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Stau, überall Stau in Potsdam.

© Julius Frick

Stau und Verkehrschaos in Potsdam: „Nicht vertretbar“

Der ADAC-Experte Jörg Becker kritisiert die städtische Baustellenplanung. Am Dienstag gab es wieder Staus.

Potsdam - Am Tag zwei des Potsdamer Stau-Chaos wurde der Protest lauter: Als „nicht vertretbar“ kritisierte Jörg Becker, der Leiter Verkehr beim Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) Berlin Brandenburg, gegenüber den PNN die Belastungen für Autofahrer durch das Baustellenmanagement der Stadtverwaltung. Scharfe Kritik kam am Dienstag auch vom CDU-Landtagskandidaten Wieland Niekisch, der dem zuständigen Grünen Baubeigeordneten Matthias Klipp Totalversagen vorwarf: „Oder er hat dies in seiner sattsam bekannten grün-autoritären Ignoranz bewusst oder unbewusst billigend in Kauf genommen.“ Unter den „Verkehrs-Chaostagen“ litten nicht nur Potsdamer, sondern auch Touristen und die Tourismuswirtschaft. Carmen Klockow (Bürgerbündnis), die Ortsvorsteherin von Neu Fahrland an der staugeplagten Bundesstraße B2, kritisierte die Bauarbeiten als „völlig unkoordiniert“.

ADAC-Experte Becker lässt das Argument der Stadt, mit der Zusammenlegung vieler Baustellen in den Ferienwochen könne man die Belastung insgesamt gering halten, nicht gelten. Zwar sei das Kalkül nachvollziehbar: „Aber Potsdam ist eine große Ausnahme und nicht vergleichbar mit anderen Städten“, sagte der ADAC-Verkehrsexperte auf PNN-Anfrage. Denn was an verreisten Potsdamern auf den Straßen fehle, werde durch Touristen wieder ausgeglichen.

Am Dienstag ging es an vielen Stellen erneut nur im Schritttempo voran. Für die Fahrt von Groß Glienicke ins Zentrum beispielsweise brauchte man am Nachmittag 75 Minuten – fast viermal so lange wie im Normalfall. Die Situation habe sich zwar verbessert, sei aber „nach wie vor nicht befriedigend“, sagte Stefan Klotz, Sprecher der Verkehrsbetriebe. Im Laufe des Vormittags hätten die Behinderungen für Busse aus dem Norden wieder zugenommen, sodass mehrere Linien umgeleitet wurden. Grund der Probleme sind wie berichtet eine Vielzahl von Baustellen im Stadtgebiet (siehe Kasten). Am Montag war es zu einem regelrechten Kollaps gekommen, Verspätungen von bis zu zwei Stunden brachten vielerorts den Arbeitsalltag durcheinander.

ADAC-Verkehrsexperte Jörg Becker warf der Stadt nun Versäumnisse bei der Planung vor. Offenbar sei nicht geprüft worden, wie sich die Gleichzeitigkeit der Baustellen auswirke. Auch beim baustellenbedingten Einbahnstraßen-Ring in der Innenstadt sieht er Verbesserungsmöglichkeiten. Für besser fließenden Verkehr hätte etwa geprüft werden müssen, ob man provisorische Einfädelungsspuren oder mehr Rechtsabbiegerspuren einrichtet, sagte Becker: „Das bedeutet zwar mehr Personal- und Kostenaufwand. Aber wenn man das nicht tut, bekommt man – wie jetzt – extreme Auswirkungen, die nicht vertretbar sind.“ Der ADAC biete der Stadt an, Großprojekte vorab zu besprechen, um Tipps für möglichst verträgliche Lösungen zu geben. „Wir haben da schon gute Erfahrungen mit der Berliner Senatsverwaltung.“

Die Stadt wies die Vorwürfe zurück. Die Baustellen auf dem Innenstadtring hätten in diesem Jahr durchgeführt werden müssen, da es sich um Hausanschlüsse handele, bei denen maximal drei Monate vom Antrag des Hauseigentümers bis zur Bereitstellung vergehen dürfen. Eine halbseitige Sperrung samt Umleitung sei dabei unausweichlich. Solche Einschränkungen könne man nur in den Ferien machen: Einerseits seien dann im Berufsverkehr rund 20 Prozent weniger Autos unterwegs, andererseits würden Einschränkungen auf dem Gehweg vor Schulen – wie in der Kurfürstenstraße – außerhalb der Ferien nicht genehmigt werden. „Diese Praxis führt trotzdem zu Staus – allerdings zu deutlich weniger als außerhalb der Ferien“, so Stadtsprecherin Christine Weber. Außerhalb der Ferien wäre der Rückstau „noch deutlich größer ausgefallen“.

Tatsächlich werde der Verkehr innerhalb der Ferienzeiten nicht zwangsläufig deutlich weniger, sagte die Stadtsprecherin weiter: „Er verteilt sich nur besser über den Tag.“ Zwar kommen Touristen nach Potsdam, aber nicht vorrangig im Berufsverkehr, sondern in den Nebenzeiten, wo das kein Problem sei. ADAC-Experte Becker kann die Konzentration auf die sechs Ferienwochen dennoch nicht nachvollziehen: Denkbar sei die Streckung auch auf die Wochen vor und nach den Ferien. Denn dann reisten Potsdamer ohne schulpflichtige Kinder in den Urlaub.

Becker plädierte zudem für die Arbeit im Dreischichtsystem und am Wochenende auf den Baustellen. Entsprechende Ausnahmegenehmigungen könne die Stadt geben, weil eine kürzere Bauzeit und weniger Beeinträchtigungen im allgemeinen Interesse liegen: „Man muss es nur wollen.“ Die Stadt sieht das anders.

Nachtarbeit würde die Arbeiten nicht beschleunigen, da für bestimmte Baumaterialien Fristen etwa zum Trocknen oder Aushärten einzuhalten sind. Die Stadt verweist zudem auf den Lärmschutz der Anwohner. Gearbeitet werde noch bis Freitag in Doppelschicht: „Sollten Probleme auftreten, wird das Wochenende durchgearbeitet.“ Jana Haase

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