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Blick in die Techniksammlung am alten Standort in der Pappelallee.

© Ottmar Winter PNN

Sammlung des Filmmuseums zieht nach Babelsberg: Ins Herz der Filmstadt

Die Sammlung des Filmmuseums Potsdam verlässt nach 28 Jahren die Baracken in der Pappelallee. Der Umzug ist ein Mammutprojekt.

Potsdam - Nur drei zuvor sorgfältig verpackte Exponate haben die vier Mitarbeiter des auf Kunstguttransporte spezialisierten Leipziger Unternehmens auf der Ladefläche platziert – und damit fast 60 Jahre Babelsberger Filmgeschichte: Eine Defa 70 Reflex, die einzige 70-Millimeter-Kamera der Defa, Baujahr 1964. Der Fahrstuhl aus dem opulenten „Grand Budapest Hotel“ in der gleichnamigen mehrfach oscarprämierten Babelsberger Tragikomödie von 2014. Und eine der „Eisernen Lungen“, die im Horrorfilm „A Cure for Wellness“ von 2016 bei der Herstellung eines Lebenselixiers in einem Luxus-Sanatorium eine unappetitliche Rolle spielen. 

Nichts davon darf gekippt oder gar zusammengequetscht werden, die Objekte lagern auf schwarzen Plastikpaletten, weil die herkömmliche Variante in Holz die Gefahr von Schädlingsbefall birgt, die Umzugsmänner tragen weiße Handschuhe, damit keine Fettspuren am wertvollen Transportgut hinterlassen werden und auch sonst ist äußerste Vorsicht gefragt.

Der Fahrstuhl aus dem Babelsberg-Film „Grand Budapest Hotel“ wird am alten Depot des Filmmuseums in der Pappelallee verladen. 
Der Fahrstuhl aus dem Babelsberg-Film „Grand Budapest Hotel“ wird am alten Depot des Filmmuseums in der Pappelallee verladen. 

© Ottmar Winter

Umzug dauert noch bis zum Herbst

Potsdams wohl aufwendigster Umzug hat im April dieses Jahres begonnen und wird voraussichtlich noch bis Oktober oder November dauern: Die mehr als eine Million Objekte umfassende Sammlung des Filmmuseums verlässt endlich das Langzeitprovisorium an der Pappelallee und bezieht das neu errichtete Depot vis-à-vis der Filmhochschule in Babelsberg in der Marlene-Dietrich-Allee. 

Mit der Klinkerfassade erinnert das Depot an die historischen Studiobauten. 
Mit der Klinkerfassade erinnert das Depot an die historischen Studiobauten. 

© Ottmar Winter

Auch wenn das Vorhaben noch nicht abgeschlossen ist, wurde am Dienstag am Neubau in Babelsberg im Beisein von Kulturministerin Manja Schüle und Bürgermeister Burkhard Exner (beide SPD) Einweihung gefeiert: Außer den aktuellen Chefinnen des Filmmuseums, Christine Handke und Ilka Brombach, waren auch ihre Vorgängerinnen Ursula von Keitz und Bärbel Dalichow vor Ort, außerdem Filmuni-Präsidentin Susanne Stürmer und Matthias Voss vom Filmpark Babelsberg, dem Bauherren des öffentlich-privaten Projektes.

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Von allen war Freude zu hören – nicht nur über den Neubau im Herzen der Filmstadt mit den dringend benötigten klimatisierten Magazinräumen sowie Werkstätten nach heutigen konservatorischen Standards, sondern auch über die mit dem Umzug verbundenen Synergieeffekte in die Branche. So haben Studierende des Masterstudiengangs Filmkulturerbe künftig den kurzen Weg über die Straße von der Filmuni, sowie Seminarräume direkt vor Ort. 

Der Umzug nach Babelsberg läuft seit April.
Der Umzug nach Babelsberg läuft seit April.

© Ottmar Winter

Filmuni-Präsidentin Stürmer verwies auch auf weitere im Haus angesiedelte Institutionen wie das Erich-Pommer-Institut, das Weiterbildungen für die Medienbranche anbietet, den sogenannten Accelerator des Media Tech Hub, eine gemeinsame Einrichtung von Filmuni, Hasso-Plattner-Institut und Uni Potsdam, die bereits rund 50 Teams bei der Existenzgründung fördere, das mit dem Medienboard, der Investitionsbank des Landes und Studio Babelsberg betriebene Startbüro, das Filmprojekte von Absolventen fördert, sowie ein Experimentierlabor für neue Medientechnologien. 

