehörigen des Preußischen Militärs gegründet worden. Am morgigen Mittwoch eröffnet eine Dauerausstellung zur Geschichte der Waisenhausstiftung (siehe Kasten).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false