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Potsdams Stadtschloss: Gegen die Diabolik der Parteiplanung

Jahrzehntelang begleitete Denkmalpfleger Friedrich Mielke das Stadtschloss, auch nach der Sprengung ließ das Schloss ihn nicht los. Jetzt erscheint ein beeindruckendes Buch mit seinen Schriften.

Potsdam - Zwischen dem Fortsetzungsroman „Nachts in Manhattan“ und einer Anzeige für „Melabon gegen Frauenschmerzen“ findet sich am 17. Januar 1959 in der Illustrierten Berliner Zeitung, Tagesspiegel-Beilage, ein ganz besonderer Aufsatz. Es geht um Potsdams Stadtschloss, damals eine vom Krieg zerbombte Ruine. „Sie wollen aus Potsdam eine ,sozialistische Stadt’ machen, sie wollen Potsdam für den modernen Verkehr erschließen, sagen sie. In Wirklichkeit wollen sie die historischen Wahrzeichen dieser Stadt: das Stadtschloss und die Garnisonkirche vernichten. Potsdams langjähriger Denkmalspfleger, der im vergangenen Jahr nach Westberlin flüchten mußte, gibt der IBZ dazu einen authentischen und alarmierenden Bericht“, heißt es dort.

Der „langjährige Denkmalspfleger“ ist Friedrich Mielke. Der sich wie viele damals vehement gegen den Abriss des Knobelsdorff-Baus einsetzte. Und ihn nicht verhindern konnte. Denn bereits ein Jahr nach dem Aufruf in der Illustrierten begann die Sprengung. Das Schloss ließ Mielke dennoch nicht los. Mehrere Jahrzehnte wird der Architekt und Denkmalpfleger das Bauwerk begleiten, bis zum Neubau. Jetzt wird das Engagement Mielkes mit einer ganz besonderen Publikation gewürdigt: Der Potsdamer Knotenpunktverlag editierte den Band „Wider das Zerstören und Vergessen. Das Potsdamer Stadtschloss in den Schriften von Friedrich Mielke 1955–2014“. Am heutigen Mittwoch wird es der Presse im Potsdam Museum am Alten Markt präsentiert. Mit dabei auch Vertreter der Stadt Potsdam, die Mielke 1991 aufgrund seiner Verdienste zum Ehrenbürger kürte.

Friedrich Mielke prangerte Verkehrsplanungen für "sozialistische Stadt" an

Friedrich Mielke wird nicht dabei sein. Für den 94-Jährigen ist die Reise von seinem Wohnort in Bayern zu anstrengend, sagt Verleger Rainer Lambrecht. Er habe sich auch noch nicht zu dem druckfrischen Buch geäußert. „Aber ich meine, wenn er etwas zu bemängeln hätte, hätte er das schon getan“, sagt Lambrecht.

Friedrich Mielke sagte schon damals, noch in der DDR, was er dachte. Prangerte die Verkehrsplanungen für die neue „sozialistische Stadt“ an, Straßenführungen, die den Abriss begründen sollten, die „Diabolik der Parteiplanung“. Weshalb ihm der Kulturbund der DDR bereits 1955 aus politischen Gründen ein Redeverbot verpasste.

Ein Schatz für Denkmalpfleger

Das Buch, 264 Seiten auf Hochglanzpapier, spiegelt einerseits die Verwobenheit Mielkes mit dem Schloss wider, andererseits chronologisch die Auseinandersetzung Mielkes mit dem politischen System. Es ist eine beeindruckende Material- und Quellensammlung. Denn als das Schloss verschwunden war, begann Mielke, das Verschwundene akribisch zu dokumentieren. Grundrisse, Skulpturen, jede Putte, jede Vase. Ein Schatz für Denkmalpfleger und Architekten. Mindestens ebenso spannend ist die Materialsammlung für Historiker, Politikinteressierte und Potsdamer. Die Quellen illustrieren, wie man damals mit so einem Thema umging, wie man dachte, wie man stritt. Die Quellensuche war mühsam: Zwar hatte Mielke notiert, wann und wo von ihm Texte publiziert wurden. Doch die Originalzeitungen zu finden war schwierig. Zwei Jahre etwa arbeiteten die Herausgeber Norbert Blumert und Klaus Wunder zusammen mit dem Verleger Lambrecht an dem Manuskript. Das Ergebnis ist ein Buch mit beeindruckenden Dokumenten und Bildern, Farbfotos der Trümmerberge, in denen in schöner Frühlingssonne russische Soldaten nach Brauchbarem suchen, ein Laster zum Abtransport steht bereit. Inmitten der drögen Leere große Aufsteller mit DDR-Propaganda, die neben dem Mercure-Hotel weitere Neubauklötze zeigen. „So wird es hier 1965 aussehen“, lautet die Verheißung.

Furcht vor der sozialistischen Architektur

Auch deshalb setzte sich Friedrich Mielke stets für das Bewahren ein. Weil er die sozialistische Architektur fürchtete. Rechnete der Regierung vor, dass ein Wiederaufbau genauso viel kosten würde wie Abriss und ein Neubau in gleicher Kubatur. Als man nach der Wende den Nachbau des Schlosses für einen neuen Landtag plante, lehnte er diesen allerdings vehement ab. Das sei falsch verstandener Denkmalschutz, habe er gesagt, so Rainer Lambrecht. Was einmal weg ist, kann man nicht mehr schützen. Den neu errichteten Schlossbau habe er bisher nicht besucht. Auch wenn er „wohl oder übel“, so Lambrecht, seinen Frieden damit geschlossen hat. „Er hat sich in letzter Zeit mehr mit seinen Treppen beschäftigt“. Denn Friedrich Mielke gilt nicht nur als bedeutender Denkmalpfleger, sondern begründete auch die Wissenschaft der Treppenforschung. Den Potsdamern dürfte er von seiner Idee, der Stadt ein Einheitsdenken aus ineinander verdrehten Treppen zu schenken, bekannt sein. Damit konnten sich die Stadtverordneten jedoch nicht anfreunden.

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