Ministerin Schüle hob den Modellcharakter des Archivs in direkter Nachbarschaft von Filmhochschule und Filmstudios hervor. Hier kämen „Geschichte, Wissenschaft, Forschung, Transfer und Innovation“ zusammen.

Das Filmmuseum in der Breiten Straße bleibt erhalten

Für die interessierte Öffentlichkeit soll es zudem spätestens ab 2024 mit dem Schaudepot im Erdgeschoss eine neue Anlaufstelle geben. Dort wird dann unter anderem historische Filmtechnik zu sehen sein. Man habe gemeinsam mit Studierenden Ideen zur Präsentation und Vermittlung auch für Schulklassen und Kitakinder gesammelt, sagte Museumsleiterin Ilka Brombach. Das Filmmuseum in der Breiten Straße bleibt wie gehabt erhalten, betonte Museumsleiterin Christine Handke.

Museumsleiterinnen Christine Handke (l.) und Ilka Brombach im Neubau.
Museumsleiterinnen Christine Handke (l.) und Ilka Brombach im Neubau.

© Ottmar Winter

Nicht einmal zwei Jahre dauerte es von der Grundsteinlegung für das Depot im August 2020 bis zur Übergabe im März 2022. Der Viergeschosser aus der Feder des Berliner Architektenbüros Christoph Kohl erinnert straßenseitig mit der Klinkersteinfassade an die historischen Babelsberger Studiobauten. Der ungewöhnliche Grundriss entpuppt sich aus der Vogelperspektive als Filmklappe, wie Matthias Voss vom Filmpark erklärte. 

Dank Photovoltaikanlage auf dem Dach laufe die Stromversorgung zumindest teilweise autark, sagte Frank Duckwitz, der kaufmännische Geschäftsführer des Brandenburgischen Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen (BLB). Der BLB mietet das Haus vom Filmpark für die Filmuniversität und das Filmmuseum.

Schriftgutarchiv lagert bereits in den neuen Räumen

Etwa ein Drittel des Sammlungsbestandes sei bereits am neuen Standort, schätzt Sammlungsleiter Ralf Forster. So lagern unter anderem das Schriftgutarchiv und die Nachlässe und Gemälde aus der augenzwinkernd „Fälscherwerkstatt“ genannten Kunstmalerei-Abteilung der Defa bereits in den neuen Räumen. 

Sammlungschef Ralf Forster.
Sammlungschef Ralf Forster.

© Ottmar Winter

Die Techniksammlung und viele 3-D-Objekte wie die eingangs beschriebenen Requisiten warten noch auf den Transport aus der Pappelallee. Auch der 4-Grad-Raum im Untergeschoss des neuen Depots ist noch leer. Dort sollen später Filmrollen lagern, wobei die Temperatur für den Umzug zunächst erhöht und dann schrittweise heruntergefahren wird, um Kondenswasserbildung zu unterbinden, wie Forster erklärte.

Viele Probleme am alten Standort

Die alte Adresse in der Pappelallee – diverse Barackengebäude vom einstigen Rechenzentrum der Forstverwaltung – ist nicht nur wegen der fehlenden Klimatisierung ein Problem. Es fehlt der Platz: Die ständig wachsende Sammlung war dort 1994 eingezogen – ursprünglich eine provisorische Lösung. Sie quetschte sich dort zuletzt auf rund 3500 Quadratmetern. In Babelsberg ist mit rund 6300 Quadratmetern Nutzfläche fast doppelt so viel Raum. 

Sorgen um den Bestand machten Sammlungschef Ralf Forster auch die zunehmenden Starkregen im Sommer. „Es gibt Lücken im Dach“, erklärte er. Aus Angst vor Schäden war unter anderem die Kostümsammlung bereits innerhalb des alten Hauses umgezogen. Wenn das Filmmuseum die Pappelallee verlassen hat, sollen die Baracken weichen: Dann sollen dort ein neues Justizzentrum und ein Gymnasium errichtet werden.

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