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Streit um FH-Abriss: „Nett, aber substanzlos“: Kaufangebot abgelehnt

Der Sanierungsträger hält die Offerte der Abrissgegner für das FH-Gebäude für untauglich. Dabei hatte die Bürgerinitiative "Stadtmitte für alle" mit dem Angebot gar nicht an den Träger gerichtet.

Potsdam/Innenstadt - Das Kaufangebot der Initiative „Stadtmitte für alle“ für das bisherige Gebäude der Fachhochschule Am Alten Markt ist durchgefallen; jedenfalls beim Sanierungsträger für die Potsdamer Mitte. „Der Zug ist abgefahren“, sagte Sanierungsträgerchef Bert Nicke am Freitagnachmittag vor Pressevertretern. Ein Verkauf sei nicht vorstellbar. Das Kaufangebot über sechs Millionen Euro hatte die Initiative am Mittwoch an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) persönlich übergeben. Das Rathaus habe es an den Sanierungsträger weitergegeben, weil dieser mit der Umgestaltung der Potsdamer Mitte beauftragt sei. Das Rathaus selbst wollte sich am Freitag auf Nachfrage nicht zu dem Thema äußern. Man werde am Montag Stellung nehmen, so ein Rathaussprecher. Eine politische Bewertung des Angebots, das geltenden Beschlüssen der Stadtverordneten widerspricht, lässt somit auf sich warten.

Bei der Initiative zeigte man sich einigermaßen irritiert. „Wir haben uns gar nicht an den Sanierungsträger gewandt“, so Sprecher André Tomczak. Dieser sei die falsche Adresse. Ganz bewusst habe man das Kaufangebot dem Land als derzeitigem Eigentümer und der Stadt, die das Gebäude nach dem Auszug der Fachhochschule übernimmt, gemacht. Dort könne man auch politisch entscheiden.

Kein Verfahrensstopp: Sanierungsträger sucht weiter nach Investoren

Nicke bezog sich in seiner Ablehnung hingegen auf den stadtpolitischen Status quo: „Solange die Politik keine abweichenden Entscheidungen trifft, wird der Sanierungsträger Potsdam das Investorenauswahlverfahren wie geplant weiterführen.“ Das bedeutet, dass die Suche nach Bauherren für den unmittelbar an den Alten Markt angrenzenden Teil des Fachhochschulgrundstücks – den sogenannten Block 3 – fortgesetzt wird. Für das Areal sind derzeit 43 Bewerber in der zweiten Runde des Vergabeverfahrens und bereiten konkrete Architekturentwürfe für Neubauten und Nutzungskonzepte vor.

Voraussetzung für die Neubebauung ist der ab November geplante Abriss des Fachhochschulgebäudes aus den 1970er-Jahren. Den will das Bündnis „Stadtmitte für alle“ verhindern. Aus der FH soll stattdessen ein „Haus der Gegenwart“ werden, in dem Wohnprojekte Platz finden, aber auch Wissenschaft, Kultur und Sport. Abrissgegner hatten das Gebäude Mitte Juli zehn Stunden lang besetzt. Es wurde von der Polizei geräumt. Seitdem ist es abgesperrt.

Sanierungsträgerchef Nicke: Angebot ohne wirtschaftlich tragfähiges Konzept

Für den Sanierungsträger ist klar, dass das Kaufangebot der Initiative zu spät kommt. „Das Interessenbekundungsverfahren endete bereits im Mai, das Vergabeverfahren befindet sich schon in der zweiten Stufe“, so Nicke. Außerdem fehle dem Angebot ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept. Auch eine realistische Kalkulation der bei einem Erhalt des Gebäudes entstehenden Sanierungskosten liege nicht vor. Die Darstellung der städtischen Belastung, wie sie bei Umsetzung des Angebots entstehen würde, sei zudem nicht vollständig.

Von März bis Mai 2017 konnten sich Interessenten für die Grundstücke in Block 3 beim Sanierungsträger melden. „Die Initiative ,Stadtmitte für Alle’ hat im Rahmen dieses Verfahrens kein Interesse bekundet“, so Nicke. Gegenüber den Bietern, darunter auch Potsdamer Familien, widerspräche es dem Gebot der Fairness und der Transparenz nun ein nicht fristgerecht eingegangenes Angebot im Verfahren zuzulassen. Zudem könnte der Sanierungsträger auch Schadenersatzforderungen riskieren.

Stiftung Trias wirtschaftlich zu schwach

Aus Sicht des Sanierungsträgers hätte das Angebot der Initiative im Verfahren ohnehin keine Chance gehabt. „Das ist nett, aber substanzlos“, so Nicke. Nach dem Wertgutachten für die Grundstücke auf dem Gelände der Fachhochschule liege der Verkehrswert bei etwa 10,4 Millionen Euro – also etwa 4,4 Millionen über dem Gebot der Initiative. Den Fehlbetrag hätte die Stadt ausgleichen müssen. Die Differenz erklärt Tomczak damit, dass sich das Gebot lediglich auf die jetzigen Flächen der FH beziehe und nicht auf die etwa ein Drittel größere Gesamtfläche der Blöcke 3 und 4.

Der größte Mangel des Gebots ist laut Sanierungsträger die Finanzierung. Es seien keine belastbaren Finanzierungsnachweise vorgelegt worden, so Nicke. Vom Mietshäusersyndikat, das laut Initiative in die Planungen eingebunden ist. liege keine konkrete Finanzierungszusage vor. Eine ausdrückliche Bereitschaft der GLS-Bank, den Ankauf und die Sanierung zu finanzieren, bestehe ebenso wenig. Das Geldinstitut mit Hauptsitz in Bochum bietet sozial-ökologische Geldanlagen und finanziert nachhaltige Unternehmen und Projekte. Dort habe man die Auskunft erhalten, dass noch nicht über eine Mitfinanzierung des Kaufpreises entschieden sei. Mit der Frage der Finanzierung der Sanierungskosten habe sich die GLS-Bank gar nicht beschäftigt. Die von der Initiative benannte Stiftung Trias verfüge nach eigenen Angaben nicht über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für einen Erwerb des Grundstücks.

Wie hoch wären die tatsächlichen Sanierungskosten?

Auch was die Kosten einer Sanierung angeht, hat der Sanierungsträger erhebliche Zweifel am Kaufangebot: Die Initiative plane die vollständige Umnutzung des Gebäudes, was eine Sanierung notwendig macht. „Die grundlegende Nutzungsänderung ist genehmigungspflichtig. Der Bestandschutz entfällt“, so Nicke. Das bedeutet, dass das umgebaute Gebäude aktuelle Bauvorschriften erfüllen muss. Aufgrund der Schadstoffbelastung sei eine Kernsanierung des gesamten Baus erforderlich. Die von der Initiative geschätzten Kosten von 882 Euro je Quadratmeter würden bei weitem nicht ausreichen. Der Sanierungsträger orientiert sich an den Sanierungskosten des Bildungsforums und kommt auf einen höheren Bedarf: 1580 Euro je Quadratmeter, also insgesamt etwa zehn Millionen Euro mehr. Dabei sei die Baukostensteigerung der vergangenen Jahre noch nicht mitgerechnet. Bei der Initiative schätzt man den Aufwand geringer ein als beim Umbau der Bibliothek. Es sollten beispielsweise keine Geschosshöhen verändert werden.

